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Netflix: Ein Kind des laufenden Kreditzyklus

Netflix Beispielfoto

Steigende Gewinne, steigende Nutzerzahlen, steigende Umsätze – Netflix könnte eine mustergültige Wachstums-Story sein (die letzten Quartalszahlen waren noch gut). Dass es das ist, scheinen zumindest viele Anleger zu glauben. Denn der Aktienkurs stieg seit der heftigen Korrektur im vergangenen Jahr bereits wieder um 36%. Die Sache hat nur einen Haken: Das Unternehmen produziert negative Cashflows und der Gewinn hängt davon ab, wie die kreditfinanzierten Inhalte bewertet werden.

Trotz wachsender Ausgaben schrumpft bei Netflix der Inhaltekatalog

Der Inhaltekatalog von Netflix ist übrigens weder statisch, noch wächst das Angebot. Tatsächlich schrumpfte der Katalog seit 2014 sogar signifikant, obwohl Netflix in diesem Zeitraum Milliarden in Inhalte investierte. Konnten US-Kunden 2014 noch aus mehr als 8.000 verschiedenen Titeln wählen, waren es vier Jahre später keine 5.600 mehr. Das liegt sowohl daran, dass Filmstudios ihre Lizenzen nicht verlängerten, weil sie eigene Streamingangebote mit exklusiven Inhalten starteten. Als auch daran, dass Konkurrenten wie Amazon mehr für die Lizenz boten. So geschah es kürzlich auch bei einem von Netflix‘ beliebtesten Serien: Friends.

Der Abfluss lizenzierter Inhalte kann nur bedingt durch Eigenproduktionen aufgefangen werden. Die finanzielle Logik teurer Eigenproduktionen ist ohnehin noch nicht gänzlich geklärt. Es ist zwar schön, dass das Unternehmen inzwischen so gute Filme und Serien produzieren kann, dass sie sogar die Oscar-Nominierungen anführen. Doch weshalb sich diese mit immensen Summen erkaufte Qualität auch wirtschaftlich für Netflix-Aktionäre auszahlen soll, ist unklar. Wenn ein Hollywood-Studio 200 Millionen US-Dollar in einen Film investiert, dann verdient das Studio an Fan-Artikeln, den Kinovorstellungen, DVDs, Blurays, Streaming-Lizenzen und TV-Ausstrahlungen. Wenn Netflix 200 Millionen US-Dollar in einen Film investiert, dann fällt all das bis auf vielleicht Fan-Artikel weg. Stattdessen können Kunden, die ohnehin 12 US-Dollar im Monat zahlen, um z.B. eine Serie zu schauen, nun auch diesen 200 Millionen US-Dollar teuren Film ansehen, ohne dafür einen Cent zusätzlich zu bezahlen. Es ist auch zweifelhaft, ob Netflix durch diese teuren Eigenproduktionen genügend Neukunden generieren kann, die dann lang genug dabei bleiben, um die Investitionen zu amortisieren.

Vor allem das „lang genug dabei bleiben“ wird schwierig, ist doch ein Trend zum Binge-Watching erkennbar. Statt sich zehn Jahre lang wöchentlich Montags für 60 Minuten vor den Fernseher zu setzen, um die neuste Friends-Folge mit vier Werbeunterbrechungen im Fernsehen sehen zu können, kaufen sich die Menschen ein Monatsabo für Netflix für 12 Euro und schauen sich alle bislang abgedrehten Folgen innerhalb weniger Tage an. Anschließend kann das Abo auch wieder gekündigt werden, bis die nächste Staffel vollständig zum Abruf bereitsteht. Statistiken zeigen, dass neu hinzugefügte Titel bei Netflix in den ersten Wochen exzessiv gesehen werden, während das Interesse in den folgenden Monaten extrem absinkt. Wenn jedoch Monate nach der Aufnahme in den Katalog kaum mehr jemand den Titel sieht, dann können die teuren Lizenzen keine langfristigen Auswirkungen auf die Kundentreue haben. Niemand bleibt Ende 2020 bei Netflix, weil Ende 2019 Irishman gesehen werden konnte.

Netflix‘ Ausgaben für Eigenproduktionen steigen stark

Apropos Irishman. Netflix zahlte allein für die Filmrechte 105 Millionen US-Dollar an Paramount. 159 Millionen US-Dollar kostete die Produktion. Und mindestens 50 Millionen dürfte es das Unternehmen gekostet haben, die internationalen Distributionsrechte von STX Entertainment zu kaufen. Denn die gaben schon 2016 50 Millionen aus, um die Vermarktungsrechte von Paramount zu kaufen und verklagten anschließend Netflix. Wir reden also über gute 300 Millionen US-Dollar Gesamtkosten für nur einen von mehr als 5.000 Filmen in Netflix‘ Katalog.

Netflix plant, in diesem Jahr mehr als 17 Milliarden US-Dollar für Eigenproduktionen auszugeben. Das wäre kein Problem, könnte das Unternehmen diese Produktion aus den Aboentgelten finanzieren. Können sie aber nicht. Man macht zwar auf dem Papier Gewinn, hat aber einen negativen Cashflow in Milliardenhöhe pro Jahr. Das heißt, die Eigenproduktionen sind kreditfinanziert und Netflix macht vor allem deshalb Gewinn, weil die Eigenproduktionen in der Bilanz aktiviert werden. Ob der diesen Eigenproduktionen zugeschriebene Wert auch tatsächlich existiert und Netflix im Falle eines nötigen Verkaufs die in der Bilanz stehenden Werte für die Inhalte realisieren kann, steht in den Sternen.

Der Abwärtstrend ist noch aktiv

Die Hoffnung der Anleger beruht darauf, dass Netflix bis zum Zahltag der aufgenommenen Kredite einen Weg fand, positive Cashflows zu generieren oder alternativ Anleger zu finden, die die Kreditpyramide weiter am Laufen halten. Aus meiner Sicht ist das Unternehmen ein typisches Kind der Negativzinsphase. In Anbetracht mangelnder Alternativen und einer Überversorgung mit Liquidität kaufen Anleger so gut wie alles, was ihnen angeboten wird. Und Netflix bietet durchaus attraktive Konditionen. Mit Anleihen können Anleger mehr als doppelt soviel Rendite erzielen wie mit US-Staatsanleihen. Doch wenn dieser Kreditzyklus einmal enden sollte und Netflix von der Versorgung mit neuen Krediten abgeschnitten wird, dann endet auch die Versorgung der Abonnenten mit neuen Inhalten. Dann dürfte auch der Aufwärtsdrang der Aktie ein Ende finden. Derzeit notiert die Aktie ohnehin noch im vergangenen Jahr gestarteten Abwärtstrend. Der wäre erst beendet, wenn die Aktie bei 365 US-Dollar nach pben ausbrechen könnte.



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