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Aktienmärkte: Käufe an der Wall of Worries

Es ist schon verrückt: Das ganze Jahr über kommt es bereits zu Abstufungen des Wachstums in vielen Teilen der Welt, der Handelskrieg hat immer größere Ausmaße angenommen und seine Auswirkungen gezeigt – aber die Aktienmärkte sind im Rally-Modus. So steht der größte Index der Welt, der deutlich über 20 Billionen Dollar schwere S&P 500, seit Jahresanfang mit 20 Prozent im Plus, wie auch andere große Indizes. Wirtschaftseinbruch und zugleich Aktienhausse – wieso? Eine Suche nach Gründen

 

Aktienmärkte und der weltweite Zinssenkungswettlauf

58 Zinssenkungen von Notenbanken weltweit, allein im dritten Quartal, die Federal Reserve mit bereits zwei Cuts in 2019 – und die dritte wohl unmittelbar bevorstehend! Die Welt stemmt sich gegen eine Rezession. Dazu gesellt sich das Anleihekaufprogramm der Fed im kurzen Bereich, welches den Banken hilft durch die Versteilung der Zinskurve.

Das is eine deutliche Unterstützung für die Wall Street, denn schließlich kamen in guten Zeiten über 20 Prozent der Gewinne aus der Finanzbranche. Der monetäre Faktor als wesentlicher Treiber für die Aktienmärkte lebt wieder auf, deshalb meine schon mehrfach geäußerte These für einen „Sugar Rush“, einer möglichen Jahresendrally. Die allerdings nichts zu tun hat mit dem langfristigen Ausblick in einer Welt voller Schulden.

Für die aktuelle Rally des Dax muss es aber andere Gründe geben, schließlich kann hierzulande vonseiten der Zinsen keine Unterstützung im Minusbereich mehr erreicht werden und die Anleiherückkäufe haben nur noch ein kleines Volumen. Aber was erwarten die Anleger für Deutschland? Sind die angelsächsischen Investoren den Empfehlungen von JP Morgan oder Bank of America Merril Lynch gefolgt, die die europäischen Aktienmärkte empfohlen haben – begründet mit Dollarabwertung und Nachholbedarf nach jahrelanger Underperformance?

 

Aktienmärkte: Der deutsche Aktienmarkt als Frühindikator

Ich habe hier schon öfters über die Frühindikation des deutschen Leitindex geschrieben. Im Januar 2018 hatte dieser sein Allzeithoch erreicht, vor ziemlich genau 21 Monaten – zu einem Zeitpunkt, als die gesamte Wirtschaftswelt noch von einem synchronen Aufschwung gesprochen hat. Der Index nahm den weltweiten Abschwung aufgrund seiner Industrie- und Exportlastigkeit vorweg. Im übrigen hatten die Automobilwerte bereits 2015 ihr Top erreicht, bevor die Dimension des Dieselskandals und des mobilen Umbruchs so richtig zum Vorschein kam. Bereits vor viereinhalb Jahren stand der Index bei 12400 Punkten, den industriellen Abschwung Deutschlands in Teilbereichen antizipierend.

Also, was sehen die Investoren derzeit am Horizont?

Der Dax ist seit Anfang Oktober um 1000 Punkte gestiegen, in nur knapp drei Wochen, das ist kein Dahindümpeln, wie es öfters zu hören war, sondern eher eine kaum registrierte Hausse. Mit dem gestrigen Börsenschluss von 12872 Punkten fehlen nicht einmal mehr 6 Prozent bis zum ATH von 13559 Zählern.

Die aktuellen Einkaufsmanagerindizes

Die Einkaufsmanagerindizes in Deutschland, wie auch in der Europa haben sich auf sehr niedrigem Niveau stabilisiert – (aktuell) PMI gesamt: Europa 50,2 Punkte, Deutschland 48,6 Punkte. So gibt es auch den ein oder anderen Hoffnungsschimmer, wie zum Beispiel die Quartalszahlen von Daimler am gestrigen Tag.

Es ist allerdings ein Geheimnis, warum die großen Institute von IWF bis Ifo zwar von einer technischen Rezession 2019 ausgehen, aber im Jahr 2020 mit einer Stabilisierung auf niedrigem Niveau rechnen – und dies ungeachtet ihrer ständigen Abstufung des laufenden Wachstums. Genauso verhält sich auch der DAX. Nach den dargelegten Gründen möchte ich fast wetten, dass der Industrieindex Dax, sowohl die „große“ Rezession, als auch den Aufschwung als erster Index anzeigen wird. Volkswagen und BASF verkaufen ihre Produkte in 100 Ländern und fungieren wie ein Seismograf für die Industrie.

