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Chinas "Volcker-Moment" ist vorbei Immobilienkrise in China: Langsame Erholung am Immobilienmarkt

Immobilienkrise in China: Langsame Erholung am Immobilienmarkt

Lu Ting, ein Ökonom, der Chinas Wohnungsbaupleite schon vor dem Platzen der Immobilienblase vorausgesagt hatte, sieht eine langsame Erholung am Immobilienmarkt. Eine Fülle an Problemen belastet seit Monaten den Immobiliensektor in China, was sich auf die gesamte chinesische Wirtschaft auswirkt. Damit sich die Krise am Immobilienmarkt nicht in einen Flächenbrand verwandelt, hat Peking hart durchgegriffen. Das hat zu einer großen Verunsicherung auf der Nachfrageseite geführt. Doch die Regierung hat sich dem Belastungsfaktor angenommen und weitreichende Rettungsmaßnahmen zur Abwendung der Immobilienkrise verabschiedet. Dies könnte ein Wendepunkt sein, um dem angeschlagenen Immobilienmarkt im Reich der Mitte wieder auf die Beine zu helfen.

Der Volcker-Moment am Immobilienmarkt

Vor fünfzehn Monaten verglich Lu Ting das harte Durchgreifen Pekings auf dem Immobilienmarkt mit den Bemühungen des ehemaligen Vorsitzenden der US-Notenbank Paul Volcker, die Inflation zu bremsen, die in den 1980er Jahren zu einer tiefen Rezession führte.

Wie von Lu vorhergesagt, verzeichnete China einen steilen Rückgang der Immobilienverkäufe, während eine ganze Reihe von Immobilien-Entwicklern ihre Dollar-Anleihen nicht mehr bedienen konnten. Der Wirtschaftswissenschaftler von Nomura Holdings meint nun, dass Chinas „Volcker-Moment“ endlich vorbei ist, aber eine Erholung des Immobilienmarktes noch in weiter Ferne liegt, berichtet Bloomberg.

„Die Politik hat zwar einen Wendepunkt erreicht, aber sie markiert nicht unbedingt einen Tiefpunkt für die Branche“, sagte Lu in einem Interview aus Hongkong.

Seine Äußerungen kamen, nachdem die Regierung Anfang des Monats ein 16-Punkte-Rettungspaket zur Stützung des Marktes verabschiedet hatte. Der Plan markierte eine scharfe Wende in Pekings jahrelanger Kampagne zur Eindämmung des Immobilienmarktes und trug dazu bei, dass ein Index von Bauträgeraktien in diesem Monat um 40 % stieg.

Das Rettungspaket bietet zwar eine gewisse Erleichterung für die angeschlagenen Immobilien-Entwickler, doch fehlen noch Maßnahmen, die das Vertrauen der Verbraucher stärken und die Nachfrage nach Eigenheimen ankurbeln, so Lu. Darüber hinaus ist eine vollständige wirtschaftliche Wiederbelebung bis mindestens März unwahrscheinlich, was den Wohnungsbausektor belastet, da die Regierung ihre Null-Covid-Strategie fein abstimmt.

„Die Finanzierungsbeschränkungen wurden größtenteils aufgehoben, aber es ist unklar, ob ein großer Nachfrage-Stimulus kommen wird“, sagte Lu.

Immobilienkrise: Aktien von Immobilien-Entwicklern angeschlagen trotz Rally

Das Ausmaß der Immobilienkrise wurde lange unterschätzt

Lus jüngste Einschätzung ist unbestritten und steht im Einklang mit der anderer Analysten. Doch als er im August 2021 vor den Risiken auf dem Immobilienmarkt warnte, gehörte er zu den wenigen, die voraussahen, wie stark der Einbruch sein würde. Er sagte, dass die politischen Entscheidungsträger im Gegensatz zu früheren Konjunkturabschwüngen entschlossen seien, den Immobilienmarkt einzudämmen, da Präsident Xi Jinping mit sinkenden Geburtenraten und einem wachsenden Wohlstandsgefälle zu kämpfen habe.

Während der Immobilienmarkt bereits Anzeichen von Rissen aufwies, unterschätzten die Anleger weitgehend die Tiefe der Krise. Seitdem haben sich die Credit Spreads von Ramschanleihen, die von den meisten Immobilien-Entwicklern verkauft wurden, mehr als verdoppelt.

Die Probleme zeichneten sich schon viele Jahre zuvor ab

Lu, der an der University of California, Berkeley, in Wirtschaftswissenschaften promoviert hat, wurde während der globalen Finanzkrise bekannt. Damals als junger Wirtschaftswissenschaftler bei Merrill Lynch lag er richtig, als er voraussagte, dass China relativ unbeschadet die Finanz- und Immobilienkrise übersteht. Er verließ die US-Bank 2015 und ging zu Huatai Securities, bevor er drei Jahre später zu Nomura wechselte.

Lu wuchs in Nantong auf, einer Stadt in der ostchinesischen Provinz Jiangsu, die für ihren großen Bausektor bekannt ist. Aufgrund seiner lokalen Verbindungen hatte er schon früh den Finger am Puls des Wohnungsmarktes.

Das erste Mal machte er sich bereits 2016 Sorgen über die Ungleichgewichte auf dem Wohnungsmarkt, nachdem die People’s Bank of China den politischen Banken Geld zur Verfügung gestellt hatte, um die Renovierung von Barackensiedlungen zu finanzieren.

Das Programm trug dazu bei, den Immobilienmarkt zu sanieren, schürte aber auch eine Immobilienblase in kleineren Städten. Im Jahr 2018 wuchs seine Besorgnis, nachdem er den Anstieg der Immobilienpreise und die Kreditaufnahme von Bauträgern auf dem ausländischen Schuldenmarkt beobachtet hatte.

„Die Saat der heutigen Probleme auf dem Wohnungsmarkt wurde in jenen Jahren gelegt“, so Lu. Der jüngste Politikwechsel deutet darauf hin, dass der wirtschaftliche Schmerz durch die harten Maßnahmen der Regierung zu groß war. „Es ist wichtig, eine sanfte Landung auf dem Wohnungsmarkt zu erreichen“, sagte Lu. Aber eine sanfte Landung ist ein mehrjähriger Prozess. Bis die Immobilienkrise gänzlich überwunden ist, kann es also noch etwas dauern.

FMW/Bloomberg



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