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HETArgie? Argentinien Europas? Kärnten vor Bankrott, Gläubiger reichen heute schon Klage ein

FMW-Redaktion

Seit heute Mittag ist es offiziell. Es haben nicht genug Gläubiger der HETA (Nachfolger der Hypo Alpe Adria) einem Rückkaufangebot von Anleihen zugestimmt, die nichts anderes darstellen als einen realen Schuldenschnitt. Regierungsvertreter aus Österreich zeigten heute Unverständnis, warum die Gläubiger einem Angebot nicht zustimmten.

Hat da jemand vielleicht ein falsches Verständnis von grundlegenden Dingen? Wenn Sie etwas kaufen, für das der Staat voll und ganz haftet, und das was sie gekauft haben, verliert an Wert, dann würden sie doch auch darauf bestehen, dass der Staat den Schaden zu 100% ersetzt, stimmts? Genau das passiert hier gerade. Schon am Freitag hatten wir hierzu berichtet. Das Bundesland Kärnten hatte für die hier besprochenen Anleihen die Garantie übernommen, in vollem Umfang. Der österreichische Finanzminister Hans-Jörg Schelling sagte heute er rechne nicht mit einer Insolvenz Kärntens, da es so eine Art Insolvenzrecht in Öseterreich gar nicht gäbe. Die Finanzierung Kärntens über die Bundesfinanzierungsagentur sei gesichert. Interessant: Während Kärnten das natürlich anders sieht, sagte Schelling heute „Wir gehen davon aus, dass die Haftungen existent sind.“ Damit gibt er natürlich den Gläubigern eine höchstamtliche Bestätigung, dass eine Klage sehr gute Aussichten auf Erfolg hat.

Er rechne aber sehr wohl mit einer Klage der Gläubiger, um sich das Geld vom Garantiegeber Kärnten zu holen, so Schelling – die erste Phase solch einer Klage könne 4-5 Jahre dauern. Und siehe da, einige Gläubiger verlieren keine Zeit. Mitglieder der Gruppe „Ad Hoc“ haben laut eigener Aussage heute bereits Klage gegen das Bundesland Kärnten beim Landesgericht Klagenfurt eingereicht. Wenn aber wie der Finanzminister des Staates Österreich sagt Kärnten gar nicht pleite gehen kann, wie muss man sich das dann in der Praxis vorstellen? Es gibt da mehrere Möglichkeiten, denn dass der Anspruch der Gläubiger gegen Kärnten zweifelsohne besteht, ist für außenstehende Beobachter unstrittig:

1)
Ein Gericht erklärt den Anspruch der Gläubiger gegen Kärnten für nicht rechtens. Aber mit welcher Begründung? Weil Kärnten nicht zahlen kann? Oder weswegen sonst?

2)
Die Gläubiger gewinnen, und das Gericht stellt einen „vollstreckbaren Titel“ gegen Kärnten aus. Wie sähe das in der Praxis aus? Ein Anwaltsteam der Gläubiger vagabundiert mit Polizisten im Schlepptau durch Kärnten und pfändet Staatsbesitz, wo man ihn findet? Wäre wohl ein reales Szenario. Das wäre mal was für den globalen Medienzirkus – ein Gerichtsvollzieher, Anwälte, Polizisten, und dahinter im Schlepptau CNN, BBC, ARD, BILD und Co? Aber was genau kann verwertet werden? Das wird hochinteressant. Hierzu auch bitte nochmal unseren Artikel vom Freitag lesen!

3)
Der österreichische Finanzminister lässt sich auf die Schnelle was einfallen. Wien gibt Kärnten einen lange laufenden Kredit (wie lange bitte?), damit Kärnten die Gläubiger sofort loswerden kann? Oder Wien erlässt irgendein neues Gesetz, das Kärnten vor dem Zugriff der Gläubiger schützt? Aber wie weit könnte sowas vor einem EU-Gericht Bestand haben?

4)
Oder könnte ein Gericht zu dem Schluss kommen, dass in so einem Fall die Bundesregierung in Wien für das Bundesland einspringen muss als übergeordneter staatlicher Haftungsgeber? Bisher kaum vorstellbar, denn Kärnten ist ja eine eigenständige regionale Institution, so wie deutsche Bundesländer es auch sind.

