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Dax mit Einbruch wegen Lockdown – wie ist jetzt das Sentiment?

Um 9% ist der DAX in der abgelaufenen Woche eingebrochen. Die Angst vor den wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns sowie die Ungewissheit über den Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen haben letztlich doch noch ihren Zoll erhoben. Seit Wochen leiten wir aus der Sentimentanalyse ab, dass negative Entwicklungen nicht ausreichend an der Börse Berücksichtigung fanden. Diese Versäumnis wurde nun nachgeholt.

War’s das? Oder ist das erst der Anfang eines Crashs, wie wir ihn im Frühjahr bereits erlebt haben? Schauen wir uns die Sentimentdaten näher an, um dies zu beantworten.

Das Sentiment ist auf -6 eingebrochen und notiert damit auf extrem negativem Territorium. Zuletzt haben wir dieses Niveau der Niedergeschlagenheit im März, also im Coronacrash, gesehen. Zum Verkaufen ist es nun zu spät, wir hatten viele Wochen Zeit dazu.

Auch die Selbstgefälligkeit zeigt Extremwerte: -8,1 zeigt extreme Verunsicherung unter den Anlegern an. Die Intensität des Ausverkaufs übersteigt die Prognosen der Bären aus den Vorwochen. Auch ich hatte nicht mit einem Unterschreiten der 11.700 Punkte im DAX gerechnet, aktuell notiert der DAX (Stand Ende Freitag letzter Woche) bei 11.500 Punkten.

Die Zukunftserwartung ist auf +5,4 gesprungen. Mit sinkendem Kursniveau steigt der Zukunftsoptimismus an, denn Aktien sind heute zu Schnäppchenpreisen zu haben. Wirklich negative Entwicklungen sehen Anleger in den jüngsten Ereignissen nicht, zumindest wirtschaftlich betrachtet. Der Zukunftsoptimismus für den Dax ist heute sogar höher, als er im Coronacrash war. Ich schaue mal nach … zuletzt hatten wir im Herbst 2017 eine vergleichbar bullische Stimmung. Damals hatte US-Präsident Donald Trump gegen große Widerstände seitens der Opposition seine Unternehmenssteuerreform durchgesetzt.

Die Investitionsbereitschaft ist auf 5 angesprungen und notiert damit ebenfalls auf einem extrem hohen Niveau, wenngleich wir im vergangenen März bereits noch höhere Werte gesehen haben.

Das Euwax-Sentiment der Privatanleger zeigt sich ziemlich unbeeindruckt von den jüngsten Verwerfungen. Mit einem Wert von -2,5 sichert man sich kaum gegen weiter fallende Kurse ab.

Ganz anders agieren die Profis, die sich über die Eurex absichern: Das Put/Call-Verhältnis ist auf 4,8 gesprungen, der höchste Wert, den ich jemals gesehen habe. Es hat den Anschein, den Profis sitze die Erfahrung des Coronacrashs im März noch in den Knochen und sie wollen alles tun, um nicht ein zweites Mal auf dem falschen Fuß erwischt zu werden. Entsprechend werden die über die vergangenen Monate mühsam erzielten Gewinne mit Put-Optionen stark abgesichert.

Das Put/Call-Verhältnis der CBOE in den USA hingegen zeigt ein völlig anderes Verhalten der dortigen Anleger: Mit einem Wert von 0,47 spekulieren Anleger in den USA stark auf steigende Kurse. Größer könnte der Unterschied nicht sein.

US-Fondsmanager haben ihre Investitionsquote jedoch weiter zurückgeschraubt, von 84% in der Vorwoche auf nunmehr 78%.

US-Privatanleger sind neutral gestimmt, Bullen und Bären halten sich die Waage.

Der technische Angst und Gier Indikator des S&P 500 zeigt mit einem Wert von 27% leichte Angst an. Ab 25% spricht man von extremer Angst, die für eine Bodenbildung am Aktienmarkt hilfreich ist.

Interpretation der Stimmung gegenüber dem Dax

Epizentrum des aktuellen Ausverkaufs ist Europa. In den USA macht man das dann mit, weil dort ein Ausverkauf überfällig ist. Außerdem herrscht dort Verunsicherung über den Wahlausgang: Nicht darüber, wer gewinnen wird, denn das ist inzwischen für die Wallstreet egal. Sondern darüber, ob es ein schmutziges Nachspiel gibt. Wird der unterlegene Kandidat seine Niederlage anerkennen, oder gibt es ein juristisches Nachspiel?

