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“Zu früh, um über eine Pause zu sprechen - Inflation noch viel zu hoch” EZB: Der Kampf um die Frage, wie stark die Zinsen steigen

Das sind die entscheidenen Kriterien bei der Zins-Frage

Zinsen und EZB

Nachdem die Bankenkrise abgeflaut zu sein scheint, wird die Frage, wie hoch die EZB die Zinsen anheben wird, immer drängender. Sorge bereitet den EZB-Notenbankern vor allem die rekordhohe Kerninflation (Preise ohne die volatilen Komponenten Nahrung und Energie) – zumal nun eine Lohn-Preis-Spirale droht (vor allem in Deutschland mit den Forderungen der Gewerkschaften).

Innerhalb der EZB gibt es nach wie vor eine Spaltung: die Vertreter der Nordländer fordern die weitere Anhebung der Zinsen, die Vertreter der Südländer plädieren dagegen für eine Pause. Wer wird sich durchsetzen? Mit Abflauen der Bankenkrise scheinen die Nordländer-Vertreter wieder Oberwasser zu haben – nun ist der niederländische Notenbankchef Knot vorgeprescht und fordert indirekt noch drei Zins-Anhebungen, wie Bloomberg berichtet.

EZB-Ratsmitglied Knot: “Die Inflation ist immer noch viel zu hoch“

Nach der nächsten Anhebung der Zinsen im kommenden Monat Mai muss die EZB nach Ansicht ihres Ratsmitglieds Klaas Knot im Juni und Juli möglicherweise weiter an der Zinsschraube drehen.

“Es ist zu früh, um über eine Pause zu sprechen”, sagte der niederländische Notenbankchef in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit der Zeitung Irish Times. “Für eine Pause müsste ich wirklich eine überzeugende Umkehr der zugrunde liegenden Inflationsdynamik sehen.”

Es wird allgemein erwartet, dass die EZB die Zinsen am 4. Mai erneut anheben wird. Das Tempo der Straffung ist jedoch fraglich, da sich andere Zentralbanken weltweit dem Ende ihres Zinserhöhungszyklus nähern. Bei der Entscheidung, ob die Zinsen um einen viertel oder einen halben Prozentpunkt angehoben werden, werden die Notenbanker nicht nur den Preisdruck, sondern auch die Auswirkungen der jüngsten Stresssituation im Finanzsektor berücksichtigen.

Knot, der zu den Falken im EZB-Rat gehört, sagte, der Umfang des nächsten Zinsschritts werde wahrscheinlich von den Inflationsdaten für April bestimmt, die zwei Tage vor der Sitzung veröffentlicht werden.

Mit den aktuellen Geldmarktwetten auf eine weitere Straffung um 75 Basispunkte fühle er sich “nicht unwohl”, so Knot.

“Wir befinden uns jetzt in einem Bereich, den ich als leicht restriktiv bezeichnen würde, was die Leitzinsen angeht, aber die Inflation ist nicht leicht”, sagte er. “Die Inflation ist immer noch viel zu hoch. Wir brauchen einen ausreichend restriktiven Kurs. Wo ist ausreichend restriktiv? Ich weiß es nicht, aber eindeutig nicht dort, wo wir heute sind.”

EZB-Ratsmitglied Schnabel: „Kann nicht sagen, was wir entscheiden werden“

Das deutsche Mitglied des Direktoriums der EZB, Isabel Schnabel, sagte, dass es aufgrund der hohen Unsicherheit schwierig sei, das Ergebnis der nächsten Zinssitzung vorherzusagen.

„Ich kann Ihnen nicht sagen, was wir bei der nächsten Sitzung und vor allem bei den folgenden Sitzungen entscheiden werden“, sagte Schnabel am Mittwoch am ZEW-Forschungsinstitut in Mannheim, Deutschland.

