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Umfrage vor EZB-Zinsentscheid Zinsen: Zu frühe EZB-Senkungen wären schlimmer als ein Aufschub

Zinsen: Zu frühe EZB-Senkungen wären schlimmer als ein Aufschub
EZB Frankfurt. Foto: EyeEm - Freepik.com

Wann senkt die EZB die Zinsen? Dieses Thema beschäftigt die Finanzmärkte schon seit geraumer Zeit. Durch die ermutigenden Inflationsdaten aus Frankreich und Deutschland am Donnerstag sind die Hoffnungen auf baldige Zinssenkungen wieder gestiegen. So fiel die Inflation in Frankreich auf den niedrigsten Stand seit 2021, während die Teuerung in Deutschland unter der Erwartung lag. Die Daten könnten demnach ein positiver Vorbote für die heutige Veröffentlichung der Verbrauchpreise der Eurozone sein. Analysten erwarten für den Februar einen Rückgang der Teuerung von zuvor 2,8 % auf 2,5 %. Da sich die Inflation weiter abkühlt, steht einer geldpolitischen Lockerung der EZB nichts mehr im Wege, oder? Wie eine von Bloomberg veröffentlichte Umfrage unter Ökonomen zeigt, wäre jedoch eine verfrühte Senkung der Zinsen schlimmer als eine zu späte Lockerung. Die befragten Ökonomen gehen davon aus, dass die EZB die Zinsen im Jahr 2024 sogar um einen Viertelpunkt weniger senkt als zuvor angenommen.

Zinsen: Gefahr einer verfrühten Zinssenkung

Fast zwei Drittel der Volkswirte sind vor der Zinsentscheidung in der nächsten Woche der Meinung, dass eine übereilte Rücknahme der zahlreichen Zinserhöhungen zur Eindämmung der Inflation größere Gefahren mit sich bringen würde als ein zu langes Warten – eine Meinung, die zuletzt auch von mehreren Mitgliedern des EZB-Rates geäußert wurde.

Wie schon bei der Befragung vor der letzten EZB-Sitzung im Januar sind 56 % der Analysten der Ansicht, dass die Verantwortlichen einen solchen Fehler vermeiden, indem sie den richtigen Zeitpunkt für die Lockerung der geldpolitischen Bedingungen wählen. Sie gehen weiterhin von einem ersten Zinsschritt im Juni aus.

„Die EZB muss abwägen, ob sie die Zinsen zu früh senkt – und damit ein Wiederaufleben der Inflation riskiert und möglicherweise die Zinsen erneut anheben muss – oder ob sie sie zu spät senkt“, so Andrzej Szczepaniak, Ökonom bei Nomura. „Letzteres ist eindeutig das bessere Szenario“.

Angesichts der rückläufigen Inflation und der Tatsache, dass sich die Währungshüter in den USA und in Großbritannien ebenfalls auf eine Lockerung der Geldpolitik vorbereiten, prognostizieren die Befragten für dieses Jahr drei EZB-Zinssenkungen um jeweils einen Viertelprozentpunkt. In der letzten Umfrage wurden noch vier Zinssenkungen erwartet. Seither haben sich die Währungshüter zunehmend besorgt gezeigt, dass rasche Lohnerhöhungen die Erfolge bei der Inflationseindämmung in Richtung des 2 %-Ziels gefährden könnten.

Bei der geldpolitischen Sitzung der EZB am 6. und 7. März wird keine Senkung der Zinsen erwartet. Ökonomen, Investoren und die meisten EZB-Räte sind sich derzeit einig, dass eine erste Senkung der Zinsen im Juni erfolgen dürfte.

EZB-Zinskurs: Widersprüchliche Signale

Präsidentin Christine Lagarde sagte am Montag, dass „der gegenwärtige Disinflationsprozess voraussichtlich weitergehen wird“ – etwas, das in den Februardaten für den 20-Mitglieder-Block deutlich werden sollte. In einer separaten Bloomberg-Umfrage rechnen Analysten mit einer Verlangsamung der Inflationsrate von 2,8% im Vormonat auf 2,5%, wenn Eurostat die Zahlen am Freitag vorlegt.

Vorstandsmitglied Isabel Schnabel schloss sich Bundesbankpräsident Joachim Nagel und anderen Falken an und warnte vor einer verfrühten Senkung der Kreditkosten, da die Risiken u. a. in der hartnäckigen Inflation im Dienstleistungssektor, einem robusten Arbeitsmarkt und den Spannungen am Roten Meer liegen.

Die „Tauben“ hingegen sorgen sich mehr um eine stotternde Wirtschaft, die in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 nur knapp einer Rezession entgangen ist, und befürchten, dass das Inflationsziel von 2 % unterschritten wird.

Obwohl die Ökonomen ihre Prognosen für 2024 etwas zurückgenommen haben, sehen sie den Einlagensatz Ende 2025 immer noch bei 2,25 %.

„Jetzt, da der Markt seine Preise und Erwartungen hinsichtlich des Zeitpunkts der ersten Zinssenkung fast angepasst hat, wird die größte Herausforderung darin bestehen, eine ungerechtfertigte Fehlleitung der Märkte zu vermeiden“, so Carsten Brzeski, Global Head of Macro bei ING.

Er ist der Meinung, dass die EZB mehr Details zu ihrem künftigen Zinskurs vorlegen sollte, indem sie „mehr Antworten liefert, wo sie die tatsächliche Inflation, die Lohnentwicklung und die längerfristigen Inflationsprognosen sieht, um mit der Senkung der Zinsen zu beginnen.“

Zinsen könnten weniger stark sinken

Neben der geldpolitischen Entscheidung wird die EZB am Donnerstag ebenfalls die vierteljährlichen Stabsprojektionen für die wirtschaftliche Entwicklung vorlegen. Die Mehrheit der befragten Ökonomen rechnen mit Abwärtskorrekturen für Wachstum und Inflation. Die meisten sehen den Preisanstieg für 2025 und 2026 — der für die EZB angesichts der verzögerten Auswirkungen der Geldpolitik entscheidend ist — unverändert bei 2,1% und 1,9%.

EZB-Zinsen: Ökonomen erwarten weniger Wachstum und Inflation - weniger Zinssenkungen
Ökonomen erwarten in nächster Zeit weniger Wachstum und Inflation

Obwohl die Inflation auf dem besten Weg zu sein scheint, sich um die 2 % zu bewegen, schließen einige Ökonomen nicht aus, dass die Kreditkosten länger hoch bleiben werden.

„Es besteht das Risiko, dass die Zinsen weniger stark gesenkt werden als in unserem Basisszenario vorgesehen, bzw. dass die Zinssätze länger auf einem höheren Niveau verweilen, wenn sich die Inflation und das Lohnwachstum als hartnäckiger erweisen“, so Dennis Shen, Senior Director bei Scope Ratings. Er nennt die Geopolitik als weitere „zentrale“ Gefahr.

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„Solche Szenarien bergen das Risiko weiterer angebotsseitiger Schocks, die sich auf die Aussichten für die Preisstabilität auswirken könnten und das Potenzial bergen, Schritte zur Normalisierung der Geldpolitik auf Eis zu legen oder sogar rückgängig zu machen“, so Shen. Die Umfrageteilnehmer nannten die US-Präsidentschaftswahlen im November und den Aufstieg der Populisten in Europa ebenfalls als große Gefahren.

FMW/Bloomberg



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