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IWF: Die Wachstumsprognosen – Goldilocks-Szenario realistisch?

Ist der Abgesang auf Europa durch den IWF und der Jubel um die schnellen Impfungen in den USA kurzsichtig?

Der IWF und seine Prognosen

Langsam kämpft sich die Weltwirtschaft aus der Corona-Krise heraus, von Region zu Region verschieden schnell – natürlich wird so etwas begleitet von den Vorhersagen der großen Prognose-Institute, allen voran dem Internationalen Währungsfonds IWF. Besonders unter die Räder kommt dabei die deutsche Wirtschaft, da sich in vielen Ländern über das „Impfdebakel“ des ehemaligen Organisationsweltmeisters Gedanken gemacht werden. Aber wie valide kann eine Prognose wie die des IWF in Post-Coronazeiten sein, bei all den schlummernden Unwägbarkeiten, die die Hilfspakete der letzten 13 Monate hervorrufen könnten?

2020, ein Jahr der ständigen Korrekturen

Es liegt natürlich in der Natur der Sache, dass ehemalige Prognosen Schall und Rauch werden, in unserer Welt der Informationsüberflutung auf allen Kanälen, aber sicherlich wird noch vielen in Erinnerung sein, welche niedrige Halbwertszeit die Vorhersagen des letzten Jahres hatten (haben mussten). Im Januar ging der IWF von einem Wachstum der Welt von 3 Prozent aus, im April von einer Schrumpfung um 3 Prozent, im Dezember von 4,4 Prozent, es wurden dann 3,3 Prozent.

Für Deutschland ging der IWF im April von einer Rezession von 7 Prozent aus, heraus kamen 4,9 Prozent, trotz der zweiten Welle ab November. Natürlich kann man in einem solchen Ausnahmejahr keine treffsicheren Prognosen abgeben, auf Monatssicht waren die Revisionen noch erheblich heftiger. Aber gilt das nicht fast für jedes Jahr?

IWF: Der World Economic Outlook für 2021

In mehreren vielen Zeitungen stand am Dienstag zu lesen, dass der IWF Deutschland in seiner neuesten Prognose in einem schlechten Licht erscheinen lässt. Bei seiner neuesten Prognose hob der Währungsfonds das Wachstum für Deutschland nur um 0,1 Prozent auf 3,6 Prozent an, während er für viele andere Länder eine deutlichere Aufstufung vornahm. Zum Beispiel für die USA von 1,3%, für Italien 1,0%, für Großbritannien 0,8%, für Spanien 0,5%, für China und Frankreich 0,3% und für die Welt 0,5%.

Natürlich gilt es zu berücksichtigen, dass die europäischen Staaten im letzten Jahr erheblich tiefer in die Rezession gerutscht waren und daher die Anstiege automatisch deutlicher ausfallen können. Dennoch sehen die Wachstumsaussichten schon gewaltig aus: 8,4% für China, 6,4% für die USA und Spanien, 5,8% für Frankreich, 5,3% für Großbritannien und selbst für Italien 4,2%. Und für Deutschland 3,6 Prozent.

Natürlich ist dies auf die Beurteilung des politischen Missmanagements des letzten Teils der Corona-Krise zurückzuführen, insbesondere auf die sich dahin schleppende Impfkampagne.

Dies ist besonders deutlich an dem Auseinanderklaffen der BIP-Prognose zwischen den USA und Deutschland zu erkennen, einer Grafik von Holger Tschäpitz, die Markus Fugmann auch schon in einem Video dargestellt hat.

Sind es nur die Impfungen?

Derzeit stützen sich die Prognosen sehr auf den Fortgang bei den Impfungen, was für ein Reopening der Wirtschaft zunächst von essenzieller Bedeutung ist. Klar, denn dann kann sich der Nachholeffekt in seiner ganzen Heftigkeit entladen, das gebunkerte Geld mit Verve in die Wirtschaft fließen. Ein fast schon garantierter Sugar Rush.

Aber was passiert dann?

