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Putin in Angst? Nein, im Gegenteil – Investoren in London reißen sich um russische Staatsschulden

Wir hören es alle jeden Tag in den Nachrichten. Mutmaßlich (!) soll Russland einen Ex-Agenten auf britischem Boten vergiftet haben. Daraufhin verurteilten die Briten zusammen mit Deutschland, Frankreich und den USA diesen...

FMW-Redaktion

Wir hören es alle jeden Tag in den Nachrichten. Mutmaßlich (!) soll Russland einen Ex-Agenten auf britischem Boten vergiftet haben. Daraufhin verurteilten die Briten zusammen mit Deutschland, Frankreich und den USA diesen angeblichen Angriff auf Großbritannien. UK und die USA haben diese Woche beide „Sanktionen“ gegen Russland verhängt, wobei man nicht ernsthaft von Sanktionen sprechen kann.

Die britische Regierung selbst will nicht zur Fußball-WM nach Russland reisen. Als ob das jemanden interessieren würde? Wenn das britische Fußball-Team nicht antreten würde, wäre das ja was anderes. Aber ob Theresa May oder Abgesandte der Königsfamilie nun im Stadion sind oder nicht, wenn juckt´s. Auch haben UK und USA Diplomaten ausgewiesen sowie Beschränkungen gegen einzelne russische Staatsangehörige verhängt. Auch hier kann man sagen „wen juckt´s“.

Denn man hat keine Sanktionen gegen Russland als Staat verhängt. Dass die „Sanktionen“ den Finanzmarkt in keinster Weise jucken, sieht man heute. Russland verkauft just in diesen Minuten in London (ausgerechnet) am Anleihemarkt 11 Jahre laufende Anleihen, die in Euro notieren sollen. Wie man aktuell aus Finanzkreisen hört, soll die Nachfrage das Angebot übertreffen. Sicher ist das nicht, aber so hört man es.

Ausgerechnet London

Verbannt die britische Regierung Russlands Schuldenaufnahme aus London? Offensichtlich nicht. Nicht mal diese Sanktion war drin, wie es scheint. Wovor soll Putin da Angst haben, möchte man fragen. Und muss Putin fürchten extrem überteuerte Zinsen zu zahlen, weil all zu viele Investoren aufgrund der allgemeinen Abneigung gegen Russland keine Anleihen kaufen wollen? Nein, denn wie gesagt, die Nachfrage soll groß sein.

Und wo die Nachfrage groß ist, kann der Anleiheverkäufer (der russische Staat) die Rendite heruntersetzen. Hinzu kommt noch, dass die wichtigste Ratingagentur des Planeten S&P Russland erst letzten Monat aufgestuft hatte auf „Investment Grade“. Also werden russische Schulden als vertrauenswürdig eingestuft (auch das noch). Angeblich soll die Rendite der neuen Anleihen irgendwo um die 4,70% liegen, was einen noch erträglichen Aufschlag auf die Renditekurve dieser Laufzeit von ca. 25 Basispunkten darstellen würde.

Obwohl der Russland-Bond in London platziert wird, sollen Russen beim Verkauf bevorzugt als Käufer angenommen werden, wie man es aus Banker-Kreisen hört. Was könnte der Grund sein? UK-Außenminister Boris Johnson tönte diese Woche quasi als Vergeltungsmaßnahme, dass man russische Oligarchen und ihre in London geparkten Gelder vertreiben werde (vereinfacht ausgedrückt). Da passt es offensichtlich gut ins Bild, dass das russische Finanzministerium erstens Russen bei dieser Emission bevorzugt, und zweitens dass der Bond in Euro begeben wird. Damit kann der russische Oligarch sein Geld nach Moskau zurückholen in Form einer Forderung gegen den Kreml, und gleichzeitig hat er kein Währungsrisiko, weil seine Forderung in Euro notiert. So können mögliche Ängste der Anleger vor Schwankungen im Rubel beseitigt werden.

Die Londoner Investoren-Szene scheint bezüglich dieser heutigen Anleihe-Platzierung in zwei Lager gespalten zu sein. Da sind die einen, die aufgrund der britischen „Sanktionen“ Angst haben und die Finger von dem Russland-Bond lassen. Und die anderen sehen es ganz pragmatisch. Bislang keine Sanktion gegen Geldanlagen in russischen Schulden, also kaufen wir.

So wird das nichts

Welt-Wirtschaftskorrespondent Holger Zschaepitz vermeldet dazu heute über seinen Twitter-Kanal passend, dass Präsident Putin den westlichen Staatschefs wohl ins Gesicht lachen könne. Trotz einem tiefen diplomatischen Riss mit dem Westen und neuen Sanktionen reiche das nicht aus um Investoren vom neuen Kauf russischer Anleihen abzuhalten, so Zschaepitz. Dem können wir uns nur anschließen. Lässt sich Putin davon beeindrucken, dass Theresa May nicht zur WM nach Russland fliegt, und dass ein paar russische Regierungsmitglieder auf einer schwarzen Liste erscheinen? Wohl kaum. Da kann man sich schon fragen, ob man es wirklich ernst meint mit seinen „drastischen Maßnahmen“ gegen das böse Russland, wenn noch nicht mal Sanktionen gegen die russische Schuldenaufnahme in London verhängt werden.

Putin
Wladimir Putin. Foto: Kremlin.ru (CC-BY 4.0)



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1 Kommentar

  1. Sehr schöner Artikel:-)! Respekt an den Verfasser. Habe jetzt wieder gute Laune.

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