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Immobilien: Ist der Zug schon abgefahren?

Die Preise für deutsche Immobilien (und vor allem Wohnimmobilien) stiegen parallel zu der aggressiven Geldpolitik der EZB als Reaktion auf die Finanz- und Eurokrise stark an. Zuletzt mehren sich die Warnungen vor einer Immobilienblase. Worauf muss man besonders achten, wenn man jetzt noch kaufen möchte? Und gibt es noch attraktive Standorte?

Immobilien Beispielfoto Haus
Foto: pixabay / Free-Photos

Zinsen für Immobilien runter, Preise rauf

Um die Folgen der großen Finanzkrise und der dadurch ausgelösten Eurokrise zu bekämpfen, hat die EZB den Leitzins massiv gesenkt: von 4,25 Prozent Ende 2008 auf aktuell 0 Prozent. Parallel dazu wurden von den Zentralbanken durch massenhafte Ankäufe von Staatsanleihen auch die Renditen am langen Ende der Zinsstrukturkurve in den Boden gestampft – bis hin zu Negativzinsen bei deutschen Staatsanleihen. Die Hypothekenzinsen, die sich stark an den Kupons der langlaufenden Staatsanleihen orientieren, sind im Zuge dessen ebenfalls abgestürzt und liegen aktuell bei entsprechender Bonität schon unter 0,5 Prozent pro Jahr. Dieser Zinsschwund, gepaart mit ausländischen Kapitalzuflüssen sowie dem Nachfrageschub durch das Baukindergeld, trug zu dem noch laufenden Immobilienboom in Deutschland maßgeblich bei.

Immobilien Renditen vs Zins

Neben dem massiven Absinken der Kosten für Baudarlehen wirkt auch der vermehrte Wunsch der Deutschen nach Wohneigentum preistreibend. Nach einer Umfrage von LSB Research aus dem Jahr 2019 wollen 52 Prozent der Mieter in Deutschland lieber im Eigenheim wohnen. Hier spielt auch das Preismomentum eine Rolle (steigende Preise lassen Vermögenswerte attraktiv erscheinen). Aber vor allem der schwindende Unterschied zwischen Mietzahlungen und Finanzierungskosten führte zum Umdenken der Deutschen in Sachen Immobilienbesitz. Ein weiterer preistreibender Faktor ist die Urbanisierung, die den Preistrend in den deutschen Metropolen überdurchschnittlich verstärkt hat. Dies gilt besonders für Städte wie München, Stuttgart und Frankfurt. Der Unterschied in der Immobilienpreisentwicklung zwischen Stadt und Land wird laut einer Studie des DIW in den nächsten zehn Jahren noch gravierender. Die Preise könnten gemäß dieser Studie auf dem Land um bis zu 25 Prozent sinken, in ländlichen Gebieten Ostdeutschlands sogar um bis zu 50 Prozent. Wobei dieser Trend stark von der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Angebot gut bezahlter Arbeitsplätze abhängt.

Als Sondereffekt trugen laut Institut der deutschen Wirtschaft (IWD) auch die Migrationspolitik der Bundesregierung und der dadurch verschärfte Mangel an bezahlbarem Wohnraum zu den Preissteigerungen bei. Bleibt das Zinsumfeld in Folge der sich immer weiter drehenden Schuldenspirale so extrem niedrig wie jetzt oder fallen die Hypothekenzinsen wie in Skandinavien sogar nominal unter null, dann bleiben Immobilien in Deutschland auch in Zukunft stark nachgefragt.

Selektion bei Immobilien wird immer wichtiger

So wie sich die Diskrepanz in der Preisentwicklung zwischen Stadt und Land weiter herausbildet, muss man auch die unterschiedlichen Marktentwicklungen zwischen den Metropolen beachten. Berlin wächst aktuell aufgrund seiner ausgeprägten Orientierung auf den Dienstleistungssektor deutlich stärker, als das durch Automobilproduktion geprägte Stuttgart. Gemäß dem Dr. Klein Trendindikator Immobilienpreise 2019 ist die Dynamik in diesem Jahr in Berlin, Hamburg und Dresden schon höher als in München, Frankfurt und Stuttgart. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Perspektiven eines Standortes spielen also eine große Rolle. Umso wichtiger ist es, diese bei der Auswahl des Standortes mit zu berücksichtigen.

Neben dem Standort spielt auch die Qualität der Immobilien in Sachen Baumaterialien, Haustechnik und Wärmeeffizienz eine Rolle. Teure Anschaffungskosten schmälern das Budget für nachträgliche Investitionen in das Objekt. Die Kosten für Sanierung, Umbau, Reparaturen und Renovierungen sind zusammen mit den Immobilienpreisen massiv angestiegen, das Gegenteil gilt für die Verfügbarkeit von Handwerkern, diese ist massiv gesunken. Selbst bei essenziellen Reparaturen, wie z. B. an der Heizungsanlage oder den Sanitäreinrichtungen, muss man sich auf Wartezeiten von bis zu 12 Monaten einstellen. Auf diese herausfordernden Bedingungen sollte man sich bereits im Vorfeld des Kaufs einer Immobilie einstellen und ein entsprechendes Budget vorhalten.

