Von Claudio Kummerfeld
Es ist ein unglaublicher Vorgang, der in den deutschen TV-Nachrichten der letzten zwei Tage überhaupt keine Erwähnung fand. So unwichtig scheint das Ereignis offensichtlich zu sein. Oder ist vor lauter Krisen der Gewöhnungseffekt eingetreten? Es wird aber auch daran liegen, dass die Details zu finanztechnisch sind. Wer guckt schon auf Details in Zeiten von Terror?
Aber zur Sache. Es geht um Heuchelei und Trickserei auf EU-Ebene. Man hatte sich doch nach der Finanzkrise diesen wunderschönen Abwicklungsmechanismus für Banken zurecht gelegt. Und jetzt, wo die ersten Fälle eintreten, findet man immer neue schöne Methoden, wie man die eigenen Regeln umgehen kann. Erst war die Banca Monte dei Paschi in Italien an der Reihe. Die Pleitebank wurde einfach durch die EZB für „eigentlich gesund“ erklärt, deswegen durfte Rom mit Steuergeld vorübergehend Kapitalhilfen in die Bank pumpen. Ein Irrwitz.
Dann die Pleite der spanischen Banco Populare. Die Bank ging aber nicht pleite, sondern sie wurde einfach zwangsweise „umgebucht“ in die Bücher der größten spanischen Bank Santander, die deswegen eine Kapitalerhöhung durchführen musste. Und jetzt der dritte Streich in kurzer Zeit. Die beiden italienischen Krisenbanken Veneto Banca S.p.A. und Banca Popolare di Vicenza S.p.A. wurden von der EZB für de facto pleite erklärt (Failing or likely to fail). Damit übergab man die Angelegenheit an den neu geschaffenen EU-Abwicklungsmechanismus „SRB“, der offensichtlich nur dazu da ist sich Ausreden einfallen zu lassen, wie man die eigenen Regeln umgehen kann.
Und wie hat der SRB entschieden? Bank abwickeln? Nein, man war mal wieder kreativ. Dem SRB ist diesmal eingefallen, dass diese beiden Banken gar nicht systemrelevant sind, und ihre Pleiten gar keine Gefährdung des Finanzsystems darstellen. Daher sei man als SRB für diesen Fall gar nicht zuständig. In diesem Fall greife eben das nationale italienische Recht, und die Italiener sollten sich doch bitte in Eigenregie um die Sache kümmern. Im Klarext: Macht was ihr wollt mit eurem Schrott, wir gucken einfach weg. Kein Witz. Hier im Wortlaut vom SRB:
Following today’s decision taken by the European Central Bank to declare Banca Popolare di Vicenza S.p.A. and Veneto Banca S.p.A. as ‘failing or likely to fail’, the Single Resolution Board has decided that resolution action by the SRB is not warranted for these banks. As a consequence, the winding up of the banks will take place under national proceedings launched by the Italian authorities.
The SRB concurred with the ECB’s assessment and concluded that there are no alternative supervisory or private sector measures which could prevent the failure of the banks. Upon careful consideration whether resolution action is necessary and proportionate to safeguard the objectives set out in the Banking Union resolution framework, the SRB has today concluded that for these two banks, resolution action is not warranted in the public interest. In particular, neither of these banks provides critical functions, and their failure is not expected to have significant adverse impact on financial stability. As a result, the banks will be wound up under normal Italian insolvency proceedings.
Die EZB dazu:
Consequently, the ECB deemed that both banks were failing or likely to fail and duly informed the Single Resolution Board (SRB), which concluded that the conditions for a resolution action in relation to the two banks had not been met. The banks will be wound up under Italian insolvency procedures.
So einfach umgeht man alle eigenen Regeln. Man erklärt sich einfach für nicht zuständig. Doch ein optisches Problem gibt es dabei. Wie kann es sein, dass die beiden Banken nicht systemrelevant waren? Denn die EZB beaufsichtigit nur die größten und systemrelevantesten Banken. Und wie diese Überischt der EZB zeigt, sind beide Banken markiert (List of significant supervised entities) als wichtige durch die EZB zu beaufsichtigende Banken (Nummern 72 und 80). Aber jetzt auf einmal erklärt man die Banken seien überhaupt nicht systemrelevant. Ist einem das über Nacht zufällig eingefallen?
Wie auch immer. Jetzt kann die Regierung in Rom machen was sie will. Und so werden frische 17 Milliarden Euro Steuergeld in die Banken gepumpt. Denn auch heute soll noch Geld aus den Automaten kommen, und die Einlagen sollen gesichert sein. Aber halt. Es hat sich ja mit der italienischen Bank „Intesa“ ein Käufer für die beiden Banken gefunden. Aber wie es nun mal so ist – Intesa kauft nur die gesunden Teile der Banken, und hat strikt darauf bestanden weder direkt noch indirekt irgendwas vom Schrott mit in die eigenen Bücher zu nehmen. Der Schrott verbleibt beim italienischen Steuerzahler. Wahrscheinlich bleiben vorrangigen Gläubiger der beiden Banken vollständig von Verlusten verschont, auch auf Kosten der Steuerzahler.
Der Skandal ist nicht in Italien zu suchen, sondern bei der EU-Kommission, der EZB und beim SRB, also alles EU-Institutionen. Ihre eigenen Regeln umgehen sie in jeglicher Art und Weise. Hauptsache in den Mittelmeerländern gibt es keine hunderttausenden Bankkunden, die ihre Spareinlagen verlieren usw. Hauptsache kein großer Banken-Skandal, der dem normalen Bürger ins Auge fällt. Erneut unsere Meinung: Ihr in Brüssel und Frankfurt, macht euch lieber ehrlich, und schafft eure ganzen Rettungsregeln besser wieder ab!
Wie lautete nochmal das großspurige Versprechen der europäischen Politik nach der Finanzkrise? Nie wieder sollten die Steuerzahler Banken retten. Dafür schaffe man ja die Rettungsmechanismen wie den SRB… Amen!
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Nunja – alles nicht wirklich verwunderlich: in Italien stehen Neuwahlen an (bald) und vor der Bundestagswahl wird es definitiv kein Getöse im morschen EU-Banken-Gebälk geben.
Da werden schon die Wünsche der Politik alternativlos und sehr deutlichan die EU-Beamten durchgestellt.
Von daher – Riße-Modus ON. Egal wie kaputt alles auch ist – stumpf long ;-)
VG Karl
Es ist doch letztendlich gleichgültig welchen Prozedurweg man wählt, das Ziel ist immer der kleine Mann oder die kleine Frau. Muss man sich dehalb darüber streiten, das man den linken Weg nahm?
Wie ich immer sage: Wir leben in einer Diktatur, einer EZB-Diktatur.
Denn ein Diktator muss sich nun mal nicht an Gesetze halten und seien es auch seine eigenen.