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Lieferengpässe und die negativen Folgen für die Wirtschaft

Lieferengpässe und die Folgen für die Wirtschaft

In vielen Artikeln in der Wirtschaftspresse, die sich mit der Wirtschaftsentwicklung in verschiedenen Ländern befassen, taucht regelmäßig der Begriff Lieferengpässe auf. Lieferschwierigkeiten auf hoher See, wo 90 Prozent der Güter weltweit transportiert werden, bis hin zur unzureichenden Kapazität der Produzenten, besonders bei Chips. Man könne nicht soviel herstellen, wie nachgefragt wird. Aber was bedeutet das eigentlich für das Wachstum auf mittlere Sicht?

Autobranche: Glänzende Quartalszahlen, aber Lamento über Lieferengpässe

Zuletzt vorgestern kam es bei der Bekanntgabe des Quartalsergebnis von BMW so richtig zur Sprache: Rekordergebnisse in allen Bereichen mit Topmargen jenseits der 15 Prozent-Marke, aber Sorgenfalten beim Blick auf die kommenden Monate. Nahezu überall auf der Welt leiden die Automobilhersteller unter einer Unterversorgung an Mikrochips, die sich in der nächsten Zeit sogar noch verstärken sollte.

Ob BMW, Daimler, Ford, Opel oder Volkswagen: Millionen Pkw können in diesem Jahr aufgrund der Lieferengpässe nicht gebaut werden. In vielen Werken ist Kurzarbeit angesagt oder unfreiwillige Pausen, trotz voller Auftragsbücher. Das CAR – Center Automotive Research – mit dem omnipräsenten Professor Ferdinand Dudenhöffer sprach von 5,2 Millionen Pkw, die in diesem Jahr aufgrund des Chipmangels nicht gebaut werden könnten.

Zur enormen Nachfrage, speziell bei Elektrofahrzeugen, gesellen sich noch zusätzliche Probleme, die die Produktion belasten. Ob Werksschließungen wegen Corona oder Naturkatastrophen wie jüngst in China. Kurioserweise gab es vor 12 Jahren nach der Finanzkrise schon einmal eine Versorgungskrise bei den Automobilherstellern, die aber nach einem Jahr bereinigt werden konnte.

Chipindustrie

Genau diese Probleme haben unseren Chiphersteller Infineon belastet, der eigentlich stark von hohen Preisen und hoher Nachfrage profitieren sollte. Auch wenn es zwei große Werke in Japan und den USA wegen Naturereignissen getroffen hatte, erkennt man die Abhängigkeit vieler Branchen von einigen Herstellern – und vor allem von den Auftragsfertigern wie dem taiwanesischen Riesen TSMC. Die enorme Nachfrage und der Digitalisierungsschub infolge Corona hat die Branche völlig überrascht. Mit plus fünf Prozent hat man für 2021 ursprünglich gerechnet, jetzt ist man bei plus 20 Prozent angelangt, so die aktuelle Prognose des Weltverbandes WSTS.

Was bedeutet das für Wirtschaft und Börse?

Zunächst einmal, dass eigentlich für das zweite Halbjahr Abstriche gemacht werden müssten – in punkto Wachstum. Das erst im Juli neu angepasste Wirtschaftswachstum für die Welt wurde vom Internationalen Währungsfond IWF mit 6 Prozent angegeben, für die USA mit gleich 7,0 Prozent 2021 und 4,9 Prozent für 2022. Aber viele Institute passen ihre bisherigen Aussichten für die nächsten Quartale und das Gesamtjahr bereits an. Auch für Deutschland, wo man die vier Prozent für 2021 nicht mehr für realistisch hält, selbst für China hat Nomura das Wachstum für Q3 und Q4 nach unten gesetzt.

Für China als bisherigen Motor der Weltwirtschaft, plötzlich spielt Corona wieder eine Rolle, zumindest für eine gewisse Zeit. Über 4,1 Milliarden Impfungen weltweit, zumeist schon 60 bis 70 Prozent der Erwachsenen in westlichen Staaten zweifach geimpft, die Lage kann eigentlich nicht mehr in Dimensionen wie im Spätherbst 2020 eskalieren – außer die Impfungen verlören an Wirksamkeit.

