Hintergrund

Was ist faul am Finanzsystem?

Es läuft etwas schief im System – es ist das System selbst!

Warum sind die Märkte derzeit so extrem verunsichert? Noch vor kurzem war alles in Butter, das Erreichen neuer Allzeithochs an den Aktienmärkten nur eine Frage der Zeit. Warum ist jetzt alles anders? Weil Chinas Einkaufsmanagerindizes enttäuschen?

Nein, das Problem ist das System selbst. Es ist die Illusion, Risiken aufteilen und damit minimieren zu können!

Nehmen wir einmal an, Sie sind Profi-Investor und kaufen amerikanische Staatsanleihen. Nun hat die Finanzindustrie mit Credit Default Swaps herrliche Produkte geschaffen, um sich gegen einen Totalausfall solcher Anleihen zu versichern. Man kauft also ein Produkt als Ausfallversicherung und zahlt dafür, je nach angenommenem Ausfallrisiko, einen kleinen Prozentbetrag an den Versicherer. Aber gibt es diesen Versicherer überhaupt noch, wenn die USA pleite sind? Eher nicht. Gleichwohl kann man aber bilanziell durch den Kauf dieser Versicherung darstellen, dass mit dem Kauf dieser Versicherung das Risiko der Staatsanleihekäufe minimiert worden ist. Bingo!

Schon der Zusammenbruch im Gefolge der geplatzten US-Immobilienblase hat diesen Zusammenang klar gemacht. Kredite wurden verbrieft, Risiken damit auf mehreren Schultern verteilt und scheinbar minimiert. Am Ende aber drohte das System zu kollabieren, weil einerseits niemand mehr wusste wer welche Risken hat, und andererseits die Vorstellung von Preisen für Immobilienkredite gleichsam in ein „schwarzes Loch“ fielen. Was gestern noch teuer war, kann morgen völlig wertlos sein. Die Folge ist Panik und der Versuch, die eigene Liquidität aus den Investments schnellstmöglich wieder nach Hause zu holen. Alle wollen dann durch dieselbe kleine Tür, es entsteht panisches Gedränge.

Dazu kommt das Paradox der Liquidität. Wenn die Preise hoch sind, steht sie vielen nahezu unbegrenzt zur Verfügung. Gestiegene Preise nähren die Erwartung weiter steigender Preise, die Bilanzen von Banken und anderen Investoren wird scheinbar immer wertvoller, was das Risiko für Kreditgeber dieser Banken zu vermindern scheint. Also dreht sich die Aufwärtsspirale immer weiter, die Hausse nährt die Hausse.

Wenn dann aber plötzlich die Verunsicherung über zukünftige Preise über die Märkte bricht, gehen die Märkte den Weg der Finanzierungskette wieder zurück. Alle brauchen zur gleichen Zeit Liquidität, entziehen sie aus schierem Überlebenswillen dem Geschäftspartner, um die die eigenen Risiken mit Sicherheiten hinterlegen zu können. So entsteht rapide eine Austrocknung von Liquidität – was gestern galt, ist heute nichts mehr wert.

Von daher ist es Unsinn zu sagen, es gäbe gerechtfertigte Preise, die auf allen Informationen basieren, die allen zur Verfügung stehen. Die Märkte scheitern meistens daran, dass der Gruppendruck hoch ist: was alle machen, muß auch ich machen. Etwa die sinnloseste Übung der Finanzmärkte: Dax-Prognosen von Banken. So weichen die Prognosen der Banken für das Jahr 2014 nur minimal voneinder ab und bewegen sich stets in Sichtweite der aktuellen Niveaus. Niemand prognostiziert für Ende 2014 einen Dax-Stand von 4500 Punkten, keiner gibt 20.000 als Kursziel an. Warum? Trifft die Prognose nicht ein, ist man erledigt – wenn der Dax dann ein halbes Jahr später tatsächlich bei 4500 oder 20000 steht, Pech gehabt.

Und so sitzen alle im selben Boot, haben ähnliche Ansichten, ähnliche Investments, ähnliche Risiken. Schlägt dann aber das Unvorhergesehene zu, trifft es alle gleichzeitig. Nach der Finanzkrise hieß es daher unisono: das konnte man nicht vorhersehen etc., eben weil andere Banken es auch nicht vorhergesehen haben. Der Gruppendruck verhindert kreatives Denken – und führt letztlich zur Bildung von Klumpen-Risiken an den Finanzmärkten. Übrigens: in amerikanischen Blogs war schon ab 2005 zu lesen, dass die (Immobilien-)Blase platzen muß…

In der Panik läuft dann die Finanzierungskette beschleunigt den Weg wieder zurück, den sie gekommen ist. Was vorher gehebelt war, wird nun in Windeseile enthebelt. Die Zahlungsunfähigkeit galoppiert durchs System und erfasst alle gleichzeitig.

Was wir daher brauchen, ist ein lernendes System, sind Kreativität und Eigensinn. Denn der Markt hat bestenfalls im kurzen Zeitfenster recht, langfristig ist die vom Konsens geprägte Massenmeinung meistens ein Rohrkrepierer. Und: durch die Verteilung von Risiken auf mehreren Schultern werden die Risiken nicht kleiner. Wenn man das verstanden hat, ist schon vieles erreicht.

Beim letzten Crash haben die Notenbanken die Finanzmärkte durch Liquiditätszufuhr gerettet – und dabei ihre Bilanzen hoffnungslos aufgebläht. Es ist alles andere als sicher, dass beim nächsten Crash sich ein ähnliches Muster wiederholen kann. Besser ist es, ein intelligenteres Finanzsystem zu erschaffen, statt sich auf die Illusion allmächtiger Notenbanken zu verlassen. Denn die Notenbanken sind mit ihrem Versuch gescheitert, mittels Liquidiät auch die Realwirtschaft ankurbeln zu können. Das beginnen jetzt auch die Märkte zu begreifen..



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage