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Nach Rezessions-PMI: EZB-Anhebung im September? Expertenmeinungen

Die aktuellen PMI-Daten deuten für die Eurozone klar Richtung Rezession. Wird die EZB nach dieser Woche im September erneut die Zinsen anheben?

Industrieproduktion

Nicht nur in Deutschland, sondern auch für die gesamte Eurozone befinden sich die heute gemeldeten Einkaufsmanagerdaten im Bereich von unter 50 Punkten – ein Wert, der die Schrumpfung der Wirtschaftsleistung ziemlich zuverlässig vorhersagt. Was sagen die Experten zu den Auswirkungen? Hier zeigen wir zwei aktuell publizierte gegensätzliche Meinungen zur Frage, ob die EZB nach ihrer anstehenden Zinserhöhung diese Woche im September erneut die Zinsen anheben wird.

Commerzbank: Nach PMI-Schwäche keine Zinserhöhung im September

Der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor, das verlässlichste Konjunkturbarometer für den Euroraum ist im Juli zum dritten Mal in Folge gesunken. Mit einem Stand von 51,1 Punkten sendet er inzwischen ein klares Abschwungssignal, so die Ökonomen der Commerzbank. Weiter schreiben sie: Der Index für das verarbeitende Gewerbe rutschte mit 42,7 noch tiefer in den rezessiven Bereich. Die Hoffnung der EZB auf eine Erholung der Konjunktur im zweiten Halbjahr haben mit den heutigen Daten einen weiteren heftigen Dämpfer erhalten.

Die heutigen Daten sprechen auch dagegen, dass die EZB die Leitzinsen nach dem quasi angekündigten Zinsschritt im Juli noch weiter erhöht, so die Ökonomen weiter. Bislang ging die EZB in ihren Projektionen davon aus, dass die Wirtschaft im Euroraum in der zweiten Jahreshälfte weiter spürbar wächst. Auch wegen der heutigen Einkaufsmangerindex-Zahlen dürfte sie diese Erwartung revidieren und im September ihre Projektionen deutlich nach unten korrigieren.

T. Rowe Price: Nach Juli dennoch weitere Zinserhöhung im September

Hier zeigen wir den aktuellen Marktkommentar von Tomasz Wieladek, Chief European Economist bei T. Rowe Price: Rezessionsgetriebene Einkaufsmanagerindizes werden die EZB nicht von einer Zinserhöhung im September abhalten.

Die heute Morgen veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes haben wieder einmal negativ überrascht. Die Schwäche des Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe ist darauf zurückzuführen, dass sich die Lieferketten lockern, während die Nachfrage nach Industriegütern weltweit nachlässt. Dies trifft exportorientierte Volkswirtschaften wie Deutschland besonders hart. Viele Ökonomen haben auf der Grundlage des IFO-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe auf das Potenzial eines hohen Auftragsbestands hingewiesen, der eine Erholung des verarbeitenden Gewerbes im dritten Quartal 2023 unterstützen könnte. Die PMI-Umfrage zu den Auftragsbeständen im verarbeitenden Gewerbe, die in der Vergangenheit der IFO-Umfrage vorausging, zeigt jedoch, dass sich die Auftragsbestände wieder normalisiert haben. Angesichts der sehr schwachen globalen Nachfrage, insbesondere aus China, ist es daher wahrscheinlicher, dass der Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes im Euroraum im dritten und vierten Quartal 2023 sehr schwach bleiben wird.

Bislang gab der im Vergleich zur Schwäche des verarbeitenden Gewerbes robuste Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor Anlass zur Hoffnung, dass der Euroraum trotz der Straffung der Geldpolitik durch die EZB eine weiche Landung erleben könnte. Die heutige Veröffentlichung des PMI bestätigt jedoch, dass die Stärke des Dienstleistungs-PMI nur vorübergehend war.

Zwar hat der Sektor der Immobiliendienstleistungen eine wichtige Rolle bei der Erholung des PMI für den Dienstleistungssektor im ersten und zweiten Quartal 2023 gespielt, doch hat sich diese Branche in der Vergangenheit als sehr zinssensitiv erwiesen. Frühere Veröffentlichungen des Bank Lending Survey (BLS) der EZB deuten auf eine starke Abwärtskorrektur in dieser Kategorie hin. Ich erwarte, dass die morgige Veröffentlichung des BLS der EZB diese Einschätzung bestätigen wird.

In Anbetracht der angespannten makroökonomischen Bedingungen, die die EZB durch ihre rasche Straffung der Geldpolitik geschaffen hat, gehe ich davon aus, dass sich der PMI für den Dienstleistungssektor im Laufe des Sommers weiter verschlechtern und im September/Oktober einen Wert von etwa 48 erreichen wird.

Trotz dieser klaren Signale, dass die Wirtschaft der Eurozone in eine Rezession rutscht, wird die EZB ihre Geldpolitik in dieser Woche weiter straffen. Die Entscheidung im September bleibt offen, aber ich glaube, dass die Inflations- und Arbeitslosenzahlen für die Entscheidung im September wichtiger sein werden. Solange die Kerninflation, gemessen am Verbraucherpreisindex, nicht rasch sinkt und die Arbeitslosigkeit nicht rasch ansteigt – zwei Variablen, die nur mit Verzögerung auf die reale Wirtschaftsaktivität reagieren – wird die EZB die Geldpolitik wahrscheinlich im September erneut straffen. Dieser letzte Zinsschritt könnte sich als politischer Fehler erweisen, wenn sich die Einkaufsmanagerindizes so stark verschlechtern, wie ich es erwarte.



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