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Warum die US-Wirtschaft noch nicht schrumpft Wo bleibt sie, die Rezession in den USA?

USA Rezession wann kommt sie

Bereits seit einem Jahr ist von ihr die Rede – von der am meisten antizipierte Rezession aller Zeiten in den USA.

Immer wieder wird die vermeintlich unvermeidliche Rezession in den USA begründet durch stark invertierte Zinskurven und Frühindikatoren, die sich schon lange auf einem Niveau früherer Rezessionen befinden. So wie der Sammelindex des US-Conference Board, der sich bereits seit 14 Monaten im Rückwärtsgang befindet. Die Industrie liegt bereits in vielen Ländern im Schrumpfungsbereich, besonders in Deutschland, mit einem Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe von 41,0 Punkten, einem 37-Monatstief.

Aber ein Sektor stemmt sich ganz einfach immer noch dagegen: die Dienstleistungen. Ist dies ein Grund, warum die Aktienmärkte noch so hoch stehen, trotz der vielen Signale aus der Weltwirtschaft, die auf eine Abkühlung hindeuten? Der Versuch einer Einordnung.

Rezession: Die Bedeutung des Dienstleistungssektor in den Volkswirtschaften

Ob und wann die Weit in eine Schwächephase stürzen wird, hängt in großem Maße von der Entwicklung des Dienstleistungssektors ab. Hier eine Grafik von statista zum Anteil Service im BIP bedeutender Wirtschaftsnationen, erstellt durch Weltbank und CIA.

CIA bedeutet Schätzungen des UN International Comparison Program, die Daten sind von 2021.

statista BIP Aufteilung Länder

statista Teil 2 Länderdaten

Man sieht ganz eindeutig, dass in diesen ausgewählten Ländern der Dienstleistungssektor in der Wertschöpfung dominiert, ganz besonders in den USA, aber auch im Industrieland Deutschland.

Ganz nebenbei: Derzeit wird stark von einer De-Industrialisierung Deutschlands und von einer Re-Industrialisierung der USA mit ihrem Inflation Reduction Act gesprochen. Aber von dieser Seite kann noch nicht die große Entspannung für Amerikas Konjunktur kommen. Schließlich macht dieser Sektor nur ein Fünftel des US-BIP aus.

Was zählt ist Konsum und Dienstleistung.

Hier das globale Auseinanderdriften von Industrie und Dienstleistung:

Selbst in den USA ist das Auseinanderklaffen der Einkaufsmanagerindizes augenfällig:

Das Verabeitende Gewerbe fiel im Mai von 48,4 auf 46,3 Punkte, der Rückgang im Dienstleistungssektor ist von 54,9 auf 54,1 Punkte aber immer noch relativ moderat. Noch größer die Divergenz für Deutschland. Unser Industriesektor stürzte von 43,2 auf 41,0 Punkte weiter ins Bodenlose, der Servicesektor gab auch stark nach, aber „nur“ von 57,2 auf 54,1 Zähler.

Deutschlands Gesamtwirtschaft besonders betroffen – Ifo im Rückwärtsgang

Es ist wohl der am meisten beachtete Konjunkturindex in Deutschland, der Index des Ifo-Instituts in München. Denn hier werden keine Analysten, sondern 9000 Chefs von Unternehmen in Deutschland befragt, um die aktuelle und die zu erwartende Lage einzufangen. Und dieser Index ist nach sechs Anstiegen in Folge nun zweimal gefallen. Zuletzt deutlich, ab drei Bewegungen in eine Richtung, spricht man von einem Trend, dem eine hohe Zuverlässigkeit attestiert werden kann, in seiner Beurteilung der Konjunktur:

Ifo Geschäftsklimaindex De Rezession

USA: Sammelindex der Frühindikatoren tief in der Rezession

Dies ist wohl der schlagende Beweis dafür, dass Frühindikatoren aktuell zumindest mit einem Timelag versehen werden müssen. Der so oft zitierte Index des Conference Boards befindet sich bereits 14 Monate im Rückwärtsgang, aber Lance Roberts hat sogar noch eine treffsichere Variante ausgegraben. Roberts in einer Analyse:

„Die 6-Monats-Veränderungsrate (ROC) im Conference Boards Leading Economic Index (LEI) unterstützt die Rezessionswarnung aus dem ISM-Composite-Index weiter. Seit 1967 kam es immer zu einer Rezession, wenn der 6-monatige ROC unter minus 3 Prozent fiel. Dieser Indikator hat die unfehlbarste Bilanz aller Rezessionsindikatoren, die wir verfolgen“.

