Hintergrund

„Negativzinsen sind irrsinnig“

Von Philipp Bagus

Philipp Bagus ist Professor für Volkswirtschaftslehre in Madrid und Vorstand des renommierten Ludwig von Mises Insitut Deutschland. Auf finanzmarktwelt.de gibt er exklusiv seine Einschätzung über die von der EZB eingeführten negativen Einlagezinsen. Zusammen mit Andreas Marquart hat er das Buch „Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werden“ geschrieben, das in jeder Hinsicht empfehlenswert ist!

 

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Am 05. Juni 2014 hat die EZB geldpolitisches Neuland betreten. Noch nie hatte eine Zentralbank den Tabubruch gewagt und einen negativen Einlagenzinssatz festgesetzt. Negative Zinsen sind auf dem freien Markt undenkbar. Denn wer wird sein Geld verleihen, wenn er dadurch Geld verliert? Nur in der künstlichen Zentralbankplanwirtschaftswelt ist ein negativer Zinssatz möglich.

Warum hat die EZB dieses Zinsexperiment gewagt? Weil die Banken ihr Geld bei der EZB parken, statt es als Kredit an die Privatwirtschaft zu vergeben. Wenn in einer Rezession die Unsicherheit steigt, weil sich Unternehmensverluste häufen, die Arbeitslosigkeit steigt, oder auch die Staatsfinanzen wackeln, dann erhöhen die Wirtschaftssubjekte ihre Liquidität. So auch die Banken. Und die Banken deponieren ihr Geld bei der Zentralbank. Dort gab es jedoch kaum oder gar keine Zinsen.

Warum tun das Banken? Warum verleihen sie das Geld nicht in der Privatwirtschaft und kassieren deutlich höhere Zinsen, wie es die EZB will? Sind die Banken dumm, dass sie sich diese Gewinne entgehen lassen? Das scheint jedenfalls die EZB zu denken. Sie will jetzt die Banken mittels Negativzinsen dazu verleiten, das bei ihr geparkte Geld an die Privatwirtschaft auszuleihen. Die EZB scheint nicht zu verstehen, dass die Banken trotz Nullzinsen das Geld lieber bei ihr parken, weil es dort sicher ist. Die Unsicherheit steigt eben in einer Rezession enorm an. Und es gibt unzureichend solvente Nachfrage nach Bankkrediten, vor allem in Südeuropa. Denn das eine ist das Kreditangebot, dass die EZB auf Gedeih und Verderb stimuliert, und das andere die (solvente) Kreditnachfrage.

In Südeuropa kam es im Zuge der letzten Blase zu zahlreichen Fehlinvestitionen, im Konsumbereich, insbesondere aber im Immobiliensektor. Und wenn die meisten Unternehmen Verluste machen, dann ist logischerweise auch die solvente Kreditnachfrage gering. Die Banken wollen nicht Unternehmen Kredite geben, die Verluste erwirtschaften und die Unternehmen wollen ihr Minusgeschäft auch nicht expandieren, sondern vielmehr ihre Überschuldung abbauen. Damit es in Südeuropa wieder nachhaltig aufwärts geht, müssen die Exzesse in Konsum- und Bauwirtschaft berichtigt werden. Diese Sektoren müssen schrumpfen, sodass andere dafür wachsen können.
Wenig hilfreich ist es, die Banken geldpolitisch dazu verleiten, Kredite an eine Wirtschaft zu geben, deren Struktur so verzerrt ist, dass größtenteils Verluste anfallen.

Die Idee von Negativzinsen an sich, ist irrsinnig. Denn wird der Zins ausreichend negativ, dann erscheint beinahe jedes Investitionsprojekt profitabel. Nehmen wir an, dass die durchschnittliche Gewinnrate in einer Volkswirtschaft bei -3% liegt (also 3% Verlust), da es eine riesige Blase gab, die geplatzt ist. Bekommen die Unternehmen dann zu -6%, -10% oder -100% Kredite, dann sind sie plötzlich wieder profitabel.
Bei einem Zins von -100% erscheint beinahe jedes noch so irre Investitionsprojekt interessant. Die Frage ist: Sollten diese irren Projekte begonnen oder aufrechterhalten werden? Die Strukturprobleme werden so natürlich nicht gelöst, sondern nur künstlich verlängert.

