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Ein Silberstreifen am Horizont Deutschland ist nicht der „kranke Mann Europas“, sagt Goldman

Deutschland ist nicht der
Deutsche Wirtschaft. Foto: Romeo22 - Freepik.com

Deutschland befindet sich in einer Rezession und dies dürfte auch im ersten Quartal in 2024 so bleiben, wie eine Bloomberg-Umfrage unter Ökonomen jüngst gezeigt hat. Die deutsche Wirtschaft schrumpft – als einzige in Europa, und wird auch in diesem Jahr nur minimal wachsen. Kein Wunder also, dass Deutschland angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage wieder den Stempel des „kranken Mann Europas“ verpasst bekommen hat. Dan Dees, Co-Leiter des Bereichs Global Banking & Markets bei Goldman Sachs, sieht die Lage aber etwas anders. Seiner Meinung nach haben sich die Rahmenbedingungen zuletzt verbessert und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen nimmt zu.

Deutschland: Silberstreifen am Horizont

In den deutschen Vorstandsetagen ist die Stimmung weit weniger düster als es das öffentliche Wehklagen über den Status des Landes als “kranker Mann Europas” erscheinen lässt. Das findet jedenfalls einer der führenden globalen Investmentbanker von Goldman Sachs, Dan Dees.

Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft haben sich verbessert, Industrieunternehmen prüfen zunehmend wieder Möglichkeiten zur Expansion, insbesondere in den USA, und die Startup-Szene in den deutschen Tech-Hotspots wie Berlin, München und Hamburg ist so lebendig und optimistisch wie überall auf der Welt, so Dees in einem Interview mit Bloomberg News.

Freilich sieht auch Dees Bedenken, wie etwa, dass die stagnierende Wirtschaft, eine ausufernde Bürokratie, das schwache Binnenwachstum und die hohen Energiepreise die Wettbewerbsfähigkeit des industriellen Rückgrats Deutschlands auf lange Sicht untergraben könnten.

Aber: “Die Stimmung unter den Führungskräften der deutschen Industrieunternehmen ist konstruktiv, aber definitiv nüchterner im Vergleich zum Optimismus der Kollegen in den USA und vorwiegend an der Westküste”, sagte Dees.

Europa: Goldman Sachs Banker Dan Dees ist optimistisch für Deutschland
Dan Dees, globaler Investmentbanker von Goldman Sachs

Volkswirte sehen Deutschland überwiegend mitten in der Rezession. In dem in Kürze zuende gehenden ersten Quartal dürfte die Wirtschaftsleistung wie bereits im Schlussquartal des Jahres 2023 erneut geschrumpft sein. Vereinzelt zeigen sich Hoffnungsschimmer vor dem Hintergrund der in diesem Jahr zu erwartenden Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank. So stiegen die vom ZEW ermittelten Konjunkturerwartungen deutscher Finanzexperten im März weitaus kräftiger an, als dies erwartet worden war.

Mit Bloomberg sprach der 53-jährige Spitzenbanker nach einer Tour durch Deutschland, die ihn im Goldman-Büro in Frankfurt und in der neu eröffneten Münchner Niederlassung vorbeiführte, wo er Kunden und Banker vor Ort traf.

Wirtschaft: Es kann wieder aufwärts gehen

Seiner Wahrnehmung nach sind “viele deutsche Unternehmen auf der Suche nach Wachstum in den USA — sowohl durch Investitionen als auch durch Übernahmen”. Manager erkennen, dass sie Skaleneffekte benötigen und mehr in Technologie investieren müssen, zum Beispiel im Bereich der Prozessautomatisierung mit Hilfe von künstlicher Intelligenz.

Nach einem schwierigen Jahr 2023 wird das Geschäft mit Übernahmen und Fusionen sowie mit Kapitalmarkttransaktionen wieder lebhafter. Das Volumen solcher Deals ist seit Jahresbeginn weltweit um 29% gestiegen, in der Region Europa, Naher Osten und Afrika sogar um fast 40%, wie von Bloomberg zusammengestellte Daten zeigen.

Es sei jedoch noch zu früh, um sicher zu sein, dass es in dem Tempo weitergeht, so Dees. Dass es nach einem 10-Jahres-Tief auch wieder aufwärts geht, wenn sich die Zinssätze stabilisieren, sei keine besonders verwegene Prognose.

Deutschland ist nicht der „kranke Mann Europas“

Dennoch wehrte sich Dees gegen die wieder aufkommende These, Deutschland sei wegen seiner schwachen Wirtschaft, die hinter allen anderen G-7-Industrieländern zurückbleibt, wieder einmal der “kranke Mann Europas”. Die Stimmung, die er unter deutschen Führungskräften, Investoren und Unternehmensgründern angetroffen habe, “war besser, als ich erwartet hatte”, so Dees.

