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Sahra Wagenknecht spricht mit Marc Friedrich – Krise, Dummheit, Lösungsansätze

Marc Friedrich hat aktuell Sahra Wagenknecht interviewt. Natürlich gilt bei Frau Wagenknecht, dass man ihre ihre linke Sichtweise nicht bei allen Aussagen grundsätzlich teilen muss. Dennoch darf man sagen: Sahra Wageknecht hat ökonomischen Sachverstand, mischt ihre Aussagen aber oft mit einer grundsätzlichen politischen Haltung. Aber man darf auch sagen: Mit vielen (aber nicht allen) Aussagen hat sie durchaus recht! Anders als andere Linke ist sie in der Lage Sachverhalte differenziert zu betrachten und auf Detailprobleme mit konstruktiven Ideen einzugehen.

Sahra Wagenknecht über Mehrwertsteuersenkung und „dumme“ Lufthansa-Rettung

Im aktuellen Interview mit Marc Friedrich werden viele wirtschaftspolitischen Aspekte rund um die aktuelle Krise angesprochen. So sei es zum Beispiel richtig mit Staatsgeld die Lufthansa zu retten (heute findet die entscheidende Hauptversammlung statt), weil die Airline verkehrspolitisch relevant sei. Aber die Art und Weise der Lufthansa-Rettung ist laut Sahra Wageknecht einfach eine Dummheit. Für 9 Milliarden Euro Rettungsgeld vom Steuerzahler erhalte der Staat einen viel zu kleinen Aktienanteil – dafür erhalte man eine stille Beteiligung. Genau wie bei der Commerzbank, wo der Steuerzahler unterm Strich viel Geld verloren habe, sei die Art und Weise der Rettung der Lufthansa einfach falsch.

Die Mehrwertsteuersenkung, die von Juli bis Dezember gilt, hält Sahra Wagenknecht für nicht zielgenau. Sie sei von daher problematisch, weil man nicht sicherstellen könne, dass sie wirklich an die Konsumenten weitergegeben werde. Sie hätte es gut gefunden, wenn man an Bürger (ausgenommen zum Beispiel Beamte mit sicherem Einkommen, Besserverdiener etc) jeweils 1.000 Euro als Konsumscheck verteilt hätte. Dieser Geldbetrag hätte dann nur im stationären Einzelhandel oder in der Gastronomie ausgegeben werden dürfen, so die Meinung von Sahra Wagenknecht. Dies ist ihr wichtig, um nicht noch Online-Händler wie Amazon zu pushen, die hierzulande kaum Steuern zahlen. Wir meinen: Super Idee, unterstützenswert. Aber wie sollte man sowas praktisch wie auch rechtlich umsetzen? Denn da wäre Amazon sofort in Karlsruhe, weil der Staat für die Konsumenten eine Auswahl treffen würde, wo man einkaufen darf und wo nicht!

Um die Kosten der Krise zu bewältigen, schlägt Sahra Wagenknecht (wie es zu erwarten war) eine einmalige Vermögensabgabe vor. Aber auch hier sieht man bei ihr keinen blinden linken Aktionismus. Sondern sie spricht von Freigrenzen, bei denen die Mindestgrenze für so eine Abgabe weit über 1 Million Euro liegen solle, weil zum Beispiel schon normale Einfamilienhäuser sehr hoch bewertet seien. Und mal ehrlich: Will man den „normalen“ kleinen deutschen Michel bestrafen, der sein Leben lang hart gearbeitet hat und es gerade so geschafft hat sein Häuschen abzubezahlen?

Kaputtes Finanzsystem und Italien als das große Problem des Eurosystems

Sahra Wagenknecht und Marc Friedrich besprechen als wichtigen Themenkomplex auch das „kaputte Finanzsystem“. Die EZB druckt mit ihrem PEPP-Programm 1,35 Billionen Euro. Laut Sahra Wagenknecht könne die Notenbank auch noch mehr Geld drucken, aber grundsätzlich müssten das Finanzsystem und der Euro umgebaut werden. Die immer neuen Gelddruckereien der EZB seien wie der Schuss für Drogenabhängige, welcher immer stärker dosiert werden müsse. Nicht alles was die EZB mache, sei grundsätzlich falsch. Sie hätte handeln müssen. Italien zum Beispiel sei ohne die EZB-Gelder nicht mehr überlebensfähig gewesen. Aber abgesehen davon werde derzeit (im großen Bild gesehen) ein nicht mehr funktionierendes Finanzsystem immer weiter subventioniert. Eine klare Wettbewerbsverzerrung findet derzeit laut Sahra Wagenknecht statt, weil die EZB nicht nur Staatsanleihen, sondern auch Unternehmensanleihen aufkaufe. Damit stünden die Konzerne gut da, während kleine Selbständige oft bangen müssten, ob sie in Krisenzeiten auch wirklich an günstige KfW-Kredite kommen. Und ja, da kann man Frau Wagenknecht recht geben. Es ist eine krasse Verzerrung des freien Marktes. Die EZB stärkt einzelne Unternehmen, und schwächt andere im eigentlich freien Wettbewerb!

Auch werfen die beiden einen Blick auf das große Sorgenkind in der Eurozone, nämlich Italien. Das Land sei deindustrialisiert worden. Der Euro verhindere, dass Italien seine Währung abwerten könne. Laut Sahra Wagenknecht könne daher der nächste Ministerpräsident Salvini heißen, und als Folge davon könnte Italien den Euro verlassen. Hierzu bietet sie einen konkreten Lösungsansatz, wie man das Eurosystem (hier eine Erläuterung) erhalten kann, wo Italien dennoch seine Währung abwerten könne um seine Wirtschaft im Wettbewerb zu halten.

Staatswesen kaputtgespart?

Sahra Wagenknecht spricht einen Fakt an, der vielen Menschen nicht bekannt ist. Denn das Silicon Valley in Kalifornien entstand nicht durch den Pioniergeist von einzelnen Tech-Nerds, sondern durch gigantische Ausgaben der US-Regierung zum Start des Kalten Krieges (hier dazu ein informativer Artikel). In Deutschland gebe es aber keine klare Strategie für die gezielte Förderung einer Digital-Industrie. Der Staat habe hierzulande grundsätzlich die Fähigkeit verloren Dinge gezielt auf die Beine zu stellen. Grund dafür sei das Kaputtsparen staatlicher Institutionen, so ihre Meinung. Es lohnt sich das Gespräch anzuschauen.

Sehen Sie beim Klick an dieser Stelle ein Video von Sahra Wagenknecht vom 10. Juni, wer die Zeche der aktuellen Krise bezahlen wird.

Sahra Wageknecht 2019 bei Sandra Maischberger

Sahra Wagenknecht. Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)



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