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Könnte Twitter enden als Firmenausgabe der „Piratenpartei“ ?

Wir berichteten letzte Woche über die Aktion von Twitter-Usern "dann kaufen wir Twitter eben selbst" unter dem Hashtag #WeAreTwitter...

Von Claudio Kummerfeld

Wir berichteten letzte Woche über die Aktion von Twitter-Usern „dann kaufen wir Twitter eben selbst“ unter dem Hashtag #WeAreTwitter. Dort wird mit einer Petition darum geworben eine Genossenschaft ins Leben zu rufen, die Twitter komplett aufkaufen soll. Gut, das würde locker 12 Milliarden Dollar oder mehr kosten, aber möglich ist ja alles, oder? Hatten letzten Donnerstag 800 Menschen die Online-Petition unterschrieben, sind es jetzt 1.311. Gelinde gesagt ist das eine herbe Enttäuschung.

Man könnte denken bei 300 Millionen Twitter-Usern müsste doch eigentlich ein harter Kern von einigen zehntausend Usern sofort auf so einen Zug aufspringen, denn die Idee an sich ist ein echter Knaller. Sie bringt aber ein Problem mit sich: Lässt sich eine so große Social Media-Plattform von einer „basisdemokratisch“ geführten Community überhaupt realistisch führen? Diese Grundproblematik hatte auch der mit 19.000 Followern viel beachtete User Michael Seemann aufgegriffen, der hierzu twitterte:

Das ist von der Grundfrage her wohl das Hauptproblem. Würde Twitter wie die Piratenpartei enden? Wir wissen alle, was aus einer anfangs gut gemeinten Idee wurde. Alle brachten so lange ihre Meinung in eine „total“ basisdemokratische Partei ein, bis gar nichts mehr ging. Die Wähler wussten gar nicht, wofür die Partei eigentlich steht, und die Parteimitglieder selbst wussten es am Ende wohl auch nicht. Alle fanden sich in dieser Partei zusammen, um basisdemokratisch zu sein. Eine gemeinsame inhaltliche Idee hatte man aber anscheinen nicht. Also muss eine Art Grundidee her, eine Lenkung. In eine AG oder GmbH gibt es natürlich keine Demokratie. Oben an der Spitze wird vorgegeben, was gemacht wird. Damit ist alles geklärt.

Und was haben die Initiatoren dieser Kampage #WeAreTwitter vorgeschlagen? Eine Genossenschaft soll gegründet werden. Beim Wort „Genosse“ gruselt es dem „Kapitalisten“ immer ganz schnell, aber schauen wir doch mal, ob das Modell der Genossenschaften funktioniert. So sind in Deutschland zum Beispiel einige Banken als Genossenschaften organisiert. Auch gibt es bei uns einen großen Bereich der Wohnungsbaugenossenschaften. Und siehe da, sie alle arbeiten in der Regel problemlos und erfolgreich. Von massenweise Blockade, Chaos und Unregierbarkeit ist hier nichts zu sehen!

Und die Mieter wie auch Bankkunden dieser Genossenschaften sind ja alle automatisch Genossen, weil sie dort ein Konto haben oder eine Wohnung mieten. Jeder dieser Menschen erhält ein Mal im Jahr einen Brief, wann und wo die Vorstandswahlen anstehen, wo der Genosse die Leitung der Genossenschaft wählen kann. Basisdemokratisch eben. Und was zeigt die Realität? Niemand der Genossen geht dort hin, vielleicht eine Hand voll Personen, mehr nicht. Gut, Twitter kann man nicht mit einer Wohnungsbaugenossenschaft vergleichen. Aber vom Grundmodell her sind Genossenschaften ein tragbares Modell.

Natürlich bestünde die Gefahr, dass unzählige Nerd-User ständig reinquatschen würden mit Wünschen, Verbesserungsvorschlägen, Kritik usw. Auch könnte eine kleine aktive Personengruppe auf schlecht besuchten Mitgliederversammlungen plötzlich den Vorstand austauschen, weil die meisten „normalen“ Genossen zu faul sind zur Versammlung zu erscheinen. Auch das wäre ein Risiko. Grundsätzlich besteht natürlich das Risiko, dass Twitter enden könnte wie die Piratenpartei. Aber bei einer entsprechenden Satzung, die die Handlungsfähigkeit so einer Genossenschaft sicherstellt, wäre Twitter als Genossenschaft ein sehr interessantes wirtschaftliches und gesellschaftliches Experiment. Kann schief gehen, kann aber auch sensationell gut funktionieren. Ich tendiere mit 55% Chance für ein „Funktionieren“ so einer Idee. Hat ja bisher noch niemand ausprobiert! Aber naja, bei gerade mal 1.311 Petitions-Unterzeichnern wird daraus erst einmal wohl nichts.



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3 Kommentare

  1. Wenn man kurz vor dem Ende steht wandelt man sich eben in eine Genossenschaft, siehe Prokon. Meiner Ansicht nach kann dies nicht funktionieren. Außerdem bin ich persönlich kein Freund davon wenn zu viele ihren Senf dazugeben, das wird nur nach hinten losgehen.

    Ich hatte bereits schon mal skizziert was Twitter angehen muss. Die Firma braucht Leute die sich 100 Prozent engagieren und mit einer Strategie vorangehen. Dies war beim früheren CEO nicht gegeben und ist beim derzeitigen Management genau so wenig der Fall.

  2. Der (Witz) war gut.

    Will sagen, die Schlagzeile ist gut.

  3. Social Media den Haifischen der Finanzmärkte entziehen – prima Idee.
    Funktionierende Genossenschafte gibt es zuhauf – kleine bis sehr große wie Mondragon.
    Allerdings wäre eher Facebook eine Adresse für die Kommunardisierung .
    Ich wäre dabei – auch wenn Demokratie anstrengend ist.

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