Der Großhandels-Gaspreis am Terminmarkt (Dutch TTF-Kontrakt) ist alleine gestern Abend so kräftig angestiegen, dass gestern ein Tagesplus von 11,97 Prozent entstanden ist. Heute Vormittag geht es weiter bergauf mit +3 Prozent auf 182 Euro. Auslöser dieser neuen Rally ist Gazprom. Durch Verknappung des Angebots von Gas eskaliert man den globalen Wettbewerb zwischen den Nachfragern.
Gaspreis steigt nach Gazprom-Reduzierung der Mengen bei Nord Stream 1
Wo es in den letzten Tagen endlich mal entspannt aussah bei den Lieferungen von Gas durch die Ostseepipeline Nord Stream 1, und wo auch für den Gaspreis eigentlich Entspannung angesagt war, da wurde diese kurze kleine Glückseligkeit gestern Nachmittag ruckartig beendet. Gazprom meldete, dass man den Gasfluss ab dem morgigen Mittwoch halbieren wird, von jetzt noch 40 auf 20 Prozent der möglichen Kapazität. Erneut begründete man dies mit technischen Problemen am Ausgangspunkt von Nord Stream 1 an der russischen Küste nahe Sankt Petersburg.
Die Betriebsdauer eines Triebwerkes sei in der Zeit bis zur nächsten Generalüberholung abgelaufen. Das Triebwerk könne gemäß Vorschriften nicht betrieben werden. Die Tagesleistung der Verdichterstation Portowaja (Ausgangsstation an der russischen Küste) werde ab Mittwoch früh 7 Uhr Moskauer Zeit bis zu 33 Millionen Kubikmeter Gas ausmachen, so Gazprom in seiner Mitteilung. Und der Gaspreis reagierte prompt mit einem schnellen Anstieg. Weniger Gas kommt nach Europa, die Angst vor einer Verknappung und bis zum Winter nicht genug gefüllten Gasspeichern steigt wieder an. Übrigens: Das Bundeswirtschaftsministerium reagierte bereits gestern Abend auf die Ankündigungen von Gazprom. Man sehe keine technischen Gründe für eine Reduzierung der Gaslieferungen über Nord Stream 1.
Globaler Kampf der Nachfrager
Und nach dieser Nachricht von Gazprom wird jetzt umso mehr klar: Die europäischen Einkäufer von Gas werden sich in den nächsten Wochen und Monaten noch stärker als ohnehin schon darauf konzentrieren mehr Flüssiggas (LNG) auf dem Weltmarkt einzukaufen. Damit tritt man in Konkurrenz zu den großen asiatischen Nachfragern. Einfaches Prinzip: Die amerikanischen Lieferanten verkaufen dorthin, wo höhere Preise geboten werden. Können die Europäer mehr zahlen als Pakistan etc, erhält man den Zuschlag für die Tankerladungen mit LNG. Weitere Anstiege im Gaspreis sind daher gut möglich.
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Expertenkommentar
Der Experte Stephen Stapczynski bringt es kurz und knapp auf den Punkt. Russlands jüngster Schritt die Erdgaslieferungen nach Europa zu kürzen, verschärfe den weltweiten Wettbewerb um LNG. Asiatische Importeure würden nun ihre Pläne beschleunigen LNG-Ladungen für den Winter zu kaufen, weil sie befürchten, dass Europa Gas horten wird. Stephen Stapczynski erinnert daran, dass die globalen Gasmärkte aufgrund der dramatischen Ausweitung von Flüssiggas (LNG) stärker miteinander verbunden seien als je zuvor. Wenn Russland also die Gaslieferungen nach Europa kürzt, würde ein höherer Gaspreis und Engpässe von Asien bis Südamerika drohen.
Remember: Global gas markets are more connected than ever before because of the dramatic expansion of LNG
🇷🇺 So when Russia cuts gas supply to Europe, it threatens higher prices and shortages from Asia to South America
— Stephen Stapczynski (@SStapczynski) July 26, 2022
Kursverlauf im Dutch TTF-Gaspreis seit Anfang Mai.
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