Und was hört man vom Bundesland Kärnten heute zu dem Thema, wo die Suppe jetzt eigentlich ausgelöffelt werden muss? Man wirft den Gläubigern lustigerweise eine große Mitverantwortung am jetzigen Zustand vor – sie hätten vorher nicht sorgfältig genug geprüft, ob Kärnten als Gläubiger so eine Haftung überhaupt hätte tragen können. Eine irrwitzige Argumentation, meinen wir. Hier die Originalerklärung der Landesregierung Kärnten:

Entschlossen zeigt sich die Kärntner Zukunftskoalition mit Landeshauptmann Peter Kaiser, Finanzreferentin LHStv.in Gaby Schaunig, LR Christian Benger und LR Rolf Holub in einer ersten Stellungnahme nachdem das Angebot des Kärntner Ausgleichzahlungsfonds, mit dem die behafteten Anleihen um 75 Prozent (vorrangige) und 30 Prozent (nachrangige) gekauft werden sollen, nicht von den nötigen zwei Dritteln der Gläubiger angenommen wurde. Die Zusage von Finanzminister Hans Jörg Schelling, die Finanzierung des Bundeslandes Kärnten sei weiterhin gewährleistet, gibt Zuversicht.

„Damit wurde von den Gläubigern eine große Chance auf eine verantwortungsbewusste Lösung vertan. Kärnten hat sich außerordentlich bemüht und alles gegeben, um die von Vorgängern verursachte Haftungsgeißel endlich los zu werden. Wir werden jetzt jedenfalls alles unternehmen, um Kärnten zu schützen“, macht Kaiser deutlich. Von immenser Wichtigkeit sei die Zusicherung des Finanzministers, die Finanzierung Kärntens durch die ÖBFA sei weiterhin gewährleistet: „Das ist ein unmissverständliches Signal, dass der Bund zu uns steht. Und das gibt Mut und Kraft.“ Der Landeshauptmann mahnt Geschlossenheit ein: „Mehr als jemals zuvor braucht Kärnten jetzt Einigkeit und Geschlossenheit. Wir müssen zusammenstehen und an einem Strang ziehen, dann werden wir Kärnten auch gemeinsam durch die kommende, stürmische Zeit führen.“

Wie Kaiser zeigt sich auch Finanzreferentin LHStv.in Gaby Schaunig gewappnet: „Auch wenn die Nicht-Annahme völlig unverständlich ist, so haben wir uns natürlich auch darauf vorbereitet. Für die zu erwartenden Prozesse sind wir jedenfalls vorbereitet und werden Kärnten mit allen Mitteln verteidigen.“ Wie für Kaiser ist auch für die Finanzreferentin die Zusicherung der Finanzierung durch den Bund jetzt das Wichtigste.

Für LR Christian Benger gibt es jedoch keinen Grund in eine „Hetargie“ zu verfallen. „Das Angebot, das Land mit 7,7 Milliarden Euro aus der 11-Milliarden-Haftungsgeisel zu befreien, wurde nicht angenommen. Daher müssen wir andere Lösungen suchen. Wir haben ein funktionierendes Land, wir haben eine aktive Wirtschaft und fleißige Arbeitnehmer. Wir werden auf Grund der Entscheidung der Gläubiger nicht im Jammertal versinken“, betont Benger. Sehr wohl werde die Politik aber Hausaufgaben erledigen müssen, um Kärnten zukunftsfit und enkeltauglich zu gestalten. Dazu gehöre laut Benger vorrangig der Abbau der Landesschulden. „Am Reformkurs führt kein Weg vorbei“, ist er überzeugt.

Die Mitverantwortung der Gläubiger streicht LR Rolf Holub hervor: „Sie haben diese Situation wesentlich selbst mit zu verantworten, weil sie jede Sorgfaltspflicht über Bord geworfen und auf eine Prüfung, ob Kärnten diese Haftungen überhaupt jemals zu stemmen im Stande gewesen wäre, verzichtet haben. Stattdessen haben sie wie jene, die die Haftungen in derart schwindelerregende Höhen getrieben haben, hoch gepokert, viel zu hoch. Da dürfen sie sich nicht wundern, wenn sie auch mal verlieren.“



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