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EZB-Schnabel: Zinswende im Juli denkbar – viele merkwürdige Aussagen

EZB-Direktorin Isabel Schnabel kann sich höhere Zinsen schon im Juli vorstellen. Und sonst? Es läuft alles, keine echten Probleme in Sicht? Hier ein Blick auf einige ihrer Aussagen.

Gestern meine These: Die EZB wird dieses und nächstes Jahr – wenn überhaupt – nur sehr langsam und in sehr geringem Umfang die Zinsen anheben. Denn das Zinsänderungsrisiko dürfte laut gestriger Aussage der BaFin den Banken enorme Probleme bereiten, wenn die Zinsen deutlich angehoben werden. Und die Südländer verschulden sich massiv zu minimalen Zinsen – eine deutlich steigende Zinslast könnte fatal sein. Aber aktuell macht EZB-Direktorin Isabel Schnabel zum Thema Zinswende interessante und auch merkwürdige Aussagen.

EZB-Direktorin Schnabel hält höhere Zinsen schon im Juli für möglich

Schon im Juli sei es möglich, dass die EZB die Zinsen anhebt – so sagt es Isabel Schnabel in einem Interview (hier der Text in voller Länge). Man müsse natürlich abwarten, wie sich die Daten bis zum Zeitpunkt der Entscheidung entwickeln. Der erste Zinsschritt komme auf jeden Fall erst nach dem Ende der Nettozukäufe der Staatsanleihen, darauf habe man sich bei der EZB festgelegt. Zur Frage, wie viele Zinsschritte es dieses und nächstes Jahr geben werde (insgesamt 7 erwartet), sagte Isabel Schnabel, dass man dies bei der EZB von Sitzung zu Sitzung entscheidet auf Basis vorliegender Daten. Man komme von einem extrem niedrigen Ausgangsniveau. Die Realzinsen seien weiterhin deutlich negativ und in der Nähe ihrer historischen Tiefststände. Daher werde auch nach ersten Erhöhungen das Zinsniveau so niedrig bleiben, dass es die Wirtschaft weiterhin stützt. Man sei noch ein ganzes Stück vom neutralen Zins entfernt, also dem Punkt, ab dem die Wirtschaft gebremst wird.

EZB „ohne Wechselkursziel“

Wir erinnern uns. Am 11. April berichteten wir über Aussagen von Hans-Werner Sinn. Unter anderem regte er sich massiv über Aussagen von Isabel Schnabel auf. Wie sie nur so einen Unsinn reden könne, sagte er wortwörtlich. Dabei ging es um Schnabels Aussagen, dass die EZB nichts gegen die hohe Inflation machen könne, weil sie durch die hohen Energiepreise getrieben werde. Sinn dazu: Durch Zinsanhebungen bekomme man zügig den Euro aufgewertet, was Importkosten für Energie sinken lässt, die im Ausland in US-Dollar eingekauft wird. Durch geringere Importkosten für Energie würde man dann auch einen dämpfenden Effekt auf die Inflation sehen. Und was sagt Isabel Schnabel heute zu dem Thema? Im Wortlaut ihre Aussage aktuell: „Der Euro hat vor allem gegenüber dem Dollar an Wert verloren. Das hat über die erhöhten Importkosten Auswirkungen auf die Inflation, die wir genau beobachten. Aber wir verfolgen kein Wechselkursziel.“ FMW: Also wüsste man eigentlich, wie man mit höheren Zinsen die Energie-Inflation eindämmen könnte, will aber den Euro nicht hochpushen!?

Angeblich keine Rücksichtnahme auf hohe Schulden der Südländer

Ist die EZB zurückhaltenden bei der Anhebung der Zinsen, um die Südländer zu schonen, die sich seit Jahren extremst günstig neu verschulden können? Diesen Vorwurf hört man von vielen Kritikern der EZB, so auch gestern von meiner Seite. Aber oh Wunder, Isabel Schnabel widerspricht dieser These aktuell eindringlich. Zu dem Thema sagt sie: „Unser Mandat ist die Preisstabilität, und das allein bestimmt unsere Politik. Außerdem haben viele Länder in den letzten Jahren zu sehr niedrigen Zinsen Schulden aufgenommen und gleichzeitig die durchschnittlichen Laufzeiten verlängert. Eine Erhöhung der Zinsen wirkt sich daher nur allmählich auf die Finanzierungskosten der Staaten aus.“ FMW-Anmerkung: Was sollte sie auch anderes sagen. Würde sie nämlich zugeben, dass die EZB zur Schonung der Südländer die Zinsen niedrig hält, wäre das ein offizielles Eingeständnis, dass die EZB sich nicht an ihren offiziellen Auftrag hält!