Die Börsen hingegen reagieren schon gar nicht mehr auf aktuelle Gewinnüberraschungen, es zählen natürlich die Ausblicke und da lässt man – nicht zuletzt wegen der Lieferenpässe – etwas Vorsicht gewähren. Aber warum gibt es noch keine größeren Kurseinbrüche, angesichts der sich schon verschlechternden Rahmenbedingungen? Die Börse blickt natürlich ins Jahr 2022, im Automobilbereich werden die bestellten Autos trotzdem hergestellt, nur eben später, schließlich ist das Alter der Kfz im Durchschnitt so hoch wie lange nicht mehr, zudem fördern die Staaten mit großen Zuschüssen den Kauf neuer Fahrzeuge mit alternativem Antrieb.

Gibt es nicht Indikatoren für eine Abschwächung?

Natürlich rätselt man fast täglich über die Gründe darüber, warum die Renditen der US-Anleihen ständig weiter in die Tiefe rauschen.

Sehen die Kursentwicklungen an den Rentenmärkten nicht eine massive Wachstumseintrübung voraus? Man sucht die Gründe bei der Federal Reserve, hinter Reserven der US-Regierung, aber ist dieses Phänomen nicht auch in anderen Staaten feststellbar?

Zieht man den Economic Surprise Index der Citigroup zu Rate, so bekäme man eine Bestätigung für eine Abschwächung der Wirtschaft.

Lieferengpässe schlagen auf den Economic Supreise Index durch

Fazit

Wenn sich 150 Länder in großer zeitlicher Nähe aus einer Rezession herausarbeiten, die Pandemie aber gleichzeitig für Probleme in der Produktion und in der Logistik sorgt, so muss es eigentlich zu den oben beschrieben Problemen kommen. Keiner hatte im Jahr 2020 einen Plan, keiner eine Glaskugel, schon gar nicht über Ausmaß und Dauer der Pandemie.

Lieferengpässe, aber auch die Inflation führen gerade zu einer Abschwächung des Wachstuns in bestimmten Branchen und verschiedenen Ländern. Könnte es also vielleicht nicht so sein, dass die Wirtschaftsinstitute das Wachstum für das Gesamtjahr 2021 zu hoch, für 2022 aber zu niedrig eingeschätzt haben? Es wäre ein Beispiel dafür, dass es nahezu unmöglich ist, valide wirtschaftliche Prognosen über einen längeren Zeitraum und in einem derart komplexen Umfeld, wie wir es gerade erleben, abzugeben – auch und gerade wegen der Lieferengpässe!



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2 Kommentare

  1. „In vielen Werken ist Kurzarbeit angesagt oder unfreiwillige Pausen, trotz voller Auftragsbücher.“
    Ist doch super. Die Kurzarbeit wird vom Steuerzahler finanziert, die Produktionslücken verknappen das Angebot und man kann die Preise hoch treiben. Alleine wenn man dadurch die Neuwagenrabatte nur um ein Drittel runterfahren kann ersticken die Produzenten in der Geldschwemme.

    Und natürlich muss man da lamentieren, soll ja keinem auffallen. Sonst übernimmt der Staat womöglich nicht die Kosten. Und saugt man die Staatsgeldkiste noch über den Elektroschrott aus, denn man als Drittwagen an die Chefarztgattin mit Ökodefekt im Hirn verkloppt.

    Und irgendwie ist das so eine Phobie auf diesem Blog über die „Prognose der Zukunft“ zu sprechen. Gesellschaften und Wirtschaftssysteme sind evolutionäre Systeme. Und die sind per se weder vorhersag-, noch steuerbar.

    Oder anders ausgedrückt: Die einzige Realität die mit absoluter Sicherheit niemals eintritt, ist die vorhergesagte.

    1. 👍 …. die Leute sind geradezu süchtig nach der Glaskugel-Prognose und ein großer Teil der Glaskugel-Experten kann davon gut leben.

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