 

Die Aktienrückkäufe in den USA

Wie in meinem Artikel vom Mittwoch „Aktienrückkäufe und die US-Berichtssaison“ dargestellt, waren die Aktienrückkäufe das Triebmittel schlechthin für die Aktienhausse seit 2010. Diese können aus rechtlichen Gründen jetzt wieder mehr und mehr Fahrt aufnehmen (Ende der Blackout Period) und noch mal für starke Zuflüsse sorgen. Im letzten Jahr war der US-Markt im Monat Oktober um etwa 10 % gefallen. Ganz anders bisher in diesem Jahr in dieser Sperrzeit – aber Jerome Powell hatte damals die Zinsen angehoben, in einer Woche wird er sie wahrscheinlich erneut senken. Der Kurstreiber jedenfalls hat (noch) nicht ausgedient.

 

Die fehlenden Alternativen

Obwohl dieses Thema schon sehr abgedroschen ist, bleibt es dennoch ein Zentrales: Pensionskassen und Kapitalsammelstellen brauchen Rendite, bei Niedrig- oder Minuszinsen kippt das gesamte Geschäftsmodell. Insbesondere die amerikanische Pensionsfonds benötigen die vierteljährlichen Dividendenzahlungen zur Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Pensionären. In keiner der Rezessionen der letzten Jahrzehnte hatte es beim Ausstieg aus dem Aktienmarkt eine so schlecht rentierliche Zinssituation gegeben. Daher gilt weiter TINA.

Aktienmärkte: Die Psychologie, Handelskrieg und Brexit

Die monatelange mediale Beschäftigung mit dem Thema Handelsstreit und dem Brexit hinterließ Spuren in der Psyche der Anleger, sowohl bei den Kleinen als auch der Großen.

Es ist ein Phänomen und in Börsenkreisen eigentlich Allgemeingut: Gefahren für einen starken Aktieneinbruch gibt es insbesondere dann, wenn Euphorie herrscht. Und daran mangelt es derzeit gewaltig. Überall wird auf die Gefahren von Handelsstreit, Brexit und geopolitischen Risiken und weiterem Ungemach hingewiesen. Auch die großen Institute wie IWF, Weltbank, OECD und weitere warnen unaufhörlich vor den Folgen der Deglobalisierung. Das alles steckt in bestimmtem Ausmaß in den Kursen drin. US-Fondsmanager fahren seit Wochen mit einer Investitionsquote unter 60 Prozent mit hohen Cashbeständen. Daher droht von dieser Seite bestimmt nicht die große Gefahr, eher von einer immer wiederkehrenden Short Squeeze, wenn man mit Gegenposititionierung zusätzliche Erträge generieren will. Sie muss ja nicht so dramatisch ausfallen, wie die nach der Bekanntgabe der Quartalszahlen von Tesla.

So klettern die Kurse an der „Wand der Angst“, wenn es doch nicht so schlecht kommt. Bei den Unternehmemsergebnissen, im Handelsstreit und beim Brexit, der wahrscheinlich nicht als „harter“ und zum Monatsultimo kommen wird.

 

Aktuelle Berichtssaison Q3

Noch läuft sie auf Hochtouren, die Berichtssaison für das aktuelle Quartal. Bisher werden die vorher abgestuften Ergebnisse in Summa übertroffen – mit allerlei gewaltigen Ausreißern in beiden Richtungen -, aber es dürfte nicht zu der erwarteten „Earnings Recession“ kommen, eher mit einem Quartal an der Null-Linie, was nicht eingepreist war. Von den 168 Unternehmen aus dem S&P 500 haben bisher 80 Prozent die (zuvor deutlich gesenkten) Erwartungen übertroffen. (Stand: Donnerstag Abend).

Ja, und was sollen uns eigentlich die gerade veröffentlichten Zahlen vom Tech-Schwergewicht Intel sagen, die für den Halbleiter-Sektor, einem wichtigen Frühindikator, die Aussichten für die nächste Zeit angehoben haben?

 

Fazit: Aktienmärkte vor Jahresendrally?

Der große Einbruch an den Märkten wird erst dann kommen, wenn sich die Anzeichen für eine Rezession deutlich verstärken. In den USA haben die Ergebnisse der Kreditkartenfirmen MasterCard, American Express und Visa, die über das so zentrale Konsumverhalten Auskunft geben, gerade überrascht.