„Mit den Störungen im Bankensektor ist die Situation noch komplexer geworden“, sagte sie. „Es ist noch wichtiger, dass wir uns alle Daten ansehen, die wir bekommen werden. Es ist wichtig, ob die Unsicherheit im Bankensektor einen zusätzlichen Einfluss auf die Kreditvergabe haben wird.

Die EZB-Mitglieder halten sich mit ihren Vorhersagen über die Entwicklung der Zinsen sehr bedeckt, da sie konkrete Daten über den Schaden abwarten, den die Bankenzusammenbrüche in den USA und der Schweiz für die Eurozone mit ihren 20 Ländern bedeuten.

Man geht davon aus, dass die Entscheidung am 4. Mai zwischen einem Viertel- oder einem halben Prozentpunkt liegen wird. Mehrere Politiker sind der Ansicht, dass die Auswirkungen auf den Finanzsektor begrenzt sein werden und die Inflation zu hoch ist, und weigern sich, den größeren der beiden möglichen Schritte auszuschließen.

Goldman Sachs revidierte diese Woche seine Prognose für den Höhepunkt des geldpolitischen Straffungszyklus auf 3,75 %, nachdem sie diese im Zuge des Bankenstresses gesenkt hatte.

Zinsen werden steigen, wenn Bankenkrise nicht weiter eskaliert

Nach Ansicht von EZB-Ratsmitglied Pablo Hernandez de Cos wird die EZB die Zinsen vor allem dann  weiter anheben müssen, wenn ihre jüngsten makroökonomischen Prognosen nach dem jüngsten Stress im Finanzsektor intakt bleiben.

„Wenn sich das Basisszenario der März-Projektionen bestätigt, haben wir noch viel zu tun, um die Inflation zu bekämpfen“, sagte er auf der Bloomberg-Konferenz New Economy Gateway Europe außerhalb von Dublin.

De Cos, der auch die spanische Zentralbank leitet, sagte, der Umfang des nächsten Zinsschritts werde von den eingehenden Daten und den Auswirkungen auf die Inflation abhängen. „Wie viele Anhebungen und in welchem Umfang diese erfolgen werden, hängt von dieser Einschätzung ab“, sagte er am Mittwoch.

Eine Schlüsselfrage ist die zugrunde liegende Inflation – ein Preismaß, das volatile Posten wie Lebensmittel und Energie ausschließt. Die Inflationsrate ist hartnäckig hoch geblieben, selbst nachdem die EZB die Zinsen seit Juli letzten Jahres um 350 Basispunkte angehobent hat. Die Daten für April werden zwei Tage vor der nächsten Zinsentscheidung der EZB erwartet.

De Cos sagte, die Geldpolitik der EZB werde davon abhängen, „wie sich die zahlreichen und unterschiedlichen Risikoquellen im Zusammenhang mit den Entwicklungen auf den Finanzmärkten in den letzten Wochen materialisieren“.

Obwohl die Uneinigkeit unter den Zinssetzern in letzter Zeit zugenommen hat, sieht er immer noch starke Mehrheiten für die Entscheidungen.

„In sehr schwierigen Momenten erreichen wir immer einen sehr breiten Konsens“, sagte de Cos. „Ich erwarte, dass dies auch in den folgenden Quartalen der Fall sein wird“.

Einige Ratsmitglieder befürworten dabei noch immer einen erneuten großen Schritt.

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Im Vorfeld der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds vergangene Woche konzentrierten sich die Äußerungen zunehmend darauf, dass sich die stärkste geldpolitische Straffung in der Geschichte der EZB ihrem Ende nähere — ein Prozess, der durch die Bankenzusammenbrüche in den USA und der Schweiz wahrscheinlich beschleunigt wurde.

Obgleich die Geldpolitiker in Washington die Gefährdung der Kreditvergabe und des Wirtschaftswachstums durch die jüngsten Turbulenzen im Finanzsektor einräumten, gab es doch auch Zuversicht, dass die Eurozone relativ ungeschoren davonkommen könnte.