5 - 6-Month Leading Economic Index Rezession USA

Die verwirrenden letzten Konjunkturdaten

Wer die letzten Daten aus der US-Wirtschaft verfolgt hat, dürfte das Gefühl nicht los werden, in einem Tollhaus zu sitzen. Da warnen Einzelhandelsfirmen (Target, Walmart, Home Depot) vor rückläufiger Nachfrage, Einkaufsmanagerindizes geben nach und dann plötzlich kommen Daten zu Auftragseingängen, zu Neubaubeginnen und zu einem Verbrauchervertrauen – alles auf Höhen, als ob die Wirtschaft vor einem Aufschwung stünde.

Die derzeitige Urlaubssaison scheint Euphorie auszulösen, ob bei Hotelbetreibern, oder bei Kreuzfahrtgesellschaften, was selbst den Chefökonomen von Goldman Sachs, Jan Hatzius, dazu veranlasst hat die Wachstumsprognosen für die USA in diesem Jahr auf 2,2 Prozent nach oben zu hieven.

Und es kommt noch toller: Bei der Erhebung des aktuellen Verbrauchervertrauens fielen die Inflationserwartungen der Verbraucher auf das Niveau von Dezember 2020. Damit werden die Daten zu den US-Verbraucher- und Erzeugerpreisen am 12. und 13. Juli besonders interessant. Sollte es in den USA beim Verbraucherpreisindex CPI tatsächlich auf drei Prozent oder tiefer gehen, hätten wir den stärksten ununterbrochenen Rückgang einer US-Gesamtinflation seit dem Zweiten Weltkrieg.

Der große Nachteil: damit würde der von der Fed gewollte Rückgang der Nachfrage nicht gedämpft werden. Eine schwierige Lage für die US-Notenbank, denn diese ist sich auch bewusst, dass der so genannte Basiseffekt in ein paar Monaten wieder an Bedeutung verloren haben wird.

Fazit

Wann also kommt sie, die Rezession in den USA? Wohl erst, wenn dem Verbraucher das Geld ausgeht, unter anderem durch die hohe Inflation, die 25 Monate in Folge seine Kaufkraft (Inflation minus Lohnsteigerungen) geschwächt hat. Wenn das Kapital, welches während der Corona-Krise großzügig verteilt wurde, aufgebraucht ist. Zur Erinnerung: Nach 2020 wurde nicht weniger als ein Viertel des gesamten US-Bruttosozialprodukts an Rettungspaketen für Bürger und Unternehmen geschnürt, in erster Linie um den den Konsum aufrecht zu erhalten.

Derzeit brummt vor allen Dingen noch der Dienstleistungssektor, der in der USA wie gezeigt dreiviertel des Sozialprodukts ausmacht. Jetzt ist Urlaubszeit, die Bürger wollen sich nach Jahren der Einschränkungen etwas gönnen. Danach kommt eine Situation, die keine Notenbank vorher seriös beurteilen kann. Wie stark wird sich der Konsument einschränken (müssen).

Deshalb wird sie kommen, die am meisten prognostizierte Rezession aller Zeiten, sollten nicht alle Gesetzmäßigkeiten der letzten Jahrzehnte ad absurdum geführt werden. Nur eben mit einem riesigen Timelag. Schließlich hat man auch während Corona Historisches geleistet: eine riesige zusätzliche Geldmenge kreiert, die über den Verbraucher an den Markt gelangt, der aber lange Zeit nicht dazu in der Lage war diese umzusetzen, durch die so genannten Bottlenecks (Lieferengpässe). Andererseits wurde damit eine weltweite Inflation befeuert und zum Verdruss der Hüter über die Geldstabilität auch ein üblicher Konjunkturzyklus für lange Zeit verzögert.

Ergo sollte die US-Wirtschaft dann einknicken, wenn dem Verbraucher das Geld ausgeht, wenn die Reserven der US Konsumenten nach der Urlaubsphase im Herbst 2023 zur Neige gehen, wie in dieser Grafik angedeutet.

USA Rezession Ersparnisse

Zusätzlich ab September, wenn Abermillionen von Studenten ihre (während Corona) gestundeten Rückzahlungen der Kredite wieder aufnehmen müssen. In einer Höhe, die uns Deutsche gewiss schlaflose Nächte bereiten würde..

Die Zentralbanken übertreffen sich derzeit gegenseitig mit der Kundgabe ihrer Bereitschaft, die Zinsen weiter anzuheben, bis die Inflation besiegt sei. Eben im Bewusstsein, dass die Konjunktur nicht unmittelbar vor einem Absturz steht, getragen von Dienstleistungssektor.

Man will Zeit gewinnen, denn eines ist klar, sollten die Arbeitslosenzahlen in die Höhe gehen, wird es sofort vorbei sein mit der Ankündigung „komme was wolle“!



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2 Kommentare

  1. Danke Herr Müller,
    wie immer, ein gutes und realistisches Bild der Gesamtsituation.

    Mit freundlichen Grüßen
    Marcel Biesinger

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