Allgemein

Tiefe Spaltung der Regierung Karlsruher Haushaltsloch könnte Ampel-Koalition lahmlegen

Ampel-Koalition - Foto: Bloomberg
Ampel-Koalition - Foto: Bloomberg

Seit dem Karlsruher Urteil herrscht bei der Ampel-Koalition große Ernüchterung, denn im Haushalt klafft jetzt ein riesiges Loch von 60 Milliarden Euro. Die Bundesregierung muss nun einen neuen Weg finden, die dringend benötigten Mittel aufzutreiben, die als Sondervermögen für die Klimapolitik eingeplant waren. Bundeskanzler Scholz sprach zwar davon, einen Weg zu finden, allerdings ist noch nicht klar, wie das gelingen soll. Zumal die Spannungen in der derzeit unbeliebten Ampel-Koalition deutlich zunehmen. Ein Auseinanderbrechen der Koalition ist zwar unwahrscheinlich, doch es vertieft die Spaltung.

Schon lange vor dem überraschend eindeutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Klima-Buchungstricks steckte die Ampel-Koalition in der Krise. Der von Karlsruhe diktierte Wegfall von 60 Milliarden Euro an Haushaltsmitteln, mit denen nicht zuletzt auch innere Widersprüche der “Zukunftskoalition” zugekleistert worden waren, macht das Leben der Bundesregierung nicht einfacher, wie Bloomberg berichtet.

Die Koalition von Bundeskanzler Olaf Scholz ist sich in zentralen Politikbereichen nachhaltig uneinig und bei den Wählern unbeliebt wie nie. Der Urteilsspruch des Zweiten Senats könnte das brüchige Bündnis von SPD, Grünen und FDP vollends lahmlegen — oder sie zu schmerzhaften Zugeständnissen an die Unions-Opposition zwingen, die die Klage gegen die kreative Buchhaltung der Ampel ins Rollen gebracht hatte.

Sondervermögen: Karlsruher Urteil spaltet die Ampel-Koalition - Scholz gefragt

Karlsruher Urteil: Sondervermögen steht in Frage

Die Entscheidung der Karlsruher Richter riss ein Loch in den Klima- und Transformationsfonds (KTF), aus dem zentrale Elemente der Klimapolitik der Ampel-Koalition bestritten werden sollten. Auch andere Sondervermögen im Umfang von 770 Milliarden Euro könnten durch das Urteil in Frage stehen.

Hinzu kommt, dass die Entscheidung auch andere Sondervermögen betreffen könnte, wie den 200 Milliarden Euro schweren Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), der Unternehmen durch die Energiekrise helfen soll. Oppositionsführer Friedrich Merz, aufmunitioniert durch die Verfassungsrichter, hat den WSF schon im Visier.

Scholz trat kurz nach dem Urteil vor die Presse und versprach, einen Weg zu finden, um die Lücke zu schließen. Doch es ist nicht offensichtlich, wie das gelingen soll, zumal die zerrütteten Beziehungen zwischen den Ampel-Parteien jedem Kompromiss im Wege stehen.

Spaltung der Ampel-Koalition

Zwar gilt ein Auseinanderbrechen der Koalition noch immer als eher unwahrscheinliches Szenario, doch “das Urteil wird die Desintegration der Ampel-Koalition beschleunigen”, sagt Andrea Römmele, Vizepräsidentin der Berliner Hertie School und Professorin für Kommunikation in der Politik.

Zusammengekittet bleiben die Koalitionspartner einzig durch die Angst vor der nächsten Wahl, so Römmele: “Alle drei Parteien haben kein wirkliches Interesse daran, jetzt in Neuwahlen zu ziehen angesichts der schlechten Umfragen für die Koalitionsparteien.” Sie rechnet aber damit, dass “die Fliehkräfte weiter zunehmen und die Ampel-Koalition weiter auseinander treiben”.

Die Spannungen zwischen der FDP und den Grünen sind besonders groß. Während die Grünen viel Geld für Klimaschutzmaßnahmen ausgeben wollen, pocht die FDP auf die Einhaltung der Schuldenbremse und lehnt zugleich höhere Steuern ab.

Finanzminister Christian Lindner zeigte sich bisher nicht kompromissbereit und erklärte, das Urteil sei ein “Wendepunkt” in der Haushaltspolitik. Die Regierung müsse bei den Ausgaben stärkere Prioritäten setzen.

Nach dem Urteil wackelt die Klima-Agenda

In einem Video auf YouTube nannte der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck das Karlsruher Urteil hingegen einen “Rückschritt” und wies darauf hin, dass mit den 60 Milliarden Euro Sondervermögen, um die es geht, gerade jene Betriebe unterstützt werden sollten, die mit der grünen Wende in Deutschland zu kämpfen haben. Die Entscheidung gefährde daher Arbeitsplätze in der Industrie.

“Mit voller Kraft werden wir in den nächsten Tagen und Wochen daran arbeiten, neue Antworten zu finden”, versprach Habeck. Seine Parteikollegin und Außenministerin Annalena Baerbock beklagte, dass das Urteil “die Welt noch ein bisschen komplizierter gemacht” habe, da “die Bekämpfung der Klimakrise finanzielle Mittel braucht”.

Auch Scholz kann die ehrgeizige deutsche Klima-Agenda nicht einfach aufgeben. Der Kanzler fährt Anfang Dezember zum Klimagipfel COP28 nach Dubai, und die Grünen warnen bereits, dass er nicht mit leeren Händen dorthin fahren kann. Schon im Wahlkampf hatte Scholz die wegen des Klimawandels notwendige Neuausrichtung der deutschen Industrie als “neue industrielle Revolution” skizziert — und damit quasi als sozialdemokratische Kernkompetenz.

