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Über Anspruch - und Scheitern Die Energiewende bleibt auf der Autobahn stecken

Rotorblatt-Transport auf der Autobahn
Rotorblatt-Transport auf der Autobahn. Photographer: Christian Charisius/picture alliance/Getty Images

Kanzler Scholz hat ein „grünes Wirtschaftswunder“ durch die Energiewende versprochen – das bislang jedoch nicht eingetreten ist: Nun droht diese Energiewende auch noch auf der deutschen Autobahn stecken zu bleiben, wie Bloomberg berichtet.

Die Energiewende bleibt auf der Autobahn stecken

Anfang des Jahres machten deutsche Spediteure einen mühsamen Umweg, um Rotorblätter von Bremen zu einem Windpark in Albersdorf, Schleswig-Holstein, zu transportieren – gute 120 Kilometer Luftlinie. Anstelle der rund drei Stunden, die das sonst dauert, mussten sie wegen enger Kurven und Höhenbeschränkungen über Hannover, Potsdam und Rostock fahren – drei Nächte, die dreifache Transportstrecke.

Die Windbranche befürchtet, dass sich solche Situationen häufen werden. Die einst für ihre Effizienz und freie Fahrt gepriesene Autobahn sei zu einem massiven Hindernis für die Klimaziele des Landes geworden, warnen sie. Damit Deutschland das Ziel der Bundesregierung erreichen kann, bis 2030 80% des Stroms aus grünen Quellen zu erzeugen, müssen jeden Tag etwa sechs neue Windkraftanlagen gebaut werden. Das erfordert rund 60.000 Straßentransporte pro Jahr.

Wenn die Anlagen nicht wie geplant gebaut werden können, steht die deutsche Energiewende “auf der Kippe”, warnten mehr als 30 Wirtschaftsverbände kürzlich in einer Erklärung.

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Das Problem ist, dass das Autobahn-Straßennetz größtenteils in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurde. Für den Transport riesiger Rotorblätter und Stahlturmsegmente – bis zu 35 Meter lang und 80 Tonnen schwer – ist die Infrastruktur schlicht nicht ausgelegt. Das ist zwar weltweit eine Herausforderung, aber auch der reguläre Güterverkehr stößt in Deutschland zunehmend an seine Grenzen: Denn marode Straßenabschnitte und baufällige Brücken – allein an den Autobahnen sind nach Angaben der Bundesregierung 8.000 sanierungsbedürftig – sind oft für Lkw gesperrt.

“Wenn die Verzögerungen anhalten, laufen wir Gefahr, dass die Energiewende auf der Straße stecken bleibt”, sagte Hendrik Peterburs, Leiter der globalen Logistik bei Enercon, dem Hersteller von Windturbinen, dessen Rotorblätter kürzlich den langen Umweg von Bremen genommen haben.

In der ersten Hälfte dieses Jahres meldete Enercon bereits 70 verspätete Lieferungen von Windkraftanlagen. Jede dieser Verspätungen kann laut Peterburs bis zu 10.000 Euro pro Rotorblatt kosten, da Maschinen länger gemietet werden müssen und Vertragsstrafen anfallen.

Die SIAG Tube und Tower GmbH in Leipzig, Hersteller von massiven Stahltürmen für Windkraftanlagen, musste im Sommer ihre Produktion um ein Drittel drosseln: Die Lager waren voll, Bauteile konnten nicht weitertransportiert werden.

Verschärft wird die Situation durch den Trend der Windindustrie, immer größere Komponenten zu bauen, um die Stromerzeugung an Land und auf See effizienter zu machen.

Auch die Modernisierung älterer Windkraftanlagen, von denen es in Deutschland rund 13.600 gibt, ist eine Herausforderung: Nach Branchenangaben ist die Demontage ausgedienter Komponenten im vergangenen Jahr um 20% zurückgegangen. Frank Kreimer, Geschäftsführer des Logistikunternehmens Hagedorn GmbH, das häufig solche Altanlagen zum Recycling transportiert, macht dafür die Straßensituation verantwortlich.

Schwierig ist auch der Transport von Ausrüstung, die für die Montage von Windrädern benötigt wird. Der Logistikspezialist Wasel GmbH erhielt kürzlich keine Genehmigung für den Transport eines Raupenkrans, der daraufhin acht Wochen lang stillstand. Geschäftsführer Matthias Wasel berichtet, dass er regelmäßig Umwege von rund 70 Kilometern in Kauf nehmen muss. Denn zwischen Bonn und Duisburg gibt es nur eine Rheinbrücke, die er mit seinen schweren Fahrzeugen überqueren darf.