Für die Verbraucher bringt es wenig, wenn eigentlich verlustbringende -also ressourcenverschwendende- Projekte unternommen werden. Es können auch nicht alle, noch so abwegigen Projekte durchgeführt werden, denn die Ressourcen sind begrenzt. Wir leben leider nicht im Schlaraffenland. Die Anzahl der durchführbaren Projekte ist durch die zur Verfügung stehenden realen Ersparnisse begrenzt. Daher sollten die Ressourcen für die in den Augen der Konsumenten rentabelsten Projekte eingesetzt werden. Dabei zeigt ein freier Marktzins an, welche Projekte noch durchgeführt werden sollten, und welche erst einmal zurückgestellt oder gar eingestellt werden sollten, weil ihre Rendite zu niedrig ist.

Das Vorspielen eines nicht existierenden Schlaraffenlandes mittels Niedrigzinsen hilft vor allem den überschuldeten Akteuren wie Banken und Staaten; auf Kosten des Rests der Bevölkerung, deren Ersparnisse kaum noch etwas abwerfen. Die Wirtschaftskrise in Südeuropa beendet diese massive Umverteilung jedenfalls nicht. Im Gegenteil. Die Negativzinspolitik der EZB alimentiert die Ressourcenverschwendung und verzögert die Erholung. Erst muss sich die verzerrte Wirtschaftsstruktur in Südeuropa anpassen, sodass wieder überwiegend Gewinne erwirtschaftet werden. Dann fließen die Bankkredite auch wieder.



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4 Kommentare

  1. Vielleicht kann mir hier mal jemand erklären, was ein negativer Einlagenzins bewirken soll. Einen Einlagensatz von 0% kann ich mir noch erklären, aber warum sollte eine Bank für einen negativen Zinssatz Geld bei der EZB hinterlegen. Die Banken sollten doch die paar Bytes freihaben, das Geld selbst „aufzubewahren“ oder trauen sich sich selbst nicht über den Weg ???
    Viele Grüße, Erik

    1. Einen Teil der Antwort haben Sie sich selbst gegeben. Darüberhinaus haben die Banken eine Hinterlegungspflicht die sie nicht umgehen können. Alles andere Kapital geht natürlich in besser verzinsliche Aktionen, wie z.B. die Börsen mit ihren Aktien und Derivaten.

      Draghi glaubt hingegen ( oder auch nicht ), dass das Parken von Geld mit Negativzins die Banken dazu bringt, überschüssige Liquidität an Kreditnehmer herauszulegen. Das ist naiv, weil er Ursache und Wirkung verwechselt.

      Der Denkfehler ist, dass es gar kein Problem hinsichtlich der Vergabe, trotz Basel III, gibt; das Problem ist, dass es trotz geringster Zinssätze
      keine Kreditnehmer gibt, die an eine Gewinn bringende Investition bei Ausweitung der Produktionskapazität glauben.

      Das nennt man Kreditkontraktion. Diese ist im derzeitigen System praktisch nur durch Betrug und Diebstahl, wie wir die Sparkontenplünderung ruhig nennen dürfen, abzumildern. Am Ende steht jedoch der Zusammenbruch, nachdem eine deflatorische Phase die Unternehmen killt.

      Ohne geplante Währungsreform ist wohl 2018 ungeplant Ende dieser Veranstaltung. Und wenn es wie in der Historie oft gesehen ungeplant endet, dann ist Mord und Totschlag die Basis einer neuen Geldordnung unter altem Adel.

      1. Vielleicht dient der negativ Zins aber auch nur dazu das die Banken ihren leverage senken und damit unprofitable Verbindlichkeiten eben nicht erzeugen . Wodurch sie weniger bei der EZB hinterlegen muessen und der Verlust durch einen negativ Zins kleiner wird.
        2018 ist eine gewagte Prognose , aber die Welt ist ja auch 2012 schon untergegangen vielleicht schaft sie es hier noch einmal ;)

  2. DAX hat die 10000 gebraucht, Draghi hat es ihm gegeben. Amen oder so.

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