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Hongkong: Erfahrungsbericht eines Anhängers der Demokratiebewegung

Hongkong ist ein Polizeistaat geworden. Aus der vormals friedlichen Stadt hat sich eine Gefahrenzone für die Bevölkerung Hongkongs entwickelt. Innenansichten aus einer verzweifelten Stadt

Das Nationale Sicherheitsgesetzt für Hongkong wurde in einer Vorabstimmung mit einer Mehrheit von 2039:1 Stimmen verabschiedet. Die eine Gegenstimme soll zeigen, dass China eine Demokratie ist und fair abgestimmt hat. Die „Wahl“ wird in der Nacht zum Donnerstag (deutscher Zeit) stattfinden.

Erfahrungsbericht aus Hongkong aus der Woche der Entscheidung

Was ist seit den Protesten im letzten Jahr passiert?
Nicht erst seit dem Versuch im letzten Jahr das Auslieferungsgesetz in Hongkong einzuführen, herrscht ein großes Misstrauen gegenüber der Kommunistischen Partei Chinas. Niemand traut dem chinesischen Rechtssystem. Gleichzeitig befürchten wir, dass die Hongkonger Regierung das Auslieferungsgesetz nutzt, um Hongkonger nach China auszuliefern. Das ist der Grund, warum wir lautstark protestieren. Die Situation hat sich dieses Jahr weiter dramatisch verschlechtert. Vor knapp zwei Wochen wurde im Hongkonger Parlament ein Teil der pro-demokratischen Regierungsmitglieder durch pro-chinesische ausgetauscht. Es ist mittlerweile deutlich, dass die Regierung von Hongkong zu 100 % von Chinesen kontrolliert wird.

Die Stadt ist ein Polizeistaat geworden: Aus der vormals friedlichen Stadt hat sich eine Gefahrenzone für die Bevölkerung Hongkongs entwickelt. Die Kommunistische Partei hat der Hongkonger Polizei einen Freifahrtsschein erteilt, mit Gewalt und Waffen gegen die eigene Bevölkerung und allen Journalisten vorzugehen. Über 10.000 wurden verhaftet, mehr als tausend Hongkonger sind während den Demonstrationen im letzten Jahr verschwunden – und mehr als 2500 Menschen sind angeblich an „Selbstmord“ umgekommen. Die Zahl hat sich innerhalb eines Jahres im zweistelligen Prozentbereich erhöht.

Worum geht es im Gesetz über die nationale Sicherheit?

Jetzt setzt die Kommunistische Partei Chinas in Hongkong das Nationale Sicherheitsgesetz durch und umgeht damit den Legislativrat. Das Gesetz zur nationalen Sicherheit beinhaltet:
1. Die KPCh wird ihre Sicherheitsbehörde in der Stadt einrichten.
2. Die KPCh sendet ihre eigene Geheimpolizei nach Hongkong
3. Ein Verbot an die Hongkonger-Zivilgesellschaft, internationale Kampagnen durchzuführen. Jeder Versuch die USA, Großbritannien und andere Länder um Unterstützung zu bitten, wird strafrechtlich verfolgt
4. Bestrafung von Akten der Sezession, der Subversion, des organisierten Terrorismus und der ausländischen Intervention
5. Nationale Sicherheitserziehung einführen: Das bedeutet, dass Kinder ab dem Kindergarten dazu erzogen werden, treu als kommunistische Anhänger zu dienen.

Was geschah, als die Kommunistische Partei Chinas ankündigte, dieses Gesetz in unserer Stadt auf den Weg zu bringen?
Der Hang Seng Index fiel am ersten Handelstag nach der Ankündigung um 1350 Punkte. Laut Forbes Statistik, hat der Hongkonger Milliardär Richard Li Ka-Shing an einem Tag 108 Millionen USD verloren. Das hiesige Immigrationsamt hat erklärt, dass die Anträge der Hongkonger auszuwandern sich mittlerweile verzehnfacht hätten. Heute hat die taiwanesische Präsidentin in einem Interview mitgeteilt, dass Sie bereit ist, allen Hongkonger-Flüchtlingen ein Aufenthaltsrecht zu gewähren. Die britische Regierung denkt über eine ähnliche Lösung nach.