Lösungen finden

Die Lösung der Probleme könnte Jahre dauern und teuer werden. Der Bund hat allein für das kommende Jahr 12,8 Milliarden Euro für die Bundesfernstraßen zugesagt, weil mit einer Zunahme des Lkw-Verkehrs gerechnet wird. Aus Sicht der Wirtschaft könnten aber auch andere Maßnahmen kurzfristig helfen, etwa schnellere Genehmigungsverfahren.

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Bis zu drei Monate kann es dauern, bis ein Transport für große Windkraftanlagen genehmigt wird, berichtet Andreas Petzold, Logistikmanager beim Windkraftanlagenhersteller Nordex.

“Ineffiziente Prozesse, mangelnde Transparenz und Schwächen in der Kommunikation und Abstimmung der involvierten Behörden, insbesondere der Autobahn GmbH des Bundes, führen zu massiven Verzögerungen sowie zu erheblichen Mehrkosten”, sagte er.

In den letzten Wochen standen rund 15.000 Genehmigungen aus. Das Bundesverkehrsministerium erklärt, ein neues digitales Tool helfe, den Rückstand abzuarbeiten, und ein neues bundesweites System werde das Verfahren weiter beschleunigen.

Die endgültigen Genehmigungen würden aber von den Behörden vor Ort in den Bundesländern erteilt, sagte ein Ministeriumssprecher. Aus dem Wirtschaftsministerium heißt es, weitere Maßnahmen zur Entschärfung der Logistikprobleme sollten nun “zügig” umgesetzt werden.

In anderen EU-Ländern wie den Niederlanden oder Schweden seien solche Prozesse komplett digitalisiert und Genehmigungen würden in bis zu vier Tagen erteilt, erklärt Peterburs von Enercon. In Frankreich sind Schwertransporte auf Privatstraßen verboten, sagt Petzold von Nordex, aber man brauche nur eine Genehmigung für das ganze Land, was das Verfahren einfacher mache als in Deutschland. Überall in Europa sei der Transport von Windkraftkomponenten einfacher als hier.

Während die Entwickler von Onshore-Windenergieanlagen aufgrund der Größe ihrer Komponenten besonders von den Behinderungen auf deutschen Autobahnen betroffen sind, sind auch andere Branchen beeinträchtigt.

Der Netzbetreiber Tennet TSO, der im ganzen Land 11.000 Kilometer Stromleitungen, Masten und Umspannwerke bauen muss, um die Ökostromanlagen anzuschließen, sagt, die Straßensituation erschwere den Netzausbau.

Im Osten der Republik hat die Mecklenburger Metallguss GmbH, ein Hersteller von Schiffspropellern, Schwierigkeiten, seine übergroßen Produkte auf der Straße zum Kunden zu bringen. Einmal verzögerte sich die Lieferung eines neuen U-Boot-Propellers an die Bundesmarine so sehr, dass der Kunde bei den Verkehrsbehörden intervenieren und auf seine NATO-Verpflichtungen pochen musste.

“Aktuell ist die Situation so verfahren, dass es auf gut einem Drittel aller Baustellen zu erheblichen Verzögerungen kommt”, sagt Bärbel Heidebroek, Präsidentin des Bundesverbandes Windenergie (BWE). “Die Probleme müssen jetzt frühzeitig gelöst werden, bevor das gesamte System zum Erliegen kommt.”

Keine guten Aussichten für das Gelingen der Energiewende..

FMW/Bloomberg

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7 Kommentare

  1. Das Problem sind nicht die Transporte, das Problem ist in den Köpfen der Leute: Trotz massiver Umweltprobleme und 2,- EUR pro Liter Benzin wird weiter gereist wie blöd. Die Straßen und der Himmel waren nie voller. Sobald Umweltschutz etwas kostet oder eigenes Verhalten hinterfragt werden sollte, blockt jeder ab. Der Planet geht vor die Hunde und keinen interessiert das. Hinterm Strand brennt der Wald und vorne wird gebadet. Das Umweltproblem wird sich selbst lösen …..