EZB hat Zinsen so schnell erhöht wie noch nie

Dies würde es der EZB ermöglichen, sich wieder voll und ganz auf die Inflation zu konzentrieren, insbesondere auf den zugrundeliegenden Preisdruck, der fast dreimal so hoch ist wie das 2%-Ziel und sich weiter beschleunigt.

Der belgische Zentralbankchef Pierre Wunsch sprach von einem “starken Konsens”, dass die Znsen weiter angehoben werden müssen. Bei der Sitzung im nächsten Monat werde die Entscheidung wahrscheinlich eine zwischen 25 oder 50 Basispunkten sein.

Ein weiterer “schlechter Wert” für die Kerninflation könnte die Entscheidung in Richtung einer größeren Erhöhung kippen, sagte er.

Die Ansicht, dass der Einlagensatz der EZB weiter angehoben werden muss, stößt auf breite Zustimmung. Seit letztem Sommer wurde er um 350 Basispunkte erhöht — auf mittlerweile 3%.

Bundesbankpräsident Joachim Nagel betonte, dass “es noch viel zu tun” gebe. Litauens Notenbankchef Gediminas Simkus sagte, die EZB sei “noch nicht fertig”. Um den nötigen Umfang des nächsten Zinsschritts abzuschätzen ist es nach Ansicht beider EZB-Räte noch zu früh.

Robert Holzmann indessen stellte eine Zinsanhebung um einen halben Prozentpunkt für Mai als möglich in den Raum und verwies dabei auf die hartnäckige Kerninflation. Österreichs Nationalbankchef gilt im EZB-Rat als größter Falke.

Hilfreich bei einer stärkere Straffung zur Inflationseindämmung wäre, wenn Europa ohne größere Schäden aus dem Chaos im Bankensektor herauskommt. Einige EZB-Räte halten dies für möglich, während der IWF diesbezüglich skeptischer ist.

“Es ist schwierig, die Auswirkungen einer strafferen Geldpolitik von den Sorgen um den Bankensektor zu trennen”, sagte Bostjan Vasle aus Slowenien. “Die Auswirkungen der Situation bei der Credit Suisse auf die Kreditvergabe der Banken im Euroraum sind wahrscheinlich aber marginal.”

Sein estnischer Kollege im EZB-Rat zeigte sich ähnlich zuversichtlich. “Es gibt keinen Grund für uns anzunehmen, dass die Bankenturbulenzen in den USA und der Schweiz die Aussichten für den Euroraum verändern”, sagte Madis Müller. “Wir müssen wachsam sein, doch derzeit gibt es keinen Grund, unseren geldpolitischen Kurs zu ändern.”

EZB-Vertreter aus Südländern plädieren für Vorsicht bei Zinsen

Portugals Notenbankchef Mario Centeno sprach sich jedoch gegen eine stärkere Anhebung aus und für eine Entscheidung zwischen einem Zinsschritt um 25 Basispunkte und einer Pause. “Ich sehe überhaupt keinen Grund, mehr zu tun”, sagte er im Gespräch mit Bloomberg. “Wir zielen auf die Gesamtinflation ab – nicht auf die Kerninflation.”

Ignazio Visco aus Italien schlug einen ähnlichen Ton an und argumentierte, die bisherige Straffung der Geldpolitik müsse erst noch ihre volle Wirkung entfalten. “Die Unsicherheit ist sehr groß und wir müssen sehr vorsichtig sein”, sagte er gegenüber CNBC. “Wir müssen zeigen, dass wir entschlossen, aber auch geduldig sind.”

FMW/Bloomberg



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1 Kommentar

  1. Die Vertreter der Südländer sind ja die größten Helden! Wenn die Inflation zu hoch liegt, ist plötzlich nicht mehr die Kerninflation sondern die Gesamtinflation relevant. Ist die Inflation nun niedrig, ist die Kerninflation auf einmal wichtig und die Gesamtinflation nicht der Rede wert, und das man sofort weitere Anleihenkäufe braucht.

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