Von Claus-Peter Sesin
Die Fed will den Markt offenbar daran „gewöhnen“, dass Reduzierungen (Tapering) oder Aufstockungen ihres Anleihenaufkaufprogramms QE die frühere Leitzins-Politik ersetzen.
Im Klartext heißt das: Läuft die US-Wirtschaft (von den gemeldeten Zahlen her) rund, dann wird die Aufkauf-Rate von derzeit 85 Mrd. pro Monat auf beispielsweise 65 Mrd. pro Monat reduziert – in gleicher Weise, wie früher in solchen Fällen der Leitzins von 4 auf 4,5 % erhöht worden wäre. Und wenn es dann wieder ein bisschen kriselt, schnellt QE erneut hoch von 65 auf dann beispielsweise 95 Mrd. – entsprechend einer früheren Leitzins-Senkung von 4,5 auf 3,5 %.
Mit herkömmlicher Geldpolitik hat das freilich wenig zu tun: Der Haken besteht darin, dass QE dabei stets weiter läuft – mal stärker, mal schwächer. Es handelt sich daher um einen schleichenden Übergang zu QE-wig.
Und das ist die eigentliche Dreistigkeit. QE kann nur als reine Notmaßnahme in schweren Wirtschaftskrisen wie 2008/2009 gerechtfertigt werden. Betreibt die Fed es an Allzeithochs und tendenziell „dauerhaft“, dann ist es Staatsfinanzierung aus der Notenpresse. Außerdem könnte man QE dann – im Kontext des neuen „Abwertungsweltkriegs“ – als vorsätzliche und eigennützige Dollarentwertung interpretieren. Zum Heil Amerikas und zum Schaden der Restwelt, die bekanntlich größtenteils US-Gläubiger ist.
Die Amerikaner betreiben bei QE offenbar eine Art Salami-Taktik. Sie nehmen sich jedes Mal ein bisschen mehr heraus und versuchen, die Märkte Schritt für Schritt an ihre hochriskante neue Geldpolitik zu gewöhnen – bis sie irgendwann als Dauerzustand akzeptiert wird. Dabei ist auch unter Ökonomen bis heute umstritten, ob QE der US-Wirtschaft überhaupt nützt. Die einzige wirklich nachweisbare Wirkung von QE ist eine Umverteilung von unten nach oben: Reiche werden durch die Inflationierungspolitik noch reicher (Aktien und Vermögenswerte steigen), während die Armen noch ärmer werden (Nahrungs- und Energie-Teuerung – ebenfalls eine Folge der QE-Inflationierung – trifft auf sinkende Reallöhne). Und niemand wagt zu protestieren, weil USA ja die Supermacht ist und als das „gelobte Land“ gilt.
Nicht ohne Grund koppelt die US-Notenbank die Reduzierung ihres Aufkaufprogramms seit etwa einem Jahr unter anderem an die Arbeitslosenquote, obwohl der US-Arbeitsmarkt kaum von QE beeinflusst wird. Dass in USA auch nach vier Jahren fleißigen Gelddruckens und – damit einhergehend – üppiger Neuverschuldung noch immer nicht genügend neue Stellen entstehen, liegt vor allem daran, dass US-Unternehmen die teuren US-Arbeitsplätze nach wie vor in großem Stil in Billiglohnländer wie China verlagern. Ungeachtet dessen streitet Fed-Chef Bernanke kategorisch ab, dass die hohe US-Arbeitslosigkeit strukturelle Gründe habe.
Tapering soll nach aktuellem Stand beginnen, wenn die US-Arbeitslosenquote auf 6,5 % gefallen ist oder die Kernrate der Inflation über 2,5 % steigt (aktuell: 1,73 %, Tendenz fallend). Da aber immer mehr Langzeitarbeitslose aus der Statistik fallen und die Arbeitslosenquote dadurch immer weiter sinkt – obwohl die Zahl der neu geschaffenen Stellen relativ niedrig bleibt – , „droht“ der Fed, dass sie beim Wort genommen wird und schon bald mit Tapering beginnen muss. Das Problem dabei ist: Die US-Wirtschaft hängt an QE wie der Junkie an der Nadel. Ohne QE wäre die US-Wirtschaft womöglich seit 2009 jedes Jahr geschrumpft. QE und die damit indirekt querfinanzierte extreme US-Neuverschuldung schlossen die Lücke, die privates Deleveraging nach 2009 riss.
So verwundert kaum, dass die US-Notenbank nach Einschätzung des Goldman-Sachs-Chefökonomen Jan Hatzius die „Tapering-Schwelle“ bei ihrer Sitzung im März 2014 auf 6 % absenken will. Das ist dann hinreichend niedrig, dass QE zumindest noch ein weiteres Jahr „ungestört“ von der Arbeitslosenquote weiter laufen kann.
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