Wenngleich die Coronazahlen in den USA verheerend sind, so läuft dort jedoch die Wirtschaft. Warum sollte der Aktienmarkt da ausverkauft werden? Nein, Corona ist nicht der Grund für die Schwäche der US-Märkte.

Und wenngleich wir in Deutschland nun sehr frühzeitig und sehr konsequent handeln, um damit die Auswirkung auf die Wirtschaft so klein wie möglich zu halten, werden unsere Aktienmärkte ausverkauft. Wenn ich mir die Stimmungslage der heimischen Anleger anschaue, dann kann ich da wenig Panik erkennen. Im Gegenteil, Privatanleger greifen beherzt zu und die Profis scheinen bereits so stark investiert gewesen zu sein, dass sie von der Intensität des Ausverkaufs auf dem falschen Fuß erwischt wurden und nun heftig Put-Absicherungen kaufen.

Wer also verkauft?

Der Sentiment-Experte der Deutschen Börse, Joachim Goldberg, hat in seiner Sentiment-Analyse Mitte dieser Woche bereits ausländische Investoren als Verkäufer ausgemacht. Ich schließe mich dieser Interpretation an. Der Euro-Wechselkurs zum US-Dollar ist in dieser Woche um 1,5% gefallen, Kapital wurde aus Europa abgezogen. Wenn wir uns die Corona-Entwicklung in Europa außerhalb Deutschlands anschauen, dann kann ich die Flucht der internationalen Anleger aus Europa durchaus verstehen. Frankreich geht in den Lockdown, Belgien kollabiert, Spanien hat das Geschehen nicht mehr unter Kontrolle, … internationale Anleger unterscheiden da nicht mehr, ob Deutschland vielleicht noch ein klein wenig besser dasteht.

Insofern ist es schwierig, anhand unserer deutschen Sentiment-Daten abzuschätzen, wie lange internationale Anleger noch deutsche Aktien verkaufen und damit Druck auf den DAX ausüben.

Der Coronacrash im März fand jedoch im Vorfeld der Kontaktbeschränkungen und Lockdown-Maßnahmen statt, mit Einführung der Maßnahmen fand die Aktienbörse einen Boden und erholte sich anschließend schnell. Dieses Mal ist der Vorlauf zum Lockdown nur kurz, die Maßnahmen werden frühzeitig und konsequent eingeführt. Ich kann mir daher schwer vorstellen, dass wir einen erneuten Coronacrash 2.0 erleben, der in seiner Intensität an den ersten vom März heranreicht.

Das internationale Kapital ist im Vorfeld des Lockdowns nun abgezogen worden. Nun ist es an den inländischen Anlegern, einzelne Titel günstig einzusammeln, bevor das internationale Kapital zurückkehrt und für steigende Kurse sorgt. Denn dieses Mal ist Europa wesentlich besser auf Corona vorbereitet: Die EZB hat weitere Hilfen angekündigt. Der Wirtschaftsraum Asiens, der insbesondere für Deutschland wichtig ist, funktioniert und kann sowohl seine Zulieferverpflichtungen als auch seine Nachfrage nach unseren Maschinen aufrecht erhalten. Nationale Hilfen und Überbrückungskredite werden dieses Mal wesentlich gezielter ausgegeben.

Brauchen wir also Panik, um einen Boden zu bilden? Nein, brauchen wir nicht. Und wenn, dann können wir uns das Verhalten der Profis nochmals anschauen: Nie zuvor wurden in so kurzer Zeit so viele Put-Absicherungen gekauft. Na, wenn das kein Hauch von Panik ist. Bei gleichzeitig großer Investitionsbereitschaft sieht das Stimmungsbild für den DAX diese Woche wesentlich konstruktiver aus als noch vor einer Woche.

 

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Ist es jetzt Zeit für eine Rally beim Dax nach dem Abverkauf?

 

 



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1 Kommentar

  1. Seit Wochen leiten wir aus der Sentimentanalyse ab, dass negative Entwicklungen nicht ausreichend an der Börse Berücksichtigung fanden. Diese Versäumnis wurde nun nachgeholt.
    ja.

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