Gestern hatte EZB-Chefin Lagarde angekündigt, die Inflation bekämpfen zu wollen, „komme was wolle“ – nun wollen einige Notenbanker die Bilanzsumme noch schneller reduzieren als bisher geplant. Die Wirtschaft der Eurozone zeigt unterdessen Schwächezeichen – aber die EZB wird offenkundig immer aggressiver in ihrer Absicht, die Inflation nach unten zu bringen.
EZB: Falken wollen Bilanzsumme noch stärker reduzieren
Einige Falken im Rat der EZB denken über Möglichkeiten nach, den fünf Billionen Euro schweren Bestand der Institution an Anleihen schneller abzubauen. Das berichten mit der Diskussion vertraute Kreise.
Zu den Optionen für eine Beschleunigung des bereits laufenden Abbaus gehören zum einen der aktive Verkauf von Beständen, zum anderen der allmähliche Stopp der Wiederanlage von auslaufenden Posten aus dem Pandemie-Kaufprogramm der Bank, heißt es.
Im EZB-Rat habe darüber noch keine formelle Diskussion stattgefunden, und eine Entscheidung stehe nicht unmittelbar bevor, hieß es. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab.
Ein solcher Schritt würde die Rückführung vergangenener Konjunkturmaßnahmen der EZB weiter vorantreiben und sollte damit den Kampf gegen die Inflation unterstützen. Bisher versuchen die Währungshüter, die Inflation hauptsächlich durch eine beispiellose Serie von Zinserhöhungen wieder auf 2% zu bringen.
Nachdem die EZB ihre Nettokäufe von Anleihen eingestellt hatte, begann sie im März damit, die Bilanz zu verkleinern, indem sie durchschnittlich 15 Milliarden Euro pro Monat abfließen ließ, anstatt die Erlöse wie bisher wieder anzulegen. Im nächsten Monat wird sie die Reinvestitionen vollständig einstellen und damit das Abbautempo etwa verdoppeln.
Bei einer Bilanzsumme von immer noch mehr als 7 Billionen Euro sind die Auswirkungen dieses Prozesses jedoch relativ gering. Ein größerer Rückgang ergibt sich aus der Rückzahlung der billigen langfristigen Kredite, die die EZB während der Pandemie an Banken vergeben hat. Allein in dieser Woche werden mehr als 500 Milliarden Euro fällig.
Aktive Verkäufe von Wertpapieren aus dem 3,2 Billionen Euro schweren Programm zum Ankauf von Vermögenswerten könnten ein logischer nächster Schritt sein, wenn diese sogenannten gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (besser unter dem englischen Akronym TLTRO bekannt) Ende 2024 vollständig zurückgezahlt wurden, hieß es.
Allerdings würden solche aktiven Verkäufe dazu führen, dass bisher nur auf dem Papier stehende Verluste realisiert würden. Die Anleihen wurden in der Niedrigzinsära gekauft und haben wegen der stark gestiegenen Renditen deshalb am Sekundärmarkt massiv an Wert verloren. Auch wenn die EZB nicht gewinnorientiert arbeitet, würden hohe Verluste und Spekulationen über eine Rekapitalisierung doch öffentliche Empörung hervorrufen.
Dennoch sehen einige Insider solche Verkäufe als attraktiver an als die Reduktion des separaten Pandemie-Portfolios PEPP, das noch bei 1,7 Billionen Euro steht. Denn Wiederanlagen im Rahmen dieses Programms sind für den Einsatz bei Anzeichen übermäßiger Marktanspannung in einzelnen Euro-Ländern vorgesehen.
FMW/Bloomberg
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Aber wie lange kann sich die EZB diesen Kurs leisten?
Ich kann mir denken dass viele Staaten in der EU Aufgrund der gestiegenen Zinsen schon massiv belastete Haushalte haben und für den Green Deal oder andere Transformationen bräuchte es ja eigentlich große Investitionsspritzen. Woher soll das Geld dafür kommen wenn man die Bilanz abbaut?
Weiters wär noch zu erwähnen ob die Inflation tatsächlich auf ein 2% Niveau zurückkommen kann, vieles ist ja strukturell bedingt, Fachkräftemangel, Demographie, neue Entstehung von Lieferketten usw.
Gratulation, die EZB Chefin hat den Ernst der Lage um den Euro erkannt. Die beiden Vorgänger, Junker und Draghi haben dieses Problem eingebrockt. Dieser sinnlose Krieg, die Ukraine war immer ein „schwieriges Land“. Die Abhängigkeit von Amerika Fonds Gesellschaften. Der erfolgreiche amerikanische Investor Rai Dalio beschreibt in seinen Büchern, sehr eindrucksvoll die Zyklen und die Geschichte die sich hoffentlich nicht wiederholt!