Bisher kam es vor jeder Rezession in der Nachkriegszeit zu einem starken Zinsanstieg und/oder zu einem Anstieg der Inflation – beides ist derzeit auch nicht in Sicht.

Vorher könnte es noch einmal sogar zu einer kleinen Jahresendrally kommen (die ja eigentlich schon läuft), ausgelöst durch die wieder einsetzenden Aktienrückkäufe und Bestrebungen von Donald Trump den Konsum in den USA nicht einbrechen zu lassen. Falls er nach der derzeitigen Entwicklung Zeit und Gelegenheit dafür hat. Aus streng fundamentalen Überlegungen dürften die Kurse nicht auf diesen Höhen stehen. Aber an der Börse passiert oft (kurzfristig) das Gegenteilvon dem, was man erwartet. Die Wirtschaftszahlen, die man präsentiert bekommt, sind zumeist von gestern, die Börse blickt auf das Frühjahr 2020, zumindest versuchen das die Anleger, die die Kurse bestimmen.

Wie lassen sich die Käufe an den Aktienmärkten also begründen? Vermutlich getrieben durch das berühmte FOMO, „Fear of missing out“, an der „Wall of Worries“?

Die Aktienmärkte steigen trotz schwacher Konjunktur

 



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10 Kommentare

  1. Alles sehr nachvollziehbar. Die Aktienkurse könnten tatsächlich noch weiter haussieren, wenn die Shorties wieder raus und die Fondsmanager wieder rein müssen. Aber ungehedgte Longpositionen im Aktienmarkt sind zu einem sehr heißen Eisen geworden und werden immer gefährlicher. Ich weiß nicht, wie hoch die Kurse noch steigen können, aber ich weiß, dass sie in absehbarer Zeit viel tiefer stehen werden als heute und deshalb mache ich mir um meine Shortpositionen überhaupt keine Sorgen.

  2. Liest sich insofern seriös, weil bei der Argumentation davon ausgegangen wird, dass die üblichen Faktoren wie Zins, Anleihemarkt etc. etc. immer noch nach gewissen Regeln funktionieren würden, bzw. die Marktteilnehmer diesen Regeln unterliege würden.
    Aber eigentlich wäre es schon längst Zeit, die Interpretation auf eine andere Ebene zu stellen. Man stelle sich einfach endlich mal vor, es gäbe Institutionen die über beliebige Summen verfügen und keine Gläubiger kennen, die das gedruckte Geld irgendwann zurückverlangen werden. Dann wäre auf einfache Art erklärbar, weshalb der Markt keine Schranken mehr kennt, als 100% Besitzwechsel der Weltwirtschaft in wenige Hände, egal zu welchem Aktienkurs… einfach nicht? Kauft einfach mit, es wird nur noch nach oben gehen, ökonomische Regeln war gestern…

  3. Und immer wieder das gleiche Spiel an der Wallstreet. Dow Future stundenlang im Minus, und zur Eröffnung sofort ins Plus und über 26800. Die magische Hand..

  4. Ein Hauptzugpferd der Nasdaq und S&P , Amazon, enttäuscht die Anleger und die Märkte feiern.
    Es hieß doch das Amazon als FAANG Aktie erheblichen Einfluss auf die steigenden Märkte in den letzten Jahren hatte. Und nun ?
    Wer also heute es immer noch nicht begriffen hat, das die Märkte einfach steigen, weil sie steigen wollen, egal was der Mainstream sagt der wird all sein Geld verlieren.
    Was auch sehr bezeichnend ist, ist die Tatsache, das die Short Kandidaten oder besser gesagt PERMA BÄREN hier gar nicht mehr so aktiv sind :-)
    In diesem Sinne…einen erfolgreichen Handelstag die Herrschaften :-)

    1. @Roberto, dafür bist du mit deinen devoten Shelterhelden und Applaudierern umso aktiver, wenn die Kurse mal für ein paar Stunden steigen. Aber nur dann…

      Vielleicht sind die Bären des ewigen Geschwafels vom „all sein Geld verlieren“ langsam überdrüssig und haben verstanden, dass seit über einem Jahr an den Hochs und an den Tiefs nichts wirklich passiert. Und dass Bären und Bullen seither im kurzfristigen Bereich vergleichbar gute Chancen hatten, Geld zu verdienen oder zu verlieren. Wer weiß?!

