Die laufende Berichtssaison in Europa bietet derzeit alles – von Enttäuschungen bis hin zu positiven Überraschungen. Im Großen und Ganzen verläuft sie aber besser als gedacht. Das könnte die Aktien der Unternehmen und somit die Aktienmärkte stützen, die derzeit unter kräftigen Gewinnmitnahmen leiden. Unser heimischer Dax stürzte gerade erst über 700 Punkte ab, nachdem er vor wenigen Tagen noch ein neues Allzeithoch erreicht hatte. Auch der marktbreite Euro Stoxx 600 Index, der die 600 größten europäischen Unternehmen enthält, büßte von seinem jüngst markierten Jahreshoch bereits 3,6 % ein. Da sich der straffe Zinskurs der EZB und die eingetrübten Wirtschaftsaussichten in der Eurozone noch nicht signifikant in den Ergebnissen der Unternehmen widerspiegeln, scheint ein Soft Landing möglich zu sein.
Die jüngsten Geschäftsergebnisse für das zweite Quartal könnten zumindest kurzfristig die Aktienmärkte retten. Was noch vor einer Woche wie eine düstere Gewinnsaison in Europa aussah, hat sich doch noch überraschend zum Besseren gewendet, so Bloomberg.
Berichtssaison: Besser als befürchtet
„Die aktuelle Berichtssaison ist recht gut verlaufen, wobei die Mehrheit der Unternehmen die Erwartungen übertroffen hat“, schrieben die Strategen der Citigroup unter der Leitung von Beata Manthey in einer Mitteilung vom Freitag. Ihre Gewinnprognosen für 2023 und 2024 hoben sie an, da die Risiken für die Wirtschaftsaussichten ihrer Meinung nach ausgewogener sind. „Szenarien für eine weiche Landung erscheinen plausibel, aber die Verschärfung der Kreditbedingungen sorgt weiterhin für kräftigen Gegenwind.
Starke Ergebnisse und Ausblicke von Unternehmen wie Adidas, Zalando, Anheuser-Busch InBev, Ferrari und Diageo trugen in dieser Woche dazu bei, das Blatt zu wenden. Zuvor sah es noch so aus, als ob es in Europa die schwächste Berichtssaison seit 2020 gäbe. Dennoch scheint der Markt Unternehmen abzustrafen, die ihre Prognosen verfehlen, was auf anspruchsvolle Erwartungen hindeutet, so Manthey und ihr Team. Gute Beispiele dafür sind die gestrigen Berichte von Lufthansa und Infineon. Beide Unternehmen mussten deutliche Kursverluste hinnehmen. Die Lufthansa-Aktie rutschte ab, obwohl die Kranich-Airline über Rekordgewinne berichtet hatte. Bei Infineon enttäuschten hingegen die Margentrends. Es waren schließlich die Aussichten auf das zweite Halbjahr, die die Anleger dazu bewogen haben, die Aktien aus dem Depot zu werfen.
Strategen passen Prognosen an
Die Strategen der Citibank stellten fest, dass die Gewinnrevisionen bei vielen Unternehmen positiv waren, weshalb sie ihre Prognose für den Gewinn pro Aktie für 2024 um bis zu 5 % anhoben. Für das laufende Jahr sind sie aber weniger optimistisch. Sie prognostizieren für 2023 einen Rückgang des Gewinns pro Aktie in Europa um 5 %. Damit sind sie etwas pessimistischer als der Konsens, der von einem Rückgang um 1 % im Jahr 2023 und einem Anstieg um 7 % im Jahr 2024 ausgeht.
Nachdem mehr als zwei Drittel der Ergebnisse der Berichtssaison hinter uns liegen, ist der Trend bei den Unternehmensgewinnen klarer zu erkennen. Obwohl eine ganze Reihe von Unternehmen die Schätzungen übertroffen haben, ist das Gewinnwachstum so niedrig wie seit dem vierten Quartal 2020 nicht mehr. Dennoch könnten die besser als befürchtet ausgefallenen Ergebnisse den Aktienmärkten nach einem turbulenten Start in den August Unterstützung bieten.
Laut den Strategen von Barclays übertrafen 58 % der Stoxx 600-Unternehmen die EPS-Schätzungen und überraschten damit positiv mit sechs Prozentpunkten gegenüber dem Konsens. Insgesamt schrumpft der Gewinn je Aktie im Jahresvergleich um 5,7 %, was vor allem auf die Bereiche Energie und Rohstoffe zurückzuführen ist. Ohne den Energie-Sektor liegt das Gewinnwachstum bei 5 %.
„Der prozentuale Anteil der Unternehmen, die den erwarteten Gewinn pro Aktie (EPS) übertroffen haben, hat sich im Laufe der Berichtssaison in Europa verbessert und liegt nun über dem Durchschnitt, wie es auch in den USA der Fall ist“, so die Strategen um Emmanuel Cau. „Insgesamt waren die Margen widerstandsfähiger als von den Analysten erwartet. Die Prognosen und Nachfrage-Aussichten der Unternehmen waren zwar verhalten, aber die EPS-Dynamik bleibt vorerst positiv.“
FMW/Bloomberg
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