@ Hermann, die ungeliebte Wahrheit ist leider , dass jede Übertreibung nur durch Übertreiben in die Gegenrichtung repariert werden kann. Man hat das Spiel zu lange übertrieben mit dem Geldfluten nach der Finanzkrise und Corona. Leider gab es dann viele HOCHQUALIFIZIERTE FINANZPROFIS die meinten, gerade wegen der immensen Verschuldung könnten die Zinsen nie mehr steigen.
( Solches möchte ich von meinem Bänker auch hören )
Jetzt wird die Schuldenmacherei von der Realität eingeholt. Jetzt könnte es lustig werden. Die Amis müssen tonnenweise neue Gelder aufnehmen und die Sicherheit der USA hat gelitten wegen der Abhängikeit des Dollars der Geberländer. Sogar Ray Dalio rät von USAnleihen ab.Die Amis werden Mühe haben auf Kosten der Restwelt zu leben wenn die Schulden wegen Sanktionen und Enteignung von Vermögen nicht mehr sicher sind.Also ein Grund für höhere US Zinsen oder weiteres Gelddrucken.
Aber auch komisch , Ray Dalio empfiehlt Aktien und Gold. Aber lieber Ray Dalio, ich gebe dir noch einen Gratistipp, spätestens wenn die US Bonds 8% rentieren und das R- Wort in aller Munde ist werden die Bonds gekauft und deine Aktienkurse schmelzen wie Schnee an der Sonne.
Relevant werden aktive Verkäufe spätestens dann, wenn die Inflation nicht wie derzeit alle annehmen „signifikant“ zurückgeht sondern hoch bleibt oder vielleicht sogar wieder ansteigt. Sofern die Zentralbanken dann nicht Zinsen von 6% oder 7% sehen wollen, wird man auf diese Verkäufe zurückgreifen müssen. Wobei beispielsweise die Bank of England dann die schlechteste Position hätte, da ihr (verkaufbares) Portfolio relativ klein ist.
Die Verluste aus den Anleihebeständen treten so oder so ein, egal ob man aktiv verkauft oder bis Endfälligkeit hält. Wenn man zu Kursen weit über 100% gekauft hat, nutzt das nichts da immer nur zu 100% zurückgezahlt wird.
Die „schöne“ Bilanz. Die „schöne$ Bilanz die Draghi gegen den erbitterten Widerstand der Deutschen so „schön“ aufgebaut hat.
Erinnert sich hier noch einer an die Bilanz bei Draghis Amtsantritt…? Nein? Sie lag bei einem Bruchteil von heute.
Gegen den erbitterten Widerstand der Deutschen hat er erst die Zinsen gesenkt, immer weiter bis in den Null- Bereich und dann auch noch massiv Staatsanleihen aufgekauft.
„Niemand hat das Recht auf hohe Zinsen “ …Das sagte Draghi mal in einem Artikel im „Spiegel“ . Gemeint waren natürlich die Deutschen.
Die Deutschen mit ihrer ständigen Nörgelei. Erst haute Axel Weber in den Sack, dann Jürgen Stark, dann Jens Weidmann und zum Schluss die Sabine Lautenschläger.
Dann war man die Deutschen endlich los, man hatte sie gezähmt. Diese ständigen Nörgler mit ihrem Schwadronieren von Geldwertstabilität.
Wissen Sie noch wie hoch die deutsche Umlaufrendite bei Amtsankündigung Draghi war? Amtsankündigung nicht Amtsantritt.
Nein? Bei über 3,25 Prozent ,im Frühjahr 2011. 3,25 Prozent…erzielt noch unter Trichet, damals kurz vor Ostern.
Dem stand eine Inflation von knapp 2 Prozent gegenüber. Das war das letzte Mal das eine positive Realverzinsung in Deutschland erzielt wurde, merken Sie sich diesen Tag, den 20.April 2011 .
So schnell wird eine positive Realverzinsung nicht mehr erzielt werden in Deutschland.
Das ist die bittere Wahrheit.
Wir leben in einer Welt voller negativen Realzinsen.
Das beste Beispiel ist der freche Werbespot der Deutschen Bank: „3 Prozent Zinsen“ ( bis vor wenigen Tagen gerade mal 2,75 Prozent).
Wo der komische Familienvater guckt wie als müsste er mal auf’s Clo.
3 Prozent Zinsen bei einer durchschnittlichen Inflation von gut 5,5 Prozent im Jahresschnitt, wenn’s gut läuft. Wahrscheinlich deutlich mehr.
Merken Sie sich jenen Tag im April 2011. Das ist jetzt über 12 Jahre her. Ich könnte mir gut vorstellen das wir weitere 12 Jahre warten müssen, um wieder positive Realzinsen zu sehen.
Aber dazu müsste die Bundesbank wieder das Zepter in der EZB führen…Wie wahrscheinlich ist das….? …