Weit und breit keine Lohn-Preis-Spirale in Sicht

Und auch hier – welche ein Wunder, so möchte man es sagen. Isabel Schnabel sieht überhaupt kein Anzeichen einer Lohn-Preis-Spirale, obwohl die Gewerkschaften deutlich steigende Löhne verlangen. Zitat von Frau Schnabel: „Derzeit sehe ich so eine Spirale nicht, bei der Preise und Löhne sich gegenseitig hochschaukeln. Die Daten sind allerdings rückwärtsgewandt, und wir müssen vorausschauend Geldpolitik betreiben. Wir dürfen also nicht erst reagieren, wenn eine Lohn-Preis-Spirale bereits in Gang gekommen ist.“ FMW: Wenn sie rückwärts blickend keine Lohn-Preis-Spirale entdeckt, aber vorwärts schaut, dann müsste sie den Anflug dieses Problems doch eigentlich erkennen!?

Hier noch ein passender Kommentar von Sven Henrich, der die Aussagen von Isabel Schnabel in wenigen Worten sinngemäß darstellt:

„Hohe Inflation verhindern“ und „Geldpolitik wird akkommodierend bleiben“ können als sich gegenseitig ausschließende Aussagen betrachtet werden.

EZB-Direktorin Isabel Schnabel
Isabel Schnabel. Foto: EZB (CC BY-NC-ND 2.0)



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4 Kommentare

  1. „Angeblich keine Rücksichtnahme auf hohe Schulden der Südländer“
    Wieso angeblich? Hier bei finanzmarktwelt hat man es immer noch nicht kapiert. Die Zinsen sind für die Staatskredite inzwischen weitgehend irrelevant. Da die eh zu immer größeren Anteilen bei der EZB liegen muss das keinen Staat mehr kümmern. Denn die Zinsen zahlen die Staaten ja lediglich an sich selbst. Da sind auch 1000% kein Problem. Zumindest nicht für die Finanzminister.

    Ein Problem tritt nur auf wenn die EZB die Anleihen nicht mehr aufkauft. Aber davon ist ja weiterhin nicht die Rede. Und selbst dann würde das ewig dauern bis das auf die Staatshaushalte durchschlägt. Es war halt durchaus schlau Staatsanleihen mit 100 Jahre Laufzeit rauszuhauen. Ich frage mich nur warum die davon nicht viel mehr ausgegeben haben.

  2. Dr. Sebastian Schaarschmidt

    Schnabel wurde vom SPD Finanzminister Scholz eingesetzt. Ihre Vorgängerin aber von Schäuble.

    Schnabel ist eine Taube, ihre Vorgängerin war ein Falke.

    Als Falken in der EZB galten, Sabine Lautenschläger die Vorgängerin von Schnabel ,Rücktritt wegen Draghis Whatever it takes Geldpolitik,
    Jens Weidmann, Rücktritt wegen der fortgesetzten Geldpolitik der EZB, Jürgen Stark Rücktritt wegen der Eurorettungspolitik, Axel Weber, Rücktritt wegen der Eurorettungspolitik, Ottmar Issing schied noch regulär aus, kritisiert aber seit dem Jahr 2010,Griechenland, die EZB.
    Horst Köhler Rücktritt wegen der Eurorettungspolitik als Bundespräsident, er war in seiner Zeit als Staatssekretär unter Waigel im Finanzministerium der Erfinder der No Bail Out Klausel,
    Als Falken in der alten Bundesbank galten Helmut Schlesinger, Entdecker der Target Salden in der Bilanz der EZB und Bekämpfer der Nachwende- Inflation, Stichwort Leitzins 8,75 Prozent bei einer Inflation von 5 Prozent im Jahre 92,Pöhl Präsident der Bundesbank bis 91,sprach sich gegen die zu schnelle Einheit und den Euro aus, Rücktritt wegen der beginnenden Verhandlungen über die kommende Währungsunion im Jahre 91,…

  3. Hans Werner Sinn sagt, dass Isabela Schnabelina Unsinn reden würde…na, sowas… Vielleicht redet sie ja nur so wie ihr der Schnabel gewachsen ist… Als Taube scheint sie für die Inflationsdaten taub zu sein, auch wenn sich die EZB-Direktoriumsmitglieder als Daten-Junkies ausgeben. Na dann, auf in den Untergang…

    1. @Lausi, vielleicht redet der gute H.W. Sinn auch nur so, wie ihm der Sinn steht.
      Ein Mix aus 50% Offensichtlichem, 25% Reputation, Reichweite, Rang und Name sowie 25% Untergangsgefasel hat schon eine gewisse Überzeugungskraft.

      Eine Aufwertung des EUR würde sicherlich einige Import-Probleme lösen und einige Export-Probleme verschärfen.

      Am besten könnte man die von Energieimporten getriebene Inflation jedoch bekämpfen, indem man Energie im eigenen Land erzeugt und nutzt. Schnell, massiv und ohne Blockade durch Minderheiten aus Dauerprotestierenden und Ewig-Skeptikern.

      Das klingt für die pro-russischen Separationsgebiete in östlichen Deutschland sicherlich nach einer imperialistischen Ideologie, nach anti-libertärem Albtraum von Mehrheitswillen, nach demokratischer Diktatur und Sozialismus.

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