Zum Beispiel mit der Inflation, wenn sehr viel Nachfrage auf ein reduziertes Angebot trifft?
Was mit den Kapitalmarktzinsen, wenn es zugleich viel Angebot an Staatsanleihen gibt, um die hohe Corona-Verschuldung zu finanzieren?
Sollten die 10-jährigen US-Treasuries steigen, werden dann nicht auch viele Kreditzinsen, etwa für den gigantischen US-Häusermarkt, steigen, eine der ganz großen Finanzierungsquellen für den US-Konsumenten?
Käme von dieser Seite nicht zugleich wieder ein dämpfender Effekt für die Konsumausgaben?
Würde bei einem vom IWF prognostizierten Wachstum von 6,4 Prozent die Federal Reserve nicht in enorme Schwierigkeiten kommen, das Notfall-Kaufprogramm für Anleihen aufrechtzuerhalten?
Liefe diese Entwicklung nicht dem gesetzlichen Auftrag der Fed zuwider? Gewährleistung von „Price Stability and Maximum Employment“?
Würde auch nur die Erwähnung eines künftigen Tapering die Aktienmärkte nicht heftigst tangieren, mit der gigantischen Marktkapitalisierung von über 41 Billionen Dollar?
Einer großen Achillesferse für die US-Gesellschaft, wie schon einmal im Dezember 2018 thematisiert.
Wird die Pandemie so ohne Probleme bewältigt werden, Stichwort Mutationen?

Das sind die USA, aber ist der Rückstand Deutschlands gegenüber den USA in Stein gemeißelt? Wenn die hohe Zahl an (erwarteten) Impfdosen durch unseren Impfprofis (Hausärzte) in 50.000 Arztpraxen ab Mai verimpft werden. Profitieren unsere vielen Weltmarktführer im Industriebereich nicht ganz besonders von dem Projekt „Infrastructure and Clean Energy“?

Fazit

Die Prognosen des IWF haben zu vielen Schlagzeilen geführt, aber ob damit schon eine valide Aussage über das ganze Jahr 2021 gemacht ist, könnte man durchaus bezweifeln.

Ich weiß nicht, ob der Abgesang auf Europa und der Jubel um die schnellen Impfungen in den USA nicht sehr kurzsichtig gedacht sind. Die USA haben sich mit einer derartigen Dramatik verschuldet, die prozentual höher ist, als nach dem Zweiten Weltkrieg. Sicherlich hat Europa aufgrund der Konstruktionsmängel große Probleme, um aus der Krise herauszukommen. Aber wird in den USA alles so reibungslos über die politische Bühne gehen, nach einer Haushalts-Neuverschuldung in 2020, die mit 15 Prozent einmalige Dimensionen aufweist? Werden nicht bald die ersten politischen Streitigkeiten um die Regierungsprogramme losgehen, allein schon in Vorbereitung auf die Midterm Elections in 18 Monaten?

Ich will hier nicht Wasser in den (Wachstums-)Wein schütten, sondern auf die Problematik von Prognosen hinweisen, die auf ein derart epochales Wachstum hinweisen. Wie nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Welt in vielen Ländern in Trümmern lag. Während Corona ist keine Fabrik kaputt gegangen, die Kfz-Dichte in den USA beträgt 740 auf 1000 Einwohner, der Konsum der Amerikaner war vor der Pandemie schon am Anschlag – nur ein paar Beispiele für eine gesättigte Konsumgesellschaft im Westen zu nennen.

Dazu wurde Geld gedruckt in Billionenhöhe und ein Mehrfaches dessen, was durch die Rezession an Wirtschaftskraft verloren wurde.

Insgesamt haben die G20-Staaten 16 Billionen US-Dollar aufgebracht, um die Krise zu bewältigen. Aber die USA allein schon mit 5,1 Billionen Dollar und da sind die 2,3 Billionen für das Infrastrukturprogramm der Biden-Regierung noch gar nicht enthalten.

Und das soll Goldilocks-like ohne Irritationen in eine Wachstumsorgie münden? Und ohne Überschießen der Inflation?



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