Der Ölpreis rutscht weiter kräftig ab. Das amerikanische WTI-Öl fällt in den letzten drei Handelstagen von über 118 Dollar auf aktuell 104,44 Dollar (im Tief heute früh bereits bei 103,20 Dollar). Alleine seit heute um Mitternacht hat WTI-Öl am Terminmarkt weitere 5 Dollar verloren! Beim europäischen Brent-Öl sieht es ähnlich aus. Die Verluste sind in den letzten drei Handelstagen mit -11 Dollar etwas geringer als am US-Terminmarkt, aber immer noch beträchtlich. Schauen wir auf die Rezessionsangst und den aktuellen Druck, der durch US-Präsident Joe Biden ausgeübt wird.
Ölpreis rutscht aktuell weiter ab wegen morgigem Treffen von Joe Biden mit US-Raffineriebetreibern
Am morgigen Donnerstag ist ein Treffen von US-Präsident Joe Biden mit den US-Raffineriebetreibern angesetzt. Das Weiße Haus schäumt schon seit Tagen vor Wut, weil die Gewinnmargen der Raffineriebetreiber in den letzten Monaten explodiert sind (siehe Tweet von Javier Blas). Die Idee also: Diese „raffgierigen bösen“ Raffineriebetreiber sollen doch bitte mal ihre Margen reduzieren, damit letztlich auch die Tankstellenpreise für Benzin und Diesel sinken können. Aber was hat das mit dem Terminmarkt-Ölpreis zu tun, bei dem es um das Grundprodukt – nämlich Rohöl – geht?
OIL MARKET: Refined products (diesel, above all) leading the recovery from Friday's sell-off. US WTI 3-2-1 refining margins surges above $61 a barrel, flirting with a new all-time high. Already US refiners are running their plants, particularly in GoM, at very high rates | #OOTT pic.twitter.com/XZuFAT3yfP
— Javier Blas (@JavierBlas) June 21, 2022
Der Energieexperte Carsten Fritsch von der Commerzbank hat dazu heute geschrieben, dass das morgige Treffen von Joe Biden mit den Vertretern der Raffinerien in den USA aktuell einen dämpfenden Einfluss auf den Ölpreis hat. Joe Biden habe den Raffinerien zuletzt unter anderem vorgeworfen zu wenig Benzin zu produzieren und durch die rekordhohen Verarbeitungsmargen Gewinne auf Kosten der Autofahrer einzustreichen. Offenbar geht laut Carsten Fritsch eine Reihe von Marktteilnehmern davon aus, dass sich die Ölindustrie gefügig zeigen und das Benzinangebot deutlich ausweiten wird. Dass dies aufgrund begrenzter freier Verarbeitungskapazitäten kaum möglich sein wird, stehe auf einem anderen Blatt.
Womöglich wird der Ölpreis am Terminmarkt eher psychologisch von dem morgen anstehenden Treffen mit Joe Biden negativ beeinflusst? Denn selbst wenn die Raffineriebetreiber ihre Auslastung von aktuell 93,7 Prozent auf 99 Prozent hochfahren und auf Gewinnmargen verzichten – die Menge an vorhandenem Rohöl als Ausgangsprodukt für die Raffinierung wird dadurch ja nicht erhöht. Und die Raffinerien produzieren kein Rohöl, sondern Benzin und Diesel. Wollte Joe Biden strukturell etwas erreichen und am Terminmarkt den zentral wichtigen Ölpreis (Rohöl) absenken, müsste er sich wohl eher mit den in den USA zahlreich vorhandenen Frackingunternehmen treffen, damit die dramatisch mehr Rohöl aus den Gesteinsschichten der Frackingfelder fördern. Damit könnte man mehr Rohöl auf den Markt bringen. Denn die OPEC zeigt derzeit keine großen Anstrengungen massiv mehr Öl zu fördern. Aber das Problem der fast vollständig ausgelasteten Raffinerien bleibt bestehen. Heute könnte Joe Biden womöglich die Aussetzung der Benzinsteuer von 18,4 Cents pro Gallone ins Spiel bringen. Auch hier gilt: Das könnte vielleicht auf kurze Sicht bei den Spritpreisen an der Tankstelle helfen, aber nicht bei der Heraufsetzung der globalen Angebotsmenge für Rohöl.
Rezessionsangst
Über allem schwebt seit Tagen die Rezessionsangst, besonders in den USA. Die Inflation ist sehr hoch, und die Fed hat die letzten Tage mit ihrer Anhebung der Zinsen um 75 Basispunkte und den Aussichten auf weitere Zinsanhebungen klar gemacht, dass eine Rezession schnell in den USA anrollen könnte. Denn schnell steigende Zinsen lassen die Nachfrage nach Hauskrediten fallen, und den allgemeinen Konsum. Dies würde die Nachfrage nach Öl dämpfen, was entlastend auf den Ölpreis wirkt. Dieses Szenario wurde in den letzten Tagen bereits massiv am Terminmarkt vorweggenommen. Kann man mutmaßen, dass der heutige Rückgang im Ölpreis so langsam eine Übertreibung nach unten darstellt?
Kursverlauf im WTI-Ölpreis in den letzten 30 Tagen.
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Im Ölgeschäft geht es eben sowohl um Rohöl als auch um Ölprodukte.