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Westliche Sanktionen Wie Putin für Russland neue Energiemärkte erschließen will

Wladimir Putin will in großen Schritten neue Märkte vor allem für Gas aus Russland erschließen. Hier dazu ein Blick auf die Pläne für Asien.

Wladimir Putin bei einer Pressekonferenz im Jahr 2021
Wladimir Putin bei einer Pressekonferenz im Jahr 2021. Foto: Andrey Rudakov/Bloomberg

Auf der diesjährigen russischen Energiewoche machte Präsident Wladimir Putin eine Kampfansage, wie Russland seine Rolle als globale Energiesupermacht in Zukunft ausfüllen kann. So soll sich in den nächsten zehn Jahren die Gasverflüssigungskapazität auf 100 Millionen Tonnen LNG verdreifachen. Dafür sind Putin zufolge Ausgaben in Höhe von fast 57 Milliarden Euro geplant. Das Bauzentrum für große Gasverflüssigungsanlagen von Novatek bei Murmansk führte er als Paradebeispiel an, wie die Transformation des russischen Brennstoff- und Energiekomplexes gelingen kann. In der Nord-Süd-Richtung bis zum Persischen Golf und nach Indien sieht Putin enormes Potential.

Für Putin läuft es im Ölsektor nach Plan

Auf der Plenarsitzung der russischen Energiewoche zusammen mit dem irakischen Premier Mohammed Sudani machte Präsident Putin am 11. Oktober klar, wohin der künftige Energiekurs von Russland führen soll. Der Brennstoff- und Energiekomplex befindet sich seiner Einschätzung nach in stabilem Fahrwasser: „Dank der Maßnahmen von Unternehmen und Behörden wurde die Tankerflotte vergrößert, und neue Zahlungsmechanismen, Versicherungen und Rückversicherungen für unsere Ladungen geschaffen. Dadurch war es in kurzer Zeit möglich, die Ölversorgung auf schnell wachsende und vielversprechende Märkte in anderen Regionen der Welt im Süden und im Osten umzustellen“, so Putin.

Laut Experten übersteige heute der Beitrag der fünf größten asiatischen Volkswirtschaften China, Indien, Indonesien, Malaysia, Vietnam zur Weltwirtschaft den Gesamtanteil der USA und aller EU-Länder zusammen. „In den kommenden Jahrzehnten wird die Kluft noch größer werden. Daran besteht kein Zweifel.“ Prognosen zufolge werde der Anteil Chinas an der Weltwirtschaft im Jahr 2028 auf 19,7 Prozent steigen und der der USA auf 14,5 Prozent sinken. Um die Öllieferungen in die Länder der Asien-Pazifik-Region, Afrika und Lateinamerika auszuweiten, habe die Regierung einen Plan zur Entwicklung der russischen Ölexport-Infrastruktur ausgearbeitet. An der Umsetzung werde verantwortungsvoll gearbeitet.

LNG ist wie Öl global flexibel

LNG spielt auf Weltmärkten laut Putin eine wichtige Rolle, da Lieferungen flexibel und nicht an konkrete Abnehmerländer gebunden seien. Im nächsten Jahr sind seinen Angaben nach in 55 Ländern LNG-Terminals in Betrieb. Schätzungen zufolge könnte die Nachfrage nach LNG weltweit bis zum Ende des Jahrzehnts um etwa das Eineinhalbfache auf bis zu 600 Millionen Tonnen im Jahr steigen. Der Wettbewerb werde zunehmen. Es seien bereits Projekte angekündigt, die eine Verdoppelung der gesamten Produktionskapazität ermöglichen. „Auch Russland hat im Bereich LNG ehrgeizige Pläne. Im nächsten Jahrzehnt soll sich seine Produktion auf 100 Millionen Tonnen pro Jahr verdreifachen. Das geplante Investitionsvolumen übersteigt 6 Billionen Rubel“, erklärte Putin. Das sind umgerechnet knapp 57 Milliarden Euro.

Es sei wichtig, dass russische Projekte ihre Wettbewerbsvorteile auf dem Markt einschließlich einer effizienten Logistik realisieren. Dazu zählt der russische Präsident das Potenzial der Nordmeerroute, neue Häfen und Verkehrsknotenpunkte in der Arktis. Um Risiken durch Einschränkungen bei der Lieferung von Technologien und Ausrüstung sowie von Schiffen für den Transport von LNG zu begegnen, hält er es für notwendig, „nicht nur mit befreundeten Ländern zusammenzuarbeiten, sondern auch schnell eigene Lösungen zu erarbeiten und neue Produktionsanlagen in Betrieb zu nehmen.“ Das Zentrum für den Bau großer Gasverflüssigungslinien von Novatek bei Murmansk zeige, dass das funktioniert. Fast die komplette Ausrüstung dort sei russisch.

Gas-Lieferswitch läuft

Zugleich hätten Gas- und Kohleunternehmen ihre Lieferungen nach Asien umgestellt. Der Gasexport über Kraft Sibiriens 1 nach China steige von Jahr zu Jahr. 2025 soll auf diesem Weg das Vertragsvolumen von 38 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr nach China durchgeleitet werden. Dazu ist ein Vertrag geschlossen, der Gaslieferungen in Höhe von 10 Milliarden Kubikmeter Gas vom fernen Osten des Landes nach China vorsieht. Ebenso sei eine Liefervariante über die Mongolei im Gespräch. Bei dieser Liefervariante namens Kraft Sibiriens 2 geht es um einen Anschluss Chinas an das nördlich gelegene Förderzentrum auf der Jamal-Halbinsel, so dass weitere 50 Milliarden Kubikmeter ins Reich der Mitte gelangen könnten.

Wladimir Putin bei der Einweihung einer Gas-Pipeline in Russland im Jahr 2009
Wladimir Putin bei der Einweihung einer Gas-Pipeline in Russland im Jahr 2009. Foto: premier.gov.ru / CC BY 4.0 / https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

In einem Interview jüngst bei Ria Novosti erklärte Sergej Kapitonow, Analyst beim Skoltech-Projektzentrum für Energietransition, dass mit einer Fertigstellung dieser Gasleitung nicht vor 2030 zu rechnen ist. Überhaupt zeichnete er ein düsteres Bild über die Verluste, die der russische Gaskonzern Gazprom durch den Wegfall europäischer Exporte erlitten hat. Selbst wenn Gaspreise wieder stark steigen, seien Ergebnisse wie im letzten Jahr nicht drin, weil die verbliebenen Exportmengen nach Europa zu gering seien. Außerdem geht Kapitonow davon aus, dass sich das mit den Exporten nach China und Zentralasien nicht kompensieren lässt. Als Ausweg schlug er daher vor, dass die beiden Konkurrenten Gazprom und Novatek beim LNG zusammenarbeiten sollten.

Zentralasien ist Station auf dem Weg

Möglicherweise muss Putin ein Machtwort sprechen und Gazproms Bedenken zum freien LNG-Export vom Tisch wischen. Hatte er Novatek im LNG-Bauzentrum im Sommer seinen Besuch abgestattet und sein Wohlwollen gezeigt, stand jetzt zur Eröffnung des Gaslieferstarts über Kasachstan nach Usbekistan Gazprom-Chef Alexej Miller seit langem mit guten Nachrichten im Fokus. Eine veraltete Gasleitung aus Sowjetzeiten hat Gazprom innerhalb von dreieinhalb Monaten fitgemacht. Sie soll nun in umgekehrter Richtung in den nächsten zwei Jahren 2,8 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland über Kasachstan nach Usbekistan durchleiten.

„Die Mengen sind immer noch geringer als auf dem europäischen Kontinent, werden aber mit dem Wachstum der Wirtschaft dieser Länder zunehmen“, erläuterte Putin. Die europäischen Länder könnten indes noch nicht vollständig auf russisches Gas verzichten, da sie keine Möglichkeit hätten, es zu bekommen. Der Aufbau von Produktionskapazitäten in den USA brauche Zeit. Zentralasien soll das neue Drehkreuz für Gaslieferungen aus dem Norden und Bestandteil des Nord-Süd-Transportkorridor werden. Auch mit dem Iran liefen Gespräche über mögliche russische Gaslieferungen.

Putin nimmt Persischen Golf ins Visier

Befragt zum Nord-Süd-Korridor erklärte Putin: „Je mehr Routen, desto besser, desto einfacher wird es für die Wirtschaftsteilnehmer sein, die optimale Route für sich auszuwählen. Nord-Süd ist eine sehr gute Option, und viele unserer Partner zeigen Interesse daran. Auch Aserbaidschan bleibt interessiert, durch dessen Territorium ein Teil der Route verlaufen muss.“ Das Land liege auf der einen Seite des Kaspischen Meeres, während Kasachstan und Turkmenistan auf der anderen Seite des Kaspischen Meeres beheimatet seien. Der Iran biete Zugang sowohl zum Kaspischen Meer als auch zum Persischen Golf. Von dort ist es in den indischen Hafen Mumbai nicht so weit wie von St. Petersburg oder von Jamal über die nördliche Schiffsroute in der Arktis.

„Mein Traum ist der Bau einer Pipeline von Russland nach Indien: Pakistan und Indien haben einen großen Markt. Sie brauchen die Leitung wirklich, weil sie auf LNG angewiesen sind. Allerdings ist es sehr teuer und sehr schwierig“, sagte Kapitonow. Zum Nord-Süd-Korridor gab sich Putin zuversichtlich und sagte: „Heutzutage gibt es keine einfachen Aufgaben, aber alles ist erreichbar. Wir haben Vereinbarungen mit allen Teilnehmern dieses Prozesses. Wir verfügen über entsprechende Dokumente mit dem Iran und mit Aserbaidschan. Gespräche sollen folgen. Turkmenistan und