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EZB-Zinserhöhung: Kommentare von Experten

EZB-Tower

Die EZB hat alle drei Zinssätze heute um je 25 Basispunkte angehoben. Und weitere Zinserhöhungen stehen an. Also macht Lagarde weiter Druck, während die Federal Reserve offenbar ihre Zinserhöhungen beendet hat. Schauen wir an dieser Stelle auf die Aussagen verschiedener Experten nach der heutigen EZB-Entscheidung.

Dr. Jörg Krämer

Hier der Headline-Kommentar von Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank: Nach sieben Zinserhöhungen um insgesamt 375 Basispunkte gab sich Lagarde auf der heutigen Pressekonferenz entschlossen, dass der Zinserhöhungsprozess noch nicht beendet ist. Auf der anderen Seite betonte sie, dass die bisherigen Zinsschritte zu wirken beginnen. Wir erwarten weiter, dass die Zinserhöhungen im Sommer enden. Die vielen Tauben im EZB-Rat dürften am Ende die rasch sinkende Inflation als Argument nutzen, dass die noch hohe unterliegende Inflation mittelfristig ebenfalls fallen wird.

Thorsten Polleit

„Die EZB zieht Leitzins an – doch ihr Eifer lässt nach“, so die Headline von Dr. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel GmbH. Hier seine Aussagen auszugsweise: Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat den Leitzins (zum 10. Mai 2023) um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent angehoben, der Einlagenzins wird bei 3,50 Prozent liegen, der Spitzenrefinanzierungszins bei 4,0 Prozent. Im März 2023 hatte die EZB den Zins noch um 0,5 Prozentpunkte angehoben – der Eifer, die Hochinflation in den Griff zu bekommen, lässt also bereits nach.

Die EZB wird ihr APP-Portfolio zurückführen, und sie wird die Re-Investition der Tilgungsbeträge ab Juli 2023 einstellen. Die Tilgungen, die der EZB auf ihrem PEPP-Portfolio zugehen, werden jedoch bis Ende 2024 weiter reinvestiert. Die kleine Zinserhöhung am 4. Mai wird mit der anhaltenden Hochinflation begründet. Gleichzeitig aber erkennt der EZB-Rat auch (erhebliche) Risiken für die Euro-Konjunktur an.

EZB-Präsident Christine Lagarde zufolge wird die Bank fortan den Zins „datenabhängig“ setzten. Das wiederum sollte die Aussichten auf weitere Zinserhöhungen zumindest trüben. Zwar sollte man sich nicht nur auf einen Indikator verlassen, aber die Entwicklung der realen (d. h. inflationsbereinigten) Geldmenge M1 sollte aufhorchen lassen: Die reale Geldmenge hat einen Vorlauf von etwa vier Quartalen vor der Konjunkturlage im Euroraum.

Die monetäre Entwicklung deutet auf einen ganz erheblichen Abschwung hin. Die Zinserhöhungen, mit denen die Inflation in die Knie gezwungen werden soll, wird also wahrscheinlich die Wirtschaft abschwächen, wenn nicht gar in eine (scharfe) Rezession führen. Frau Lagarde signalisierte in der Pressekonferenz zwar, dass die EZB ihre Serie der Zinserhöhungen als noch nicht als beendet ansieht (“We have more ground to cover and we are not pausing“ … “That’s extremely clear.”). Jedoch ist unsere Einschätzung, dass die wirtschaftlichen Umstände im Euroraum in den kommenden Monaten die Wahrscheinlichkeit für weitere Zinserhöhungen stark absenken; vermutlich gibt es wohl nur noch (wenn überhaupt) im Juni eine Möglichkeit für einen kleinen weiteren Zinsschritt.

Bundesverband deutscher Banken

Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, schreibt: Es ist richtig, dass die EZB an ihrer entschlossenen Bekämpfung der hartnäckigen Inflation festhält. Mit ihrem heutigen Zinsschritt von 25 Basispunkten geht sie nun in die geldpolitische Feinsteuerung. Die Leitzinsen liegen deutlich über 3 Prozent und die einzelnen Zinsschritte brauchen Zeit, um zu wirken. Die Zinserhöhungen der EZB dürfen damit aber noch nicht beendet sein, denn die Preise im Euroraum sind nach wie vor zu hoch. Je länger die Inflation auf diesem Niveau bleibt, desto einschneidender sind die Belastungen für Bürger, Unternehmen und die wirtschaftliche Entwicklung. Die EZB muss so lange weitere Zinsschritte in Aussicht stellen, bis eine verlässliche Beruhigung bei den Inflationserwartungen und der Preisentwicklung zu erkennen ist.

