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Draghi: Deutsche sollen aufhören über 0% Zinsen zu jammern, Aktien brachten doch Gewinne!

Von Claudio Kummerfeld

EZB-Präsident Mario Draghi hatte gestern neben der Ankündigung im Dezember werde es wohl noch mehr gedrucktes Geld geben auch eine mehr als erstaunliche Aussage direkt für den deutschen Sparer parat, der sich, wie er wisse, über die seit Jahren existierenden 0% Zinsen auf Sparbüchern aufrege.

EZB-Rat Draghi
Der EZB-Rat um Mario Draghi.
Foto: Europäische Zentralbank

Mario Draghi hielt gestern eine Rede bei den „European Cultural Days“ in Frankfurt. Erneut machte er u.a. deutlich, dass es der EZB mit ihrer Geldschwemme darum gehe endlich die Inflation in der Eurozone auf 2% raufzudrücken, dass aber der böse Ölpreis dem kräftig entgegenwirke. Wie man dem Grundtenor seiner Rede entnehmen kann, wird die EZB wohl im Dezember beschließen noch mehr Geld zu drucken und somit noch mehr Anleihen am Eurozonen-Kapitalmarkt aufzukaufen. Dies dürfte tendenziell den Euro weiter schwächen.

Draghi´s Knaller für die deutschen Sparbuch-Inhaber

Weil er gestern ja in Deutschland sprach, hatte Mario Draghi noch eine ganz gezielte Aussage für den deutschen Kleinsparer übrig, der so gerne sein Cash auf dem Sparbuch deponiert, und daher direkt von der Zinspolitik der EZB betroffen ist, also aktuell der Nullzins-Politik der EZB. Er verstehe „völlig“ die Bedenken der Sparer, dass die Nullzins-Politik sie unfair treffe, so Draghi.

Für die Sparer seien aber nicht die direkten Erträge (Zinszuflüsse) auf dem Sparbuch entscheidend, sondern die „realen Erträge“, die durch die Nullzins-Politik entstehen würden. Er verwies direkt nach dieser Aussage ausdrücklich darauf, dass die meisten Haushalte in Deutschland ja Aktien besitzen (?) und hier Renditen entstanden seien. Er erwähnte eine aktuelle Studie der Deutschen Bundesbank, die belege dass der tatsächliche Anlageertrag eines typischen deutschen Haushalts seit 2008 bis heute bei 1,5% pro Jahr lag (da ja alle Deutschen Aktien besitzen?).

Damit möchte Mario Draghi wohl für Beruhigung sorgen, da mit einer angenommenen Durchschnittsrendite von 1,5% die Rendite des „deutschen Durchschnittshaushalts“ über der Inflation liegt, die irgendwo über 0 rumdümpelt. 1,5% seien zwar weniger als vor dem Lehman-Zeitalter (2008), aber immerhin noch besser als in den frühen 90er Jahren, so Draghi. Danach brachte er als zweites Argument für die Nullzins-Politik erneut das bisherige Hauptargument, dass ohne Nullzinsen die Eurozone in die Rezession rutschen werde, was Arbeitsplätze kostet uvm. Das Argument ist schon eher nachvollziehbar.

Der deutsche Sparbuch-Inhaber ist einfach zu feige

Aber noch einmal zurück zu dem deutschen Kleinsparer. Die Aussage ist klar. Er soll sich gefälligst nicht so anstellen, denn er besitzt neben seinem Sparbuch ja auch Aktien, und die haben in den letzten Jahren der Nullzins-Politik ja gut zugelegt, so kann man die Worte von Mario Draghi direkt übersetzen. Da darf man gerne mal die Frage stellen, wie die Bundesbank darauf kommt, dass der deutsche Durchschnittshaushalt 1,5% Rendite pro Jahr erzielt hat. Es wird, wie das Wort „Durchschnittshaushalt“ schon aussagt, eine Berechnung sein, die alle deutschen Kapitalanleger in einen Topf wirft und alles einmal kräftig umrührt – am Ende kommen 1,5% Rendite für alle raus.

Ob das etwas mit der Realität etwas zu tun hat, ist eine andere Frage. Denn da gibt es den börsenaffinen Anleger, die fast sein ganzes Geld in Aktien hält, bereit ist hohe Risiken und Verluste in Kauf zu nehmen – er wird sicherlich gute Gewinne gemacht haben. Dann gibt es da aber Millionen von Menschen, die definitiv kein Verlustrisiko eingehen wollen und auf Anlagen wie Bausparen, Sparbuch, Bundesschatzbriefe etc setzen, weil sie eben nicht bereit sind ein Verlustrisiko einzugehen. Diese Gruppe von Menschen liegt bei der Durchschnittsberechnung unter den 1,5%, also eher bei 0% Rendite pro Haushalt pro Jahr!

