Von Claus-Peter Sesin
Der chinesische Ökonom Andy Xie warnt seine Landsleute in einem Artikel in „Caixin“ (Pekinger Wirtschaftsnews) vor einer „harten Landung“.
Chinas Assetblase, vor allem im Immobiliensektor, basiert laut Xie auf einem Yuan/Dollar-Carrytrade: Die Chinesen besorgen sich im Ausland zu Nullzinsen Dollars und finanzieren damit – via Schattenbanken-System – spekulative heimische Investitionen in Yuan.
Da in China Dollarimporte nicht erlaubt sind, werden diese entweder als Exporteinnahmen oder als Direktinvestitionen von Ausländern deklariert. Die so ins Land strömenden US-Dollars nähren das Schattenbanken-System, das wiederum Blasen wie die Immobilenblase (u a. extreme Preisanstiege von Wohnraum in Großstädten usw.) treibt.
Das Risiko dieses Yuan/Dollar-Carrytrades ist scheinbar niedrig, weil der Yuan immer noch mehr oder minder fest an den US-Dollar angebunden ist. Doch die Sicherheit könnte trügen.
Viele Carrytrades, darunter der bis 2007 „angesagte“ Yen-Carrytrade, gehen nach hinten los, wenn die Währung, in der man verschuldet ist, plötzlich stark gegen alle anderen Währungen steigt – wie der Yen ab Mitte 2007. Die zweite Gefahr besteht darin, dass die (meist höher verzinste) Währung, in die man getauscht hat, plötzlich gegen alle anderen Währungen stark fällt (wie der Thai-Bath 1998 oder der argentinische Peso 2002).
Bei einer quasi-festen Anbindung wie der des Yuans an den Dollar kann zwar „im Prinzip“ nicht viel passieren. Das glaubten die Thais 1998 und die Argentinier 2002 allerdings auch.
Die „harte Landung“ Chinas könnte daher unter anderem mit einem deutlichen Wertverlust des Yuan gegenüber dem Dollar einhergehen. Das wäre auch deshalb überraschend, weil die Chinesen von den Amerikanern viele Jahre der Währungsmanipulation bezichtigt wurden: Sie würden, so hieß es, den Außenwert des Yuan durch die Quasi-Bindung an den Dollar künstlich niedrig halten, um keine Exporteinbußen durch Yuan-Aufwertung zu erleiden. Bei einer harten Landung indes würde der Yuan womöglich stark abwerten.
Die chinesische Regierung hatte für die 2005 beschlossene Yuan/Dollar-Bindung gute Gründe: Japans Niedergang nach 1990 ging zu erheblichen Teilen auf die damals starke Aufwertung des Yen zurück, die daher rührte, dass Japans Wirtschaftsboom vor 1990 viel spekulatives Kapital anlockte. Um eine ähnliche Entwicklung in China zu verhindern, griffen die Chinesen einerseits zum Dollar-Peg, andererseits erlauben sie keinen freien Kapitalverkehr. Dieser implizite Schutz wurde allerdings vom Schattenbankensystem unterlaufen.
Die Größenordnungen sind enorm. Aus faulen Krediten drohen China Verluste in Höhe von schätzungsweise drei Billonen Dollar. Da helfen auch die vergleichsweise hohen chinesischen Staatsersparnisse – China hält US-Staatsanleihen im Wert von knapp über eine Billion Dollar – im Ernstfall nicht viel weiter.
Die Krise in den südostasiatischen Tigerstaaten (1997/1998) wurde ebenfalls durch Währungsanbindungen an den Dollar samt damit einhergehender Immobilienspekulation ausgelöst. Laut Xie findet in China heute Ähnliches statt, allerdings auf sehr viel höherem und damit für die Weltwirtschaft bedrohlicherem Niveau.
„Wenn die US-Notenbank ihre Staatsanleihen-Stützungskäufe (QE) beendet, wird Chinas Blase platzen“, glaubt Xie. Denn dies dürfte höchstwahrscheinlich zu Liquiditätsengpässen im Schattenbankensystem führen.
Umfassende Reformen könnten zwar noch Schlimmeres verhindern, doch ihre Umsetzbarkeit ist fraglich, weil das Schattenbankensystem vor allem von auf Gewinnmaximierung ausgerichteten regionalen Regierungen betrieben wird – und damit gleichsam an der Zentralregierung vorbei.
Die jüngste QE-Welle in USA seit Ende 2012 – die Fed kauft seitdem für monatlich 85 Milliarden Dollar Wertpapiere – hat erneut große Mengen spekulativen Kapitals in die Schwellenländer fließen lassen, wo es meist höhere Zinsen bringt. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres stieg das Kreditvolumen in China um 14 Billionen Yuan (entsprechend 2,3 Billionen Dollar). Rund die Hälfte dieses Kreditwachstum entfiel laut Xie auf das Schattenbankensystem, zu dem viele Investmentfonds zählen. Gewöhnliche Banken in China sind in Staatsbesitz.
Um die ökonomischen Schieflagen zu versteckten, bedient sich China zunehmend Statistiktricks, unter anderem bei der Emittlung des BIP. Das ist ebenfalls kein gutes Zeichen.
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