Auf der anderen Seite gehen wir immer noch auf die Straße, um zu protestieren. Viele von uns denken, dass es wahrscheinlich die letzte Chance ist, für Freiheit zu kämpfen. Ehrlich gesagt wissen wir nicht, was uns in der Zukunft bevorsteht. Wir haben nichts mehr zu verlieren, also werden wir nicht aufhören für Freiheit und Demokratie einzustehen. Die Demonstranten haben ihren Schlachtruf, der sich auf der ganzen Welt ausgebreitet hat: „Fight for Freedom – Stand with Hongkong!

 

Was wird geschehen, wenn das Gesetz in Hongkong in Kraft tritt?

Das Sicherheitsgesetzt kann umfangreiche Auswirkungen (hier beschrieben) auf unser eigenes Leben – aber auch über dessen Grenzen hinaus – haben. Erstens ist Hongkong eine internationale Stadt und eines der Finanzzentren der Welt. Mehr als tausend ausländische Unternehmen haben hier eine Zweigstelle. Wie Trump gestern schon gesagt hat, ist Hongkong kein sicherer Ort mehr, um ein Finanzzentrum zu sein. Viele Unternehmen könnten ihren Standort in ein anderes asiatisches Land verlagern (z.B.: Singapur, Tokio…). Die USA werden den Handelsüberschuss gegenüber der Stadt abbauen und auch die Bindung des Hongkong-Dollar aufheben. Die KPCh wird wiederrum dieses Gesetz nutzen, um viele pro-demokratische Politiker und Sympathisanten zu verhaften. Die Zeit der freien Meinungsäußerung ist damit vorbei. Der Kampf für Demokratie und Freiheit könnte zu einem Ende kommen.

Bericht von der Demonstration am 27.05.2020 gegen das Nationalhymnengesetz

Heute fand im Hongkonger Parlament die zweite Lesung zur Debatte über das Nationalhymnengesetz statt. Das Gesetz soll dazu dienen, diejenigen zu bestrafen, die während der chinesischen Nationalhymne negative Äußerungen von sich geben. Die Chinesische Nationalhymne gilt auch für Hongkong, wurde hier aber bisher nicht verbreitet, da sich die Hongkonger unabhängig von China fühlen. Während den Protesten im letzten Jahr wurde eine inoffizielle Hymne für die Stadt geschrieben, diese ist aber mittlerweile auch verboten. Um die Verabschiedung des Gesetzes heute zu stoppen, wollten sich große Menschenmassen, insbesondere im Regierungsviertel, versammeln. Die Demonstration kam zum Erliegen, da die Hongkonger Polizei überall Straßensperren errichtet hat. Während der Mittagspause, in der auch unbeteiligte in den Straßen unterwegs waren, wurde willkürlich auf alles und jeden mit Tränengas geschossen. Dabei kam es zu vielen Festnahmen (circa 700), die meisten von ihnen waren Teenager. Mal wieder ist ein Tag mit Leid im Kampf um Freiheit zu Ende gegangen…

Bilder von der heutigen Demonstration in Hongkong

Die Demonstranten in Hongkong (27.05.2020)

Hinweis der Redaktion: der Autor des Textes lebt in Hongkong und fürchtet um seine Sicherheit. Wir haben den Text daher unter „Redaktion“ veröffentlicht



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4 Kommentare

  1. Um Hongkong kümmern sich die Aktienmärkte erst, wenn der Nasdaq die Allzeithochs gesehen hat. Das Allzeithoch wirkt wie ein Magnet. Die Märkte wollen die Allzeithochs im Nasdaq sehen, um ein Zeichen zu setzten. Börse ist zu 80 % Psychologie. Nur der Rest ist fundamental.