Und diese Gruppe, also alle Menschen in Deutschland ohne Geldanlagen in Aktien oder Aktienfonds, stellten die klare Mehrheit. Laut Analyse des Deutschen Aktieninstituts für das Jahr 2014 lag die Aktienquote in Deutschland bei 13,1%. D.h. 13,1% der Bevölkerung besaß Aktien oder Aktienfonds. Die Quote ging sogar zurück, weil sich in 2014 ca. 500.000 Menschen aus Aktien bzw. Aktienfonds zurückgezogen haben. Gut, wie aktuelle Erhebungen zeigen, gibt es jetzt in 2015 bei deutschen Anlegern einen starken Zulauf in Aktienfonds. Daher seien wir mal großzügig. Tun wir mal so als würde in 2015 der Anteil der deutschen Bevölkerung, der am Aktienmarkt investiert ist, auf 20% explodieren (seit 2001 immer deutlich unter 20%). Dann hätten immer noch 80% gar keine Aktienanlagen und wären in Mario Draghi´s Beispiel der deutschen Durchschnittsrendite der Teil der Haushalte am unteren Ende, die von „den Renditen“ gar nichts abbekommen, weil sie einfach zu feige waren ein Verlustrisiko einzugehen. Selbst schuld, nicht wahr?


Hier der entscheidende Abschnitt von Mario Draghi´s Rede im Originaltext:

„One concern is low interest rates unfairly punish savers. I fully understand this – low interest rates of course lead to low nominal returns on certain types of assets. But I think the extent of disquiet with the ECB about this issue also reflects some misunderstandings. There are two points in particular I would like to underline.

First, what matters for savers is not nominal returns on liquid assets such as deposits, but real returns – i.e. what those returns actually buy – on the portfolios of assets that most households hold, which include for example shares. An interesting piece of research last month by our colleagues at the Bundesbank [1] showed that the real return since 2008 for German households on a typical private portfolio lay at 1.5%. This was lower than the pre-crisis average, to be sure, but better than in several repeated periods since the early 1990s. showed that the real return since 2008 for German households on a typical private portfolio lay at 1.5%. This was lower than the pre-crisis average, to be sure, but better than in several repeated periods since the early 1990s.

Second, we need to keep in mind why interest rates are so low today. It is not an arbitrary decision of the central bank; it is because the euro area has been in a long and deep crisis where the economy needed low interest rates to recover. And what would happen if we were to raise rates in that environment? The answer is that it would only push us back into recession, which would mean lower incomes and more job insecurity for everyone. And then, the ECB would have to keep interest rates lower for longer to get the economy back on track. None of this would be in the interests of savers in any country.“



Quelle: EZB



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4 Kommentare

  1. Die Massen sollen wieder einmal „gelenkt“ werden: nicht beirren lassen in der jeweils eigenen Strategie, denn abgerechnet wird immer am Ende.

    „Second, we need to keep in mind why interest rates are so low today. It is not an arbitrary decision of the central bank; it is because the euro area has been in a long and deep crisis where the economy needed low interest rates to recover.“

    Versucht da gerade (immer) wieder jemand, sich mit seinen Handlungen selbst aus der Schusslinie zu stehlen?

    „And what would happen if we were to raise rates in that environment?“

    Wer hat sie denn zuvor überhaupt erst gesenkt und was genau wurde denn damit produziert sowie provoziert? Die haben absolute Höhenluft…

  2. Und der ehemalige Arbeitgeber von H. Draghi verkauft dem deutschen Michel dann auch gerne die Aktien zu Höchstkursen.

  3. Unglaublich was dieser Goldman Sachs gefolge von sich gibt während sich EZB Manager vor Zinsentscheiden mit Banken und Hedge Fonds im Vorfeld absprechen damit sie sich entsprechend platzieren können und den Privatanleger täuschen.

    Wer hat diese Institution eigentlich gewählt ?, ich nicht.

  4. Na, wer immer noch Geld auf dem Konto hat, sollte jetzt endlich mal die Rote Karte zeigen und alles runterholen. Mal sehen wie lange es noch so Arrogante Aussagen dann gibt.

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