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Michael Barr schießt quer - mit guter Begründung Zinsen: US-Fed Gouverneuer sieht Leitzins nahe Höchststand

Michael S. Barr trat am 19. Juli 2022 seine vierjährige Amtszeit als stellvertretenden Vorsitzenden für des Gouverneursrats des Federal Reserve Systems an. Er fungiert außerdem als Mitglied des Gouverneursrats bis zum 31. Januar 2032.
Michael S. Barr | Foto: Al Drago/Bloomberg

Am Freitag mal positive Nachrichten in Sachen Zinsen von der US-Fed für die Bullen: Nach Aussagen des stellvertretenden Vorsitzenden der US-Notenbank für die Bankenaufsicht, Michael S. Barr, stünden die politischen Entscheidungsträger wahrscheinlich kurz vor dem Ende der Anhebung ihrer Zinssätze, da sich sowohl die Inflation als auch die Konjunktur weiter abkühle.

Zinsen da, wo sie sein müssen

Eigentlich versucht die US-Fed und vor allem ihr Vorsitzender Jerome Powell, die Finanzkonditionen und damit auch die Benchmark-Zinsen am Kapitalmarkt verbal hoch zu halten. Zu groß ist die Angst vor dem Wiederaufflammen der Inflation. Doch heute schießt das Mitglied des Gouverneursrats Michael S. Barr quer. Man muss ihm zugutehalten, dass er bereits im Oktober auf die zunehmenden Risiken der hohen Zinsen für die Konjunktur und die Verlangsamung der Inflationsdynamik hingewiesen und damit bisher recht behalten hatte.

Heute sagte er bei einer Veranstaltung in New York gegenüber Bloomberg News: „Wir sind wahrscheinlich am oder nahe dem Höhepunkt dessen, wo wir sein müssen, wenn es um eine ausreichend restriktive Geldpolitik geht, die die Inflation nachhaltig auf 2 Prozent senken wird“. Michael Barr ist aktuell stimmberechtigtes Mitglied im Zinsentscheidungsgremium „Federal Open Market Committee“ (FOMC) und die Nummer drei in der Hierarchie der Fed.

Das Mantra der dauerhaft hohen Zinsen bröckelt

Zuletzt zeigten nicht nur die aktuellen Daten vom konjunkturellen Spätindikator Arbeitsmarkt, sondern auch von der Konsumfront Schwächesignale. Ganz zu schweigen von den seit Monaten negativen wirtschaftlichen Frühindikatoren für die Vereinigten Staaten (Daten-Quelle: The U.S. Conference Board; investing.com):

Frühindikatoren signalisieren Konjunkturschwäche und schüren Hoffnung auf sinkende ZinsenAm kommenden Montag um 16:30 Uhr MEZ werden die neuesten Daten vom Conference Board veröffentlicht. Erwartet wird erneut ein Stand von -0,7 Punkten und damit weiterhin ein bevorstehender Abschwung.

Die zusammengesetzten wirtschaftlichen Frühindikatoren bilden die wesentlichen Komponenten für ein analytisches System, das die US-Fed nutzt, um wirtschaftliche Auf- und Abschwünge zu erkennen. Die Geldpolitiker in Washington wissen also schon länger um die sich ankündigende konjunkturelle Schwäche.

Drei Gründe, warum es der US-Wirtschaft noch gut geht

Fakt ist, dass sich die US-Wirtschaft und damit auch die Lohnentwicklung bisher trotz massiver Anhebungen der Zinsen aus drei Gründen relativ gut entwickeln konnten:

1. Massive schuldenfinanzierte fiskalische Stimuli (hier wird es im Wahljahr mit den Republikanern im Repräsentantenhaus schwieriger, diese aufrechtzuerhalten).

2. Große Sparpolster der Konsumenten aus der Pandemiezeit, als die US-Bürger mit „Helikopter-Geld“ zugeschüttet wurden.

3. Zinserhöhungen wirken erst mit zeitlicher Verzögerung von 6-9 Quartalen negativ auf die Wirtschaft.

Für die US-Fed werden die kommenden Monate aus wirtschaftlichen und politischen Gründen schwieriger. Der Markt glaubt daher nicht mehr an eine Fortsetzung des Zinsstraffungszyklus, sondern geht bereits ab Mai 2024 vom Beginn einer Zinssenkungsserie aus.

Ein Grund dafür ist der Beginn der heißen Phase des US-Präsidentschafts-Wahlkampfs. In dieser Zeit verhalten sich die Geldpolitiker in Washington auch verbal i. d. R. neutral.

Selbst in dem von den meisten US-Ökonomen favorisierten Szenario eines sogenannten „Soft Landing“, also einer Wirtschaftsabkühlung ohne Kontraktion, sehen die Chancen auf eine Wiederwahl für den amtierenden Präsidenten Joe Biden nicht sonderlich gut aus: Das US-Nachrichtenportal RealClearPolitics veröffentlicht regelmäßig anhand einer Reihe von Umfrageergebnissen die Zufriedenheit der US-Wähler mit ihrem Präsidenten.

Seit dem Beginn seiner Amtszeit im Januar 2021 sind diese von 56 Prozent auf aktuell 40,5 Prozent gesunken. Die Zahl der Unzufriedenen stieg hingegen im selben Zeitraum von 36 Prozent auf 56,5 Prozent an. In einer Rezession würden die Chancen Bidens auf eine zweite Amtszeit wahrscheinlich gegen Null tendieren. Daher ist auch aus dem Weißen Haus mit Gegenwind für die US-Notenbank zu rechnen, sollten sich v. a. die Arbeitsmarktdaten weiter eintrüben.

Barr rechtfertigt seine Ansicht

Gegenüber Bloomberg stellt Michael Barr seine Sicht der Dinge nochmals klar „Ich denke, die jüngsten Wirtschaftsdaten bestätigen meine Ansicht, dass das wahrscheinlich richtig ist“. Er fügte hinzu, dass das Risiko einer zu starken Straffung der Politik und das Risiko, nicht genug zu tun, um den Preisdruck einzudämmen, ausgeglichener geworden seien.

Die Fakten sprechen aktuell jedenfalls für ihn.

FMW/Bloomberg



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