  2. Ja, die Situation ist bitter.
    Mein Engagement würde sich massiv steigern wenn ich mit sicherheit wüsste, dass Hongkong nicht Spielball geopolitischer Interessen wäre.
    Daher sind solche Nachrichten / Berichterstattungen mit Vorsicht zu genießen.

  3. Hongkong ist Teil Chinas. Bei der Rückgabe an China hat sich die KP auf die Sondervereinbarungen für 50 Jahre eingelassen, weil man die Stadt damals brauchte und nicht wollte das die Bevölkerung dort abhaut.
    Von den 50 Jahren ist die Hälfte um. Die Bedeutung Hongkongs für China hat abgenommen.

    China hätte also einfach cool die nächsten 25 Jahre abwarten können und das Thema dann stillschweigend abwickeln. Aber die Führung befürchtet, das Hongkong ein wesentlich gefährlicheres Virus enthalten könnte, als Corona. Also zieht man jetzt die Seuchenbekämpfung vor.

    Und die „Wirtschaftsdrohungen“ sind Gegenstandslos. Die Wirtschaft der Welt macht auch direkt mit China Geschäfte. Und wird es auch weiter tun.

    Wer also nicht unter chinesischer Führung leben will, wird bereits in den nächsten Jahren die Stadt verlassen. Und da viele Bewohner über einen nicht chinesischen Pass verfügen, dürfte das für eine große Zahl auch kein unüberwindliches Hindernis darstellen.

    Fällt aber nicht auf. Aus dem 1,4 Millardenbestand kann man das locker wieder auffüllen. Und die Jungs und Mädels haben ja nun mal bewiesen, dass sie sehr wohl wissen wie Geldverdienen funktioniert.

    1. Man sieht hier wunderschön den Unterschied von Kommunistischem Staat und „normalem“ Staat.
      – Offene Grenzen, oder nicht
      – Freie Meinungsäußerung oder nicht
      – Gerechte Gerichte oder tausende Mord direkt durch die Regierung
      – Freie Wahlen oder 99,99%-Ergebnisse.
      – Bonzengenossen nur unter sich (Wandlitz, Ceausescu Bukarest, Kim Jong Un’s 50 Paläste plus Bett ist aus massivem Gold, Russisch-Oreanda (3.000km von den Solowezki-Inseln weg))

      Die Kommunisten haben immer schon und jedesmal bewiesen, daß sie bzw. dieses Regierungssystem (!) jede Wirtschaft in den Abgrund bringen, und – was viele nicht glauben wollen – daß es ihnen wirklich völlig egal ist, Hauptsache Macht und Gebiete. Das einzige, sie brauchen Menschen, die sie mit ihren Lügen beglücken wollen. Deswegen sperren sie alles zu, oder erschießen jeden, der abhaut, ihr größtes Problem.

      Ursprung ist die Neidkultur, der andere hat mehr, also nehmen „wir“, die Kommune, es ihm weg und verteilen es „gerecht“. Dabei bleibt bei den Chefs der Kommune etwas mehr hängen wie z.B. in Berlin Wandlitz (Auch Bonzenhausen, Volvograd oder SED-Ghetto genannt, abgeriegelt und extra „Dienstbotentor“, wie es sich für Bonzen eben gehört!)
      https://www.youtube.com/watch?v=K8kl_6rpxd8
      Der Speigel sagt dazu, daß wär doch überall so und man solle doch die armen Leute dort nicht so schikanieren. Hat er recht, bzw. natürlich nicht, aber ein Funken Wahrheit ist schon da:
      https://www.spiegel.de/geschichte/honeckers-elitesiedlung-a-949945.html
      https://www.youtube.com/watch?v=cpmDZ_aQZMI
      https://zeitgeschichte-online.de/kommentar/ich-sehe-aus-wie-alain-delon
      https://www.nzz.ch/international/russlands-norden-die-hoelleninsel-solowki-ld.1472742

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