Eine exemplarische Standort-Perle

Eines zeigen alle aktuellen Studien: Die tief hängenden Früchte am deutschen Immobilienmarkt sind bereits gepflückt. Wer jetzt noch Geld in den schon recht reifen Zyklus investieren möchte, der muss umso gewissenhafter selektieren. Eine Möglichkeit, jetzt noch zukunftsträchtige Objekte zu finden, ist der Fokus auf Regionen und Städte mit anhaltenden wirtschaftlichen Sonderentwicklungen. Diese gibt es in ganz Deutschland. Exemplarisch sei hier die direkt an den Südwesten Berlins angrenzende Landeshauptstadt Potsdam genannt – eine in jeder Hinsicht ungewöhnliche ostdeutsche Stadt.

Mit dem höchsten Wachstum aller ostdeutschen Städte, einer seit Jahren wachsenden Bevölkerungszahl und einer Arbeitslosenquote von unter drei Prozent (Vollbeschäftigung) kann es das „schicke“ Potsdam mit jeder westdeutschen mittelgroßen Stadt aufnehmen. Die Prosperität der königlichen Residenzstadt fußt auf mehren nachhaltigen Faktoren, die den Standort sehr attraktiv machen. Die Einwohnerzahl ist seit dem Jahr 2000 von 139.695 auf aktuell 180.353 gestiegen. Wobei überdurchschnittlich viele Menschen aus den alten Bundesländern (inkl. Westberlin) in die Landeshauptstadt umziehen und Wohnraum nachfragen. Vor allem gut betuchte Westberliner sehen in der Berliner Vorstadt eine attraktive Alternative zur Hauptstadtmetropole. Der Leerstand bei Immobilien für Mietzwecke beträgt nach Angaben der größten Potsdamer Wohn- und Baugesellschaft Pro Potsdam unter 1 Prozent (Fluktuationsminimum). Vom Hauptbahnhof Potsdam bis zum Kurfürstendamm benötigt man mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur 20 Minuten, bis zum Zentrum am Potsdamer Platz (in Berlin) nur gut zehn Minuten länger.

Daher boomt auch der Tourismus in der Stadt der Schlösser und Parks: Das siebte Jahr in Folge kann Potsdam Rekordübernachtungen verbuchen, im Jahr 2018 waren es 1,27 Millionen.

Der durchschnittliche Kaufpreis liegt im September für Wohnimmobilien (Wohnungen und Häuser) 2019 bereits bei 4.509,05€/m². Für den Kauf eines Hauses muss man im September 2019 durchschnittlich bereits 5.000,57 €/m² aufwenden, für 150 m² große Häuser 4.708,75 Euro und für 200 m² 6.146,96 Euro.

Immobilien Preise in Potsdam

Potsdam scheint auf den ersten Blick bereits recht teuer zu sein. Das Zukunftspotenzial der Stadt speist sich jedoch aus verschiedenen nachhaltigen Wachstumsquellen: Mit der wachsenden Medienstadt Babelsberg zieht Potsdam Künstler und Prominente an. Zuletzt entschied sich Herbert Grönemeyer für den Kauf einer Immobilie in Potsdam. Die von Flüssen und Seen umgebene Inselstadt mit ihrem historischen Stadtkern und diversen Schlösser ist für Touristen nicht nur im Sommer attraktiv. Die Landeshauptstadt ist zudem sehr familienfreundlich: Fahrradwege sind stark ausgebaut und es gibt ein überdurchschnittlich hohes Angebot an Spielplätzen, Kitas und Schulen. Die Migrationsquoten in den Klassen sind unterdurchschnittlich gering.

Die Sonderkonjunktur Potsdams könnte man so beschreiben: Eine schicke Perle im Speckgürtel Berlins deren Bevölkerungszuwachs sich in den nächsten Jahrzehnten aus der im Vergleich überdimensionierten Hauptstadt speist. Die hohen Preise machen den Umzug dabei nur finanziell gut ausgestatteten Käufern möglich, davon gibt es in Berlin noch reichlich. Das Potenzial Potsdams ist auch wegen der andauernden Modernisierung ganzer Stadtviertel noch lange nicht ausgeschöpft.

Fazit

Wie weit die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland noch steigen, hängt maßgeblich von der Fortführung und Verschärfung der laxen Geldpolitik der EZB ab. Das jetzt erreichte Preisniveau stößt vielerorts schon an die Grenzen der Leistbarkeit potenzieller Käufer. Daher wird es immer wichtiger, auf Sonderfaktoren wie die Auslandsnachfrage oder regionale Spezifika zu achten. Es gibt in Deutschland mehrere solcher Regionen und Städte. Potsdam ist ein gutes Beispiel dafür, wie durch besondere Wachstumsfaktoren ein Investment in Immobilien zukunftssicherer werden kann. Eine Garantie für weiter steigende Preise ist auch das natürlich nicht. Abschließend soll noch erwähnt werden, dass der Autor dieses Artikels bereits in Potsdam zu Hause ist und zuvor in ganz Deutschland gelebt und gearbeitet hat (zuletzt in Wiesbaden).



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