“Wir haben gerade ein Büro in München eröffnet, wo es eine pulsierende Tech-Startup-Szene gibt, die genauso optimistisch ist wie ihre Kollegen anderswo”, sagte er.

Fondsmanager stellen sich auf massive Investitionen in den Aufbau einer technologischen Infrastruktur ein. “Jedes souveräne Land möchte KI-Kapazitäten aufbauen und besitzen, wofür Chips, Rechenzentren und die entsprechende Infrastruktur benötigt werden”, sagte er. Dees, der auf die Beratung von Kunden aus dem Technologie-, Medien- und Telekomsektor spezialisiert ist, rechnet mit einem steigenden Fluss an Deals in diesen Bereichen.

In diese Kategorie fällt die unlängst angekündigte, 3 Milliarden Euro schwere Übernahme des Wind- und Solarparkbetreibers Encavis durch den Finanzinvestor KKR & Co. “Eine KI-Suche benötigt 100 mal mehr Energie als eine Standard-Google-Suche. Das erfordert Strom, Glasfaser, Rechenzentrumskapazität” und damit viel mehr Energie, erklärte Raj Agrawal, Leiter des Infrastrukturteams von KKR diese Woche auf Bloomberg TV.

Agrawals Schlussfolgerung: “Betrachtet man die Pro-Kopf-Kapazität von Rechenzentren, so liegt sie in Europa im Vergleich zu den USA bei einem Zwölftel.” Deswegen stünde in diesem Bereich Europa noch ein enormer Wachstumsschub ins Haus.

Im deutschen Technologiesektor tut sich was

Bei aller Dominanz von US-Giganten wie Apple, Microsoft, Google oder Nvidia zeigt sich Goldman-Banker Dees ermutigt von den Fortschritten im europäischen Technologiesektor.

Dank dem Technologiesektor und dem KI-Boom läuft die Wirtschaft in den USA
Der technologielastige Nasdaq hat den Dax in den letzten 12 Monaten outperformt

“In den letzten zehn Jahren hat der europäische Technologiesektor ein beträchtliches Wachstum verzeichnet — die Zahl der Einhörner in Europa ist auf den Rekordwert von 260 gestiegen”, sagte er. “Wir sehen Durchbrüche in den Bereichen KI und Daten, sowie Innovationen und Disruptoren in der Gesundheitstechnologie, der Spieleindustrie und vielen anderen Bereichen.”

Dees erwartet, dass auf alternative Investments spezialisierte Fonds in den kommenden Jahren in großem Umfang zum Aufbau der für KI und andere Innovationen benötigten Technologie beitragen werden.

TSMC baut derzeit eine Chipfabrik in Deutschland, und Berlin steht dem Vernehmen nach kurz vor Abschluss der Übernahme des deutschen Hochspannungsnetzes von Tennet, das rund 22 Milliarden Euro wert sein könnte.

Eine größere Rolle erwartet Dees für aktivistische Investoren, die in den USA bereits weiter verbreitet sind und auf Übernahmen drängen werden. “Jedes sechste Unternehmen im S&P 500 hat einen aktivistischen Aktionär”, so Dees.

FMW/Bloomberg



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7 Kommentare

  1. Schön wärs aber Goldman Sachs liegt leider falsch.

    1. Das dachte ich auch, wie immer, die Hoffnung stirbt zuletzt. Teilweise unlogisch, die Aussagen: Stromlastige KI und die höchsten Strompreise passen wohl kaum zusammen.

  2. Ich pflichte Goldman Sachs dahingehend bei, daß in Deutschland entsprechende Rahmenbedingungen für die Chipindustrie, KI und Start-ups vorhanden sind. Zusätzlich stimuliert werden könnte dies mittels der Kultur der zweiten Chance für KI-Start-ups.

  3. Diese Aussagen hätten von Habeck kommen können.

    Viele Grüße aus Andalusien
    Helmut

    1. Nach einer Rezession kommt der Aufschwung. So simple ist der Wirtschaftszyklus nun mal. 1,5 Jahre vor der Wahl werden jetzt die finanzpolitischen Weichen gestellt.

    2. Das Ökosozialistische Kalifat wird sich nicht mehr erholen ohne El Cid.

  4. Es gibt also Hoffnung. Während die Erben wegen des Versagens der Dopingmittel noch streiten, ob Deutschland krank oder nur müde ist, realisieren die Leichenfledderer bereits, dass nur eine Hirntransplantation durch KI die noch rudimentär vorhandenen motorischen Fähigkeiten der Deutschen wieder zum Leben erwecken und die Rückkehr vom Friedhof der Kuscheltiere ermöglichen kann.
    Na dann lassen wir uns mal überraschen, was für ein Monster wir als Vater Staat künstlich am Leben erhalten werden, während uns Mutter Natur leider für immer verlassen hat.

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