    1. Welcher Ideologie unterliegen Sie? In meinem Bekanntenkreis sind ca. 1/3 dem grünen Wahn verfallen, der Rest interessiert sich nicht für die grüne Transformation. Es ist doch nur eine politische, willkürliche Agenda, um das Geld von Carbon in grüne Energie zu transformieren. Sollen Ihrer Meinung nach die freiheitsliebenden Bürger zu Hause bleiben, nur weil ein paar Idioten das wollen? Ihr Geld in eine Lithiumbombe investieren, wenn sie für das gleiche Geld zwei Verbrenner bekommen? Nein, dann müssen die mich schon abholen, bevor ich diesen Schwachsinn mitmache.

    2. @lb – Sie sollten öfter mal die Anstalt aka Deutschland verlassen, dann merken auch Sie, dass der Planet sicher nicht wegen den Deutschen vor die Hunde geht, aber die Deutschen wegen denen, die glauben den Planet retten zu müssen.

  2. Wenn man ein totes Pferd reitet, kommt man halt nicht weit. Und trotzdem reiten (fast) alle mit. Wenn das Wetter passt, müssen wir die nutzlose Stromüberproduktion verschenken oder sogar anderen Ländern noch Geld dafür geben, daß sie uns diesen Strom abnehmen. Das bedeutet, ein weiterer Ausbau auf dieser Strecke erhöht die Verluste, nicht die Gewinne der Stromerzeugung. Wenn das Wetter nicht passt, ist es völlig egal, mit wievielen Windmühlen wir noch in die Landschaft verschandeln / Umwelt zerstören. Kohle und Gas müssen es richten. Die Kosten für die Netzeingriffe zur Stabiliserung erreichen schwindelerregende Höhen – im Jahr 2010 waren es 30 Mio €, im letzten Jahr 4,2 Mrd. € und in diesem Jahr werden wir wohl bequem die 6 Mrd. € erreichen. Bezogen auf die Einwohnerzahl bedeutet dies, daß von der Stromrechnung einer vierköpfigen Familie rund 280,– € p. a. nur auf die Beseitigung von Netzstörungen entfallen.Für die Verteilung des “ schönen, grünen “ Stroms gibt es keine Netze, für den weiteren exzessiven Ausbau fehlen uns die Materialien und jetzt haben wir nicht einmal die Kapazitäten, die Bauteile dorthin zu bringen, wo sie aufgebaut werden sollen. Der nicht unerhebliche Eigenstromverbrauch der Windmühlen wird einfach verschwiegen und mit steigendem Ausbau müssen auch die Backupsysteme ausgebaut werden. Nicht zuletzt bauen wir jetzt eine Energieerzeugung, deren Effizienz nur geringfügig höher als die von „Holz verbennen“ ist, wobei das Holz noch den Vorteil hatte, das es eingesetzt werden konnte, wenn man es gebraucht hat ( nachdem es einmal gesammelt war ), wir müssen auch noch auf den Wind warten. Hoffen, das Wettergötter gnädig mit uns sind. Da ist nicht “ … steht auf der Kippe „

  3. ….Wenn die Anlagen nicht wie geplant gebaut werden können, steht die deutsche Energiewende “auf der Kippe”, …
    Ja, lustig.
    Es gibt immer noch Leute, die meinen immer noch: Mehr Windräder=mehr Strom.
    Mal sehen wann sie ihren Irrtum bemerken.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

    1. nie, weil es den gemeinen sektenmitgliedern einfach am verstand fehlt
      idelogie und glaube vertragen sich nicht mit der realität, der ewige k(r)ampf mit den windmühlen

  4. Alles über alles werden die Fossilen so so oder so ausgebuddelt und verbrannt, mit Klimaschutz hat das 0,0 % überhaupt nix zu tun.

    Die grüne Transformation verschiebt die CO2 Anreicherung der Luft nur ein bissel nach rechts auf der Zeitskala.
    Was aber die grüne Transformation und der Ukrainekrieg auf jeden Fall produziert und das nicht zu knapp in gigantischen Dimensionen, sind Emissionen von Staatsanleihen der hochbonitären Staaten. Die als Collaterals fürs Bankbilanzierung und Finanzcasino dringend erförderlich sind.

    Das ist und war immer der einzige Grund für unsere ganzen „Krisen“ !!!
    Nur manche denken halt sie würden Umweltpolitik machen. Sie merken gar nicht wessen Lied sie singen.

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