Um die 60-Milliarden-Euro-Lücke zu schließen, so Römmele, gibt es nur zwei Möglichkeiten: “Entweder Geld im Haushalt umschichten und damit an vielen anderen Stellen Ausgaben streichen — oder Steuern erhöhen, um neue Einnahmen zu schaffen. Aber die letztere Option werden die Liberalen nicht mittragen.”

Opposition ins Boot holen?

Nach dem Urteil kursieren in Berlin Gerüchte, wonach Scholz und die SPD versuchen könnten, die CDU/CSU in die Koalition hineinzuholen. Öffentlich hat Scholz die Union wiederholt zu einem “Deutschland-Pakt” aufgefordert, einer nationalen Kraftanstrengung zur Beschleunigung der Modernisierung des Landes.

Das Szenario einer “supergroßen Koalition” (Römmele) wäre für Merz indessen ein riskantes Manöver. Es sei nicht von vorneherein klar, ob er damit politisches Profil gewinnt oder politisches Kapital verspielt.

Selbst Unions-Grande Wolfgang Schäuble, der ehemalige Finanzminister und legendäre Budget-Falke, warnte seine Parteifreunde vor übermäßiger Euphorie über den Erfolg in Karlsruhe. Auf einer Sondersitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, deren dienstältestes Mitglied er ist, bezeichnete Schäuble das Urteil als eine Ohrfeige für die Ampel-Koalition und ihre “schlampige Arbeit”, wie Teilnehmer der Sitzung berichten.

Das Karlsruher Urteil bedeute, dass die nächste Bundesregierung “aller Wahrscheinlichkeit nach” von der Union geführt werde. Er erinnerte seine Kollegen jedoch daran, dass die Entscheidung des Gerichts auch den finanzpolitischen Spielraum einer Unions-Regierung massiv einschränken wird.

FMW/Bloomberg



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

5 Kommentare

  1. Das BVG hat „nur“ beanstandet, dass die Umwandlung der 60 Milliarden verfassungswidrig waren. Vielleicht sind ja auch die 770 Milliarden verfassungswidrig.
    Aber die Bundesregierung will ja die Welt retten und damit unser Leben. Und der Klimaschutz hat Verfassungsrang, und somit sind fehlende finanzielle Mittel um die Welt zu retten eine Notlage. Gibt es noch schlimmere Notlagen?
    Also schnell ein weiteres Sondervermögen von etwa 1.000 Milliarden „erzeugen“ und die Schuldenbremse wegen der Notlage auch so lange außer Kraft setzen, bis das Klimaziel erreicht ist. Die Industrie wird jubeln, und der Rest der Welt wird erfahren, ob soetwas ratsächlich funktioniert.
    Jetzt nicht kneifen.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

  2. Der Bundesminister der Finanzen Christian Lindner legt Wert darauf, daß die Bundesrepublik Deutschland auf/bei den internationalen Finanzmärkten eine entsprechende Bonität besitzt.

  3. Es ist doch so klar wie Kloßbrühe, dass das Verfassungsgericht dem geplanten sozialistisch-kommunistischen Umbau Deutschlands den Stecker gezogen hat. Mit der Schuldenbremse sind die 60 Milliarden nicht aufzubringen, außer die SPD kürzt den aufgeblähten Sozialetat um 50Milliarden und begeht damit endgültig Selbstmord. Hinzu kommen die verplanten und jetzt fehlenden 100 Milliarden aus dem Wirtschaftsstabilierungsfond, der eindeutig verfassungswidrig ist und beklagt werden wird. Die Verbraucher und die Wirtschaft würden damit eine Steuererhöhung an die 100 Milliarden kassieren, wenn man die Planung läßt, wie sie ist und dies unter Rezessionsbedingungen. Der rotgrüne Irrsinn hat sich mit seinem kaltschnäuzigen Größenwahn, dass Gesetze nur für andere gelten, selbst eliminiert.Gott sei Dank!

  4. Hallo Dagoberti,
    die sind nicht eliminiert, sondern sie haben eine Steilvorlage dafür bekommen, jetzt erst richtig das Schuldenrad zu drehen.
    Eine Notlage wurde geschaffen, bzw. sie ist nun begründbar.
    Zumindest können dann gerade die Politiker, die ohne Beruf sind, und noch nie gearbeitet haben, ihre 4 Jahre vollbekommen, damit ihnen Pensionsansprüche gesichert sind. Und damit haben sie Pensionsansprüche, für die ein Facharbeiter mehrere Leben arbeiten muss.
    Noch 2 Jahre Zirkus, und die Altersversorgung ist gesichert.
    Wir werden nur zuschauen können.
    Mal sehen was sie sonst noch anrichten werden in den 2 Jahren.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

  5. Das war nicht der Kardinalfehler, sondern:

    „Ein nach Ablauf seiner Geltungsdauer im Folgejahr beschlossener Nachtragshaushalt ist kein zulässiges und zielführendes Instrument mehr, um den abgeschlossenen Haushaltsvollzug im Nachhinein zu verändern.“

    So Doris König.

    Im Übrigen: Das Bundesverfassungsgericht besteht aus sechzehn Richterinnen und Richtern. Die eine Hälfte wählt der Bundestag, die andere der Bundesrat, jeweils mit Zweidrittelmehrheit. Die Amtszeit beträgt zwölf Jahre. Eine Wiederwahl ist ausgeschlossen.

    Die Politik wird sich fragen: Und das ist jetzt der Dank dafür?
    Ich frage mich auch, ob da nicht mal jemand vorher angefragt hat…

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage