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Russland sieht in LNG-Sanktionen Exportzwang nach Europa

Laut neuen Sanktionen soll Russland LNG zwar nach Europa verkaufen. Aber es soll nicht mehr über die EU an Drittländer verkauft werden.

LNG-Tanker
LNG-Tanker. Foto: Dwayne Senior/Bloomberg

Die neuen antirussischen Sanktionen der Europäischen Union kämen dem Versuch gleich, Russland zu zwingen, Flüssigerdgas (LNG) ausschließlich nach Europa zu exportierten. So jedenfalls sieht es Michail Uljanow, Russlands ständiger Vorsitzender bei internationalen Organisationen in Wien. Das Verbot, europäische Häfen für den Umschlag von LNG für Asien und China zu nutzen, zwingen den russischen LNG-Produzenten Novatek, alternative Transportrouten auszuloten. So gerät das russische Eismeer verstärkt ins Fadenkreuz der Bemühungen. Von der nordsibirischen Halbinsel Yamal nahm jüngst in diesem Jahr ein LNG-Tanker von Novatek erstmals Kurs auf Ost und nicht, wie gewohnt, nach Westen.

Novatek steuert Russland nach Osten

Laut Schiffsverfolgungsdaten legte am 21. Juni der Arc7-Eistanker Eduard Toll von Sabetta Richtung Osten ab. Er gehört zur Transportflotte, die Novatek zum Abtransport von LNG aus seinem Werk Yamal LNG einsetzt. Der Markt erwartete RBK-daily zufolge den Beginn der Sommerschifffahrt entlang der Nord-Ost-Passage, da dies Novatek den Weg ebnen könnte, mit Lieferungen aus dem Arctic LNG-2-Projekt zu beginnen. Dieses Projekt setzt Novatek gleich gegenüber auf der Halbinsel Gydan um.

Eine erste Lieferung von Arctic LNG 2 war für das erste Quartal 2024 geplant. Doch US-Sanktionen vereitelten dies. Es fehlen LNG-Eistanker des Typs Arc7. Entweder hängen sie in Südkorea fest, oder die heimische Swesda-Werft im Osten des Landes hängt ihren Plänen hinterher. Die Salami-Taktik der US-Sanktionen sorgt offenbar für Verzögerungen, so dass Novatek das Eismeer ins Fadenkreuz seiner Bemühungen nimmt, um aus dieser misslichen Lage herauszukommen. Asien und insbesondere China gelten als Alternative für den angestammten europäischen Markt. Insofern spielt der Transport über die Seidenstraße im Eismeer augenscheinlich eine vitale Rolle.

Europa zieht Sanktionsschlinge enger

Auch die Europäische Union setzte mit ihrem 14. Sanktionspaket den Hebel erstmals direkt gegen russisches LNG an und zog mit den USA gleich. Am 24. Juni verabschiedete der Europäische Rat das nunmehr 14. Sanktionspaket, das den Reexport von russischem LNG in Drittländer über europäische Häfen verbietet. Die Europäische Kommission soll dies überwachen und bei Bedarf mildernde Maßnahmen vorschlagen.

Klar ist an dieser Stelle, dass der europäische Import von LNG aus Russland keinen Sanktionen unterliegt und ohne Begrenzung weiterlaufen kann. Mildernde Maßnahmen könnten sich auf LNG-Lieferungen nach Asien beziehen, wenn Unternehmen wie etwa die Deutsche Securing Energy for Europe (Sefe), Nachfolgerin von Gazprom Germania, ihren vertraglichen Lieferverpflichtungen gegenüber der indischen Gasgesellschaft GAIL nachkommen will, hohen Strafzahlungen zu entgehen.

„Das 14. Sanktionspaket ist für sich genommen keine Wunderwaffe. Aber es zieht die Schlinge zweifellos enger, vor allem im Hinblick auf das Gasunternehmen Novatek, den einzigen Lieferanten von russischem Flüssiggas (LNG). Das Unternehmen muss jetzt über neue Transportrouten für sein LNG nachdenken und das gesamte Geschäftsmodell überdenken“, sagte Alexandra Prokopenko im Interview mit NTV am 24. Juni. Bis April 2022 war sie als Beraterin der russischen Zentralbank tätig, und kündigte aus Protest gegen Russlands Überfall der Ukraine.

Sanktionswirkungen können überraschen

Was die neuen Sanktionen für Russland noch bedeuten, brachte Uljanow auf Telegram am 26. Juni zum Ausdruck: „Das 14. EU-Sanktionspaket gegen Russland ist einzigartig. Es verbietet die Lieferung von russischem LNG an Nicht-EU-Länder über EU-Häfen, erlaubt aber den Export von russischem LNG in EU-Länder. Es sieht nach einem Versuch aus, Russland zu zwingen, sein LNG nur in die EU zu exportieren.“

Gab es an den europäischen Sanktionen gegen russisches LNG Kritik, weil sie zu halbherzig und wenig schlagkräftig erschienen, eröffnet Uljanow eine neue bzw. vielleicht sogar beabsichtigte Sichtweise der EU. Die europäischen Regierungschefs haben demnach Sanktionen verhängt, die Russland den Weg zu Alternativen schwer machen und Novatek an seinen Absatzmarkt Europa binden sollen.

Russland bittet Kapitän China an Bord

Im Mai war der russische Präsident Wladimir Putin zu Staatspräsident Xi Jinping nach China und hatte für die Nordmeerroute mit Spezialtankern geworben. Russland hält Kurs auf die Seidenstraße im Eismeer, machte Putin Xi deutlich. Novateks LNG-Fracht gen Osten ist jetzt vor allem für die asiatischen Partner im Projekt Arctic LNG-2 ein Signal, zumal der Umschlag über europäische Häfen flach fällt.

Besitzt Novatek 60 Prozent der Projektanteile, verfügen Frankreichs TotalEnergies, die zwei chinesischen Unternehmen CNPC und CNOOC sowie ein Konsortium aus Japanern Mitsui und JOGMEC jeweils über 10 Prozent. Ursprünglich wurden 21,3 Milliarden US-Dollar Investitionsausgaben für Arctic LNG 2 veranschlagt. Doch aufgrund von Veränderungen in der Energieversorgungsstruktur infolge von Sanktionen stiegen diese geschätzt auf über 22 Milliarden US-Dollar. Die Verschiffung nach Osten, sprich China und Japan, ist daher zwingend, damit die Milliarden nicht im Eismeer einfrieren.

In der Ukraine kämpft Russland um Rohstoffe, weil diese wie beim Gas aus dem hohen Norden das Geschäftsmodell des Landes sind. Um Manövrierfähig zu bleiben, spiele die Ukraine eine größere Rolle, als bisher angenommen, erklärte jüngst Christoph Brumme in seinem Beitrag für NTV. Er lebt seit dem Frühjahr 2016 in der ostukrainischen Stadt Poltawa. Es gehe um große Lithium-Vorkommen in der Ostukraine. Lithium ist für sämtliche Technologien in der Energiewende wie Batterien und Elektrofahrzeuge zentral. Denkbar ist daher, dass China Russland kämpfen lässt, um den eignen Rohstoffnachschub zu gewährleisten und Europa an sich zu binden.



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12 Kommentare

  1. Schon wieder wird Russland besser mit China zusammenarbeiten.
    Die Probleme werden erst dann abnehmen, wenn Russland sich von Europa zunehmend abwendet.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

    1. @Helmut: Wie will Russland das Gas nach China bekommen? Sie scheinen die Artikel noch nicht einmal zu lesen:
      Zitat: „Es fehlen LNG-Eistanker des Typs Arc7. Entweder hängen sie in Südkorea fest, oder die heimische Swesda-Werft im Osten des Landes hängt ihren Plänen hinterher.“
      Sie traeumen sich wieder alles zurecht, wie Sie es haben moechten. Hat aber nix mit der Realitaet zu tun.

      1. Pipeline-Gas ist dennoch vernünftiger als LNG, egal in welche Richtung.

  2. Ja- auch das Problem wird Russland lösen.
    Es kann natürlich etwas dauern, und etwas ruckeln.
    Aber Russland will liefern, und die Asiaten wollen kaufen, und dann wird eine Lösung gefunden

    Laut Kommersant eröffnet Russlands Novatek die Saison für LNG-Exporte nach Asien über die nördliche Seeroute

    MOSKAU, 24. Juni (Reuters) – Russlands größter Produzent von Flüssigerdgas, Novatek NVTK.MM , hat in dieser Schifffahrtssaison seine erste LNG-Ladung über die nördliche Seeroute nach Asien verschifft, berichtete Kommersant am Montag unter Berufung auf Daten der Beratungsunternehmen Kpler und Gecon.

    Der Zeitung zufolge verließ der Gastanker der Eisklasse Arc7, Eduard Toll, in Begleitung des atomgetriebenen Eisbrechers Sibir am 21. Juni mit einer LNG-Ladung die Jamal-LNG-Anlage in Richtung China.

    https://www.xm.com/research/markets/allNews/reuters/russias-novatek-opens-season-for-lng-exports-to-asia-via-northern-sea-route-kommersant-reports-53866275

    1. @Helmut
      Sie träumen mal wieder. Reuters redet von einem, einem einzelnen Schiff. Was glauben Sie, wieviel LNG ein einziges Schiff transportieren kann? Soviel, um ein ganzen Land zu versorgen? Wie viele Schiffe, meinen Sie, benoetigt Russland, um den Ausfall der Pipeline-Lieferungen zu kompensieren?
      Aber Fakten interessieren Träumer wie Sie ja eh nicht.

      1. Es fängt immer mit dem ersten Schiff an.

        1. Also, @Helmut, wir bleiben beim der Kulturtechnik lesen, die Sie offensichtlich nicht beherschen:
          Aus der Reihe scherte jetzt das chinesische Unternehmen Wison New Energies, das Module für die Verflüssigungsline von Arctic LNG 2 baute und auslieferte. „Der Vorstand von Wison New Energies hat beschlossen, alle laufenden Projekte in der Russischen Föderation zu beenden und die Beteiligung an neuen Projekten sofort und auf unbestimmte Zeit einzustellen“, zitierten russische Medien aus einer Mitteilung des Unternehmens.
          Das ist aus Ihrem Artikel…

          Russland will also LNG ausliefern, dass es nicht herstellt?

          Noch viel Spass beim Tagtraeumen!

  3. Ging schneller als ich dachte.
    In ein paar Wochen oder Monaten läuft alles wie geschmiert

    Wie Russland durch LNG-Sanktionen navigiert | Telepolis

    https://www.telepolis.de/features/Wie-Russland-durch-LNG-Sanktionen-navigiert-9782136.html

  4. Ich bin ja mal gespannt, wie weit Russland in 2 Monaten mit seiner LNG Flotte ist.

    Obskure Firmen in Dubai: Baut Russland eine LNG-Schattenflotte auf? – Business Insider

    https://www.businessinsider.de/wirtschaft/obskure-firmen-in-dubai-baut-russland-eine-lng-gas-schattenflotte-auf/

  5. @Helmut
    Lesen UND verstehen:
    Der Umstand, dass die sowohl begrenzt verfügbaren als auch entsprechend teuren LNG-Schiffe an obskure Firmen verkauft wurden
    BEGRENZT = NICHT unbegrenzt verfügbar
    Viel Spaß beim Träumen

  6. @Helmut
    Als Russlandversteher, Universalgenie und Diplomat können Sie mir sicher folgendes Paradoxon erklären:
    Kremlsprecher Dmitri Peskow posaunt nach Berichten russischer Nachrichtenagenturen in die Welt hinaus: Die designierte neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas habe sich bisher nicht durch diplomatisches Geschick hervorgetan.
    Das sagt ausgerechnet Dmitri Peskow, der letzte aller Menschen und Orks, dem irgendwer selbst bei bestem Willem auch nur einen Hauch von diplomatischem Geschick zugestehen würde.

  7. Die Gaspreise sind doch äußerst tief im historischen Vergleich und Putin muss das Zeug anpreisen wie sauer Bier, fährt damit um die halbe Welt wie ein schlechter Staubsaugervertreter. Die Zeiten in denen er dem abhängigen Europa über die Pipeline den Preis diktieren konnte, sind vorbei. Und China wird sich nicht so leicht an der Nase herumführen lassen.

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