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Hat Tesla das Elektro-Rennen für sich entschieden? Deutsche Autobauer sehen von Tesla nur noch die Rücklichter

Deutsche Autobauer sehen von Tesla nur noch die Rücklichter

Die Konkurrenz auf dem deutschen Markt für Elektroautos ist umkämpft. Zuletzt setzte Tesla die deutschen Autobauer durch starke Preissenkungen vieler Modelle unter Druck. Der Preiskampf hat zwar die Margen belastet, allerdings konnte das Unternehmen von Elon Musk den deutschen Herstellern wie VW, BMW und Mercedes weitere Marktanteile abringen. Im ersten Quartal war Tesla mit Abstand Marktführer bei E-Neuzulassungen in Deutschland.

Die deutschen Automobilhersteller haben in den letzten Jahren kühne Pläne für den Umstieg auf Elektroautos angekündigt, um die Vormachtstellung von Tesla zu brechen. Stattdessen fallen sie weiter zurück. Wie Bloomberg berichtet, hat der amerikanische Autobauer im ersten Halbjahr dieses Jahres 889.015 Elektrofahrzeuge ausgeliefert — mehr als Volkswagen, Porsche, BMW und Mercedes-Benz zusammen. Eine traurige Bilanz für die deutschen Autobauer.

Tesla auf dem Vormarsch

Die deutschen Autobauer kämpfen mit Software-Problemen, die die Produktion wichtiger Modelle verzögert, und mit rückläufigen Verkaufszahlen in ihrem größten Markt China, wo Tesla und der Platzhirsch BYD die Nase vorn haben. Selbst daheim spielen sie nur die zweite Geige — in Deutschland ist der Hersteller des Model Y nach wie vor die beliebteste Elektromarke. Die Anleger blicken in dieser Woche daher gespannt auf die Bilanzen, wenn Porsche am Mittwoch seine Ergebnisse für das zweite Quartal vorlegt, gefolgt von Mercedes und VW am Donnerstag.

Tesla kurbelt mit aggressiven Preissenkungen seinen Absatz an und erhöht so den Druck auf die etablierten Hersteller, die derzeit nicht mithalten können. Teslas Absatz wuchs im zweiten Quartal um 30 Prozentpunkte schneller als der von VW. Während die Deutschen in schwierigen Gesprächen mit den Gewerkschaften über die Umrüstung ihrer Produktionsstätten aus der Verbrenner-Ära stecken, plant Tesla die Erweiterung seiner Fabrik in Grünheide bei Berlin und bereitet den Bau eines Werks in Mexiko vor.

“Tesla ist den deutschen Autoherstellern in allen wichtigen Märkten immer noch meilenweit voraus”, sagt der Autoanalyst Matthias Schmidt. “Sie stehen jedoch unter Druck, ihre Stückzahlen zu erhöhen, um die Größenvorteile zu erreichen, die nötig sind, um Elektroautos rentabel zu machen.”

Elektroautos: Vosprung von Tesla - Deutsche Autobauer VW, BMW, etc hinken hinterher

Deutsche Autobauer mit strukturellen Problemen

Die Nachfahren von Carl Benz waren in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich, weil sie die Produktion von Fahrzeugen mit Benzin- und Dieselmotoren perfektioniert hatten und Hunderte von heimischen Qualitätszulieferern ihnen Getriebe, Einspritzdüsen oder Kurbelwellen lieferten. Doch mit dem Siegeszug der Batterie ist ihr “Vorsprung durch Technik” dahin.

In der deutschen Wirtschaft kommen zu den strukturellen Herausforderungen, die die Umstellung auf Elektrofahrzeuge mit sich bringt, noch Inflationsdruck, ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und hohe Energiepreise hinzu. Laut einer in diesem Monat veröffentlichten Umfrage des Münchner Ifo-Instituts sind die Erwartungen der deutschen Automobilhersteller auf dem Tiefpunkt seit der Finanzkrise 2008.

Die größte Bedrohung ist ihre schwindende Bedeutung in China, so Bloomberg. VW, BMW und Mercedes haben jahrzehntelang den Verkauf von Verbrennerautos auf dem größten Automarkt der Welt dominiert, sind aber in letzter Zeit hinter chinesische Marken zurückgefallen, die es besser verstehen, erschwingliche Elektroautos mit an den lokalen Geschmack angepasster Technik und Software zu entwickeln. Mercedes hat im vergangenen Jahr die Preise für sein Elektro-Flaggschiff EQS in China drastisch gesenkt, nachdem die Verkaufszahlen enttäuschend waren.

Vor allem VW geriet in China unter Druck, wo BYD Anfang des Jahres erstmals mehr Fahrzeuge verkaufte als Europas größter Autobauer. Bei Elektroautos ist der Absatz der Wolfsburger in China im ersten Halbjahr leicht zurückgegangen — und das in einem Markt, der um 20% gewachsen ist. Es wird erwartet, dass Elektroautos bis 2030 90% des chinesischen Marktes ausmachen werden, was es für die Deutschen umso dringender macht, ihr Angebot an Elektroautos zu erweitern. Nicht zuletzt deshalb hat VW den Chef der Premium-Marke Audi ausgewechselt.

Tesla führend im deutschen E-Auto-Markt

Harter Konkurrenzkampf mit Tesla und BYD

Die derzeitigen Marktführer bei Elektroautos in China “werden ihren Einfluss auf den Markt verstärken”, so die Analysten von HSBC in einem Bericht von diesem Monat. “Mit Ausnahme von Tesla glauben wir, dass es sich dabei um chinesische Elektroauto-Marken handeln wird.”