  5. Vor allem hat der DAX jetzt neulich ein großes Kaufsignal generiert.
    Gut, ich gehe mal demnächst von fallenden Kursen aus, einige hundert Punkte. Die Bären werden wieder eine kleine HAUSparty feiern. Jedoch, das große Kaufsignal bleibt dadurch unangetastet. Nach dem Abverkauf geht es locker bis an die 14.000 Punkte. Allzeithochs wir kommen!

  6. So nebenbei entdeckt als Info für Leute die wirklich immer nur steigende Kurse sehen, sie werden ja immer zahlreicher.
    Der Eurostoxx 50 ist trotz viel schwächerem Euro noch ca. 20% vom 2007 Hoch entfernt und dies trotz noch nie dagewesener Geldschwemme u.Negativzinsen.Mindestens bei diesem Index ist kaufen u.Korrekturen ausstehen ein Flop.

  7. @Sitting Bull, richtig ,die immer gleich dummen Sprüche des Betonkönigs von Berlin sind wirklich nervig.Ich bin auch der Meinung ,dass die verhöhnten Bären nächstens mindestens so grosse Chancen haben wie Bullen.Der geschätzte @ Leftutti hat ihm kürzlich gesagt was Sache ist.Scheint dass er beratungsresistent ist.Die Bäume sind noch nie in den Himmel gewachsen, die Aktien auch nicht u.bei den Immobilien erlebt er gerade in Berlin was passiert wenn übertrieben wird.An Roberto, bitte nicht wieder dumme Antworten wegen Neid u.s.w. Ich kann auf die Korrektur warten u.bin wie @Hesterberg u.Andere überzeugt dass euer Märchen bald zu Ende geht.

    1. @Altbär, bitte stilisiert mich jetzt nicht zu einem geschätzten Leftutti hoch. Ich bin nur ein global eng vernetzter Wissenschaftler auf dem Gebiet der Klimaforschung, ein Nerd und Fachidiot. Was Börsen betrifft, bin ich sogar nur ein gutmütiger Hanswurst und Depp, wie ich schon mehrmals betont habe.

      Ich teile aus, wenn nötig, ich kann auch einstecken. Kein Problem. Aber ich bin auch nur ein Kommentator mit eigener Meinung und eigener Denkweise, wie ihr alle.

      Es würde mich sehr freuen, wenn meine Person aus dem Fokus von Gut und Böse, Links und Rechts, Schwarz und Weiß und vor allem der bizarren Debatte oder Spekulation einer multipersonalen Persönlichkeit, wie sie von einigen fragwürdigen Personen hier laufend proklamiert wird, rücken würde.

      Ich bin nicht die Linken, die Grünen, kein Sozialist oder Kommunist sui generis, kein populistisches Feindbild, nur ein kleiner und unbedeutender Mensch im großen Getriebe, wie du und Roberto und alle anderen.

  8. @Altbär…na gut dann keine Sprüche über Neid. Aber ganz laut und herzhaft Lachen darf ich doch :-) Mir kann hier auf dieser Seite NIEMAND zeigen was Sache ist, weil mich hier auch niemand kennt. Das ist unmöglich. Ich bin seit über 30 Jahren selbständig in der Immobilienbranche. Vor Mauerfall schon. meine Immo´s sind alle sowas von safe, sicherer geht nicht mehr, wenn Du weißt was ich damit meine. Mir kann es seit einigen jahren egal sein wieviel Miete reinkommt. Selbst wenn nur 3 Euro/qm reinkommt, dann ist es für mich Gewinn. Soviel erst mal dazu. Und um den Aktienmarkt brauche ich mich nicht wiederholen, das ich Daytrader bin. Ich würde gerne auch mal was längerfristig investieren. Komme aber nicht dazu, weil es immer nur steigt. Also trade ich wenigstens um trotzdem geld zu verdienen. und wenn dann ENDLICH die Korrektur kommt, dann darf auch ich wieder langfristig in gute auserwählte Aktien investieren. Werde das Daytrading aber dennoch niemals sein lassen, weil es einfach Spaß macht, täglich den reiz zu erleben. Also lieber Altbär. Ich bin Dir vom herzen her überhaupt nicht böse, weil ich ja das gleiche will wie Du. Aber es will ja einfach nicht kommen. Glaube mir, auch ich mache Freudensprünge wenn wir endlich mal diese verdammte Korrektur oder sogar Crash sehen. Das wäre ein sehr großes Geschenk. Und deshalb wünsche ich auch Dir ein schönes Wochenende :-)

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