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Treffen in Jackson Hole EZB-Rat: Abwärtsrisiken für Wirtschaft werden jetzt Realität

EZB-Rat Centeno sagt in Jackson Hole, dass die bekannten Abwärtsrisiken für die europäische Wirtschaft jetzt tatsächlich eintreten.

Am 14. September entscheidet die EZB wieder wieder über die Höhe der Zinsen. Eine weitere Anhebung um 25 Basispunkte von derzeit 4,25 % auf 4,50 % im Leitzins wird allgemein erwartet. Aber kommt es auch so? Es gibt einige negative konjunkturelle Vorzeichen wie die jüngst sehr negativen Einkaufsmanagerdaten in Europa. Aktuelle Aussagen der EZB deuten darauf hin, dass man sich dessen bewusst ist, und eventuell auf weitere Zinsanhebungen verzichten möchte.

EZB-Rat Centeno: Risiken treten jetzt ein

Nach Ansicht von Mario Centeno, Mitglied des Rates der EZB, sollten die Währungshüter bei der Entscheidung über die nächsten geldpolitischen Schritte vorsichtig sein, da die zuvor identifizierten Risiken für die Wirtschaft nun Realität werden. Die Übertragung der Straffungskampagne der EZB sei “in vollem Gange”, und die Inflation sei schneller zurückgegangen als gestiegen, sagte Centeno gegenüber Bloomberg TV auf dem jährlichen Symposium in Jackson Hole, Wyoming.

Eine Schlüsselfrage, die die EZB-Verantwortlichen beantworten müssten, sei, inwieweit sich die Wirkung erst noch entfalten werde, so Centeno. “Wir müssen dieses Mal vorsichtig sein, weil die Abwärtsrisiken, die wir im Juni in unserer Prognose identifiziert haben, eingetreten sind”, sagte Centeno, der die portugiesische Zentralbank leitet. “Dies ist eine Umkehrung dessen, was während der Pandemie-Erholung geschah, denn normalerweise wurden wir nach oben hin überrascht.” Hintergrund der Äußerungen sind Abwägungen der EZB-Vertreter, ob sie bei ihrer nächsten Sitzung im September eine Pause bei der historischen Zinserhöhungskampagne einlegen, oder ob ein weiterer Schritt gerechtfertigt ist.

Die wirtschaftlichen Aussichten für den Euroraum haben sich in letzter Zeit verschlechtert, was darauf hindeutet, dass die seit Juli 2022 vorgenommenen Zinserhöhungen um 425 Basispunkte ihre Wirkung zeigen. Während der Euroraum bisher von einer Rezession verschont geblieben ist, kommt Deutschland nach einem Abschwung im Winter nicht in Schwung.

Wirtschaftsstabilisator

Eine in dieser Woche veröffentlichte Umfrage unter Einkaufsmanagern des Euroraums ergab, dass sich der Rückgang der Wirtschaftstätigkeit im privaten Sektor im August verschärft hat. Das veranlasste die Anleger, darauf zu wetten, dass die EZB im nächsten Monat in der geldpolitischen Straffung eine Pause einlegen wird.

“Wir müssen begreifen, dass die Geldpolitik ein Stabilisator für die Wirtschaft sein muss”, sagte Centeno. “Wir müssen diese Zahlen berücksichtigen.” Es gibt auch immer mehr Anzeichen dafür, dass die Kerninflation, das von der EZB derzeit bevorzugte Maß für Preissteigerungen, ihren Höhepunkt erreicht hat. Die Inflationsrate, bei der Posten wie Energie und Lebensmittel ausgeklammert werden, lag im Juli bei 5,5%, und der Wert für diesen Monat wird am 31. August erwartet.

“Bis zur Entscheidung im September stehen noch viele Daten an”, sagte Centeno, der zu den Tauben im EZB-Rat gehört. “Wir haben eine neue Prognose. Diese Prognose wird uns genau zeigen, wie die Übertragung unserer Entscheidungen auf die Inflation und die Wirtschaft aussieht.” EZB-Präsidentin Christine Lagarde könnte in Jackson Hole Hinweise auf den voraussichtlichen geldpolitischen Kurs geben.

Kommentar

FMW: Wenn man bedenkt, dass die deutsche Wirtschaft stagniert, und dass die deutschen wie europäischen Einkaufsmanagerdaten schon düster aussehen, wäre eine Zinspause wohl mehr als angebracht? Denn man bedenke: Zinserhöhungen wirken wohl mit gut einem Jahr Verzögerungszünder auf die Realwirtschaft. Die Zinsschritte der nächsten Monate sind also noch gar nicht in der Wirtschaft angekommen. Und abgesehen von der wirtschaftlichen Entwicklung: Die eigentliche Aufgabe der EZB ist nun mal die Preisstabilität – und zahlreiche Indikatoren deuten auf einen Rückgang der Inflation hin.

EZB-Rat Mario Centeno
EZB-Rat Mario Centeno in Jackson Hole. Photographer: David Paul Morris/Bloomberg

FMW/Bloomberg



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