Doch noch ist nicht alles verloren. Musk hat den etablierten Herstellern, die aufholen wollen, ein Zeitfenster offen gelassen. Tesla brachte zuletzt 2020 ein neues Fahrzeug auf den Markt — das Model Y — und hat seit dem Produktionsstart vor sechs Jahren am Model 3 nur kleine kosmetische Änderungen vorgenommen.

BYD hält sich aufgrund von Handelsbarrieren vom US-Markt fern, und mehrere kleinere chinesische Start-ups könnten den Preiskampf in der Branche nicht überleben.

Die deutschen Unternehmen erwirtschaften weiterhin gute Gewinne mit dem Verkauf von Modellen mit Verbrennungsmotor, auch in China. Mercedes und BMW, die Tesla in der Luxusklasse verdrängen, haben ihre Verkäufe von Elektrofahrzeugen im Jahresvergleich verdoppelt, was darauf hindeutet, dass sie einen Teil des verlorenen Terrains zurückgewinnen können. Die Pläne der Deutschen, Mitte des Jahrzehnts Elektroauto-Plattformen einzuführen, um die Kosten ihrer Autos zu senken und sie mit neuen Technologien auszustatten, könnten die Dynamik ebenfalls verändern.

Chance für deutsche Automobilhersteller?

VW arbeitet an einem kompakten Elektroauto, das weniger als 25.000 Euro kosten soll — einem Volkswagen für das Elektrozeitalter — und rund zwei Jahre von der Produktionsreife entfernt ist. Die Wolfsburger haben kürzlich ihren Fünf-Jahres-Investitionsplan auf 180 Milliarden Euro aufgestockt, mehr als zwei Drittel davon für Software und Elektrofahrzeuge. Die Limousine ID.7, die noch in diesem Jahr auf den Markt kommt, verfügt über ein Augmented-Reality-Display, das Informationen in das Sichtfeld des Fahrers beamt.

Einem Bericht von Automotive News zufolge wird Mercedes nächstes Jahr eine elektrische Version seiner kompakten CLA-Limousine in den USA einführen, um besser mit dem Model 3 von Tesla konkurrieren zu können. Außerdem arbeitet das Unternehmen an der Elektrifizierung seines legendären G-Modells.

BMW erhofft sich von seiner “Neuen Klasse”, die um 2025 auf den Markt kommen soll, einen Absatzschub. Der Automobilhersteller will die Batteriekosten halbieren und die Reichweite und Ladegeschwindigkeit im Vergleich zu heutigen Modellen um 30% erhöhen.

“Die Elektroauto-Plattformen der nächsten Generation der Deutschen könnten die Dinge verändern”, sagt Michael Dean, Autoanalyst bei Bloomberg Intelligence. “Das ist der Zeitpunkt, an dem wir einen großen Vorstoß von ihnen sehen werden, auch in China.”

FMW/Bloomberg



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1 Kommentar

  1. Der chinesische Markt ist für die Deutschen schwer zu knacken.

    Bestes Beispiel ist der BYD Atto 3, der in den Türen Gummiseile hat, mit denen man Gitarre spielen kann. Nie im Leben wäre ein deutscher Autodesigner auf so eine Idee gekommen und dennoch ist es dort der größte Hit.

    Auf den Softwarebereich lässt sich das übertragen. Darüber hinaus ist natürlich die politische Situation in China eine Herausforderung. Während die Kunden in Europa Datenschutz erwarten, ist die Devise in China, dass der Staat überall hineinsehen will. Datenschutz ist dort quasi verboten. Natürlich ist das auch Sicht der Menschenrechte sehr schlecht, aber es ist auch eine Realität. Immerhin hat man das mittlerweile erkannt, die Strategie „In China, für China“ ist richtig, es macht mittlerweile keinen Sinn mehr, europäische Produkte nach China zu übertragen. Die ganzen Verschlüsselungsprotokolle für westliche Märkte sind zu tief in der Software und lassen sich nicht einfach entfernen.

    Andererseits ist auch die Firmenkultur deutscher Konzerne schlecht für die Zukunft gewappnet. Irgendwo stand einmal das Motto in Wolfsburg wäre „Zwischen sich und der Verantwortung muss immer noch jemand stehen“. Leider ist moderne IT zu komplex und man braucht Schwarmintelligenz, um die Herausforderungen zu lösen. Wenn man weiterhin versucht, die Konzerne wie Finanzämter zu führen und sich hauptsächlich um Schuldfragen kümmert, dann wird es wohl schwierig.

    Vor ein paar Wochen habe ich einmal versucht, mir einen Account zu besorgen, um das VW Plug and Charge Portal anzusehen. Der Registrierungsprozess endete mit einem „Fehler – Die Plattform ist aktuell nicht verfügbar“. Ich sehe nicht die großen Fortschritte bisher. In Zukunft wird es nicht nur um die Autos gehen, sondern auch um die Apps und Webportale.

    Bei Tesla oder BYD zu arbeiten wäre noch ganz interessant, aber mir tut jeder leid, der den Überlebenskampf der deutschen Hersteller über die nächsten Jahre von innen begleiten muss. Glücklich war, wer noch kurze Zeit unter Bram Schot bei Audi arbeiten konnte. Das war ein guter Chef. Der hätte es mit Musk aufnehmen können, wurde aber mit Schmierenkampagnen intern von der Gewerkschaft abgesägt.

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