Bloomberg

„EZB kündigt trotz Verlangsamung weitere Zinsschritte an“, so die Headline der aktuellen Bloomberg-Berichterstattung zur Zinserhöhung der EZB. Hier die Aussagen im Wortlaut: In ihrer geldpolitischen Straffungskampagne zur Eindämmung der Inflation hat die Europäische Zentralbank die bislang geringste Zinserhöhung vorgenommen. Die Währungshüter deuteten dabei an, dass weitere Zinsschritte folgen dürften. Der Rat hob den Einlagensatz am heutigen Donnerstag um einen Viertelprozentpunkt auf 3,25% an, nachdem er ihn dreimal in Folge um das Doppelte erhöht hatte. Die Entscheidung entsprach den Erwartungen von Händlern und den meisten Ökonomen.

“Die zukünftigen Beschlüsse des EZB-Rats werden dafür sorgen, dass die Leitzinsen auf ein ausreichend restriktives Niveau gebracht werden, um eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen 2%-Ziel zu erreichen”, hieß es in der Mitteilung der Notenbank. “Bei der Festlegung der angemessenen Höhe und Dauer des restriktiven Niveaus wird der EZB-Rat auch künftig einen datengestützten Ansatz verfolgen.”

“Wir haben noch viel vor uns, und wir werden nicht innehalten”, sagte Präsidentin Christine Lagarde auf einer Pressekonferenz. “Das ist ganz klar.” Sie beschrieb die Entscheidung im Rat als “fast einstimmig” — einige Mitglieder hätten einen größeren Schritt befürwortet. Als mögliches Zugeständnis an die Falken im EZB-Rat wurde angekündigt, die APP-Reinvestitionen voraussichtlich ab Juli einzustellen.

Die Verringerung der Anleihebestände von rund 5 Billionen Euro um 15 Milliarden Euro pro Monat seit März hat keine Verwerfungen auf den Finanzmärkten verursacht. Von Bloomberg befragte Analysten hatten allerdings nur eine graduellere Beschleunigung des Abbaus erwartet. Die Reinvestitionen im Rahmen der separaten PEPP-Initiative werden laut Lagarde wie geplant mindestens bis 2024 fortgesetzt. Am Geldmarkt wurden nach der EZB-Entscheidung Zinserhöhungswetten gestutzt. Der Zinsgipfel wird nun bei 3,70% im September gesehen. Vergangene Woche war man noch von einem Maximalniveau im Zyklus von 3,90% ausgegangen.

Die Sicht von Bloomberg Economics: “Die Temporeduktion auf 25 Basispunkte, verbunden mit einer nur lockeren Zusage, mehr zu tun, signalisiert eine wichtige Veränderung des geldpolitischen Ausblicks der EZB. Wir gehen davon aus, dass der Zinserhöhungszyklus im Juni enden wird, vorausgesetzt, die Inflationsdaten lassen dies zu. Eine Anhebung im Juli bleibt möglich.”  -Jamie Rush, Chefvolkswirt für Europa

Die Teuerung im Euroraum liegt inzwischen deutlich unter ihrem Höchststand vom Oktober und die Kerninflation ist erstmals seit 10 Monaten rückläufig. Die Arbeit der EZB ist jedoch noch nicht ganz abgeschlossen: Märkte und Analysten gehen davon aus, dass noch zwei weitere Schritte von je 25 Basispunkten folgen werden.

In den USA hat die Federal Reserve die Zinsen am Mittwoch zum zehnten Mal in Folge angehoben. Angesichts neuer Unsicherheit in Bezug auf den Bankensektor deutete sie dabei jedoch die Möglichkeit einer Straffungspause an.

Lagarde sagte, es bestünden weiterhin “erhebliche” Aufwärtsrisiken für die Inflationsaussichten. “Dazu gehört der bestehende Druck in der Pipeline, der die Einzelhandelspreise in naher Zukunft höher als erwartet steigen lassen könnte”, sagte sie. “Die jüngsten Lohnabschlüsse haben die Aufwärtsrisiken für die Inflation erhöht, insbesondere wenn die Gewinnspannen hoch bleiben.”

Neben den Preissteigerungen im April wurden im Vorfeld der Ratssitzung auch Daten veröffentlicht, die ein langsameres Wirtschaftswachstum in der Eurozone zeigten sowie strengere Kreditbedingungen, was das Wachstum zusätzlich gefährdet. Die Währungshüter haben das Lohnwachstum schon seit langem im Auge, achten aber auch verstärkt auf die Gewinnspannen der Unternehmen, die sich während des Inflationsschocks ausgeweitet haben und den Preisdruck aufrechterhalten könnten.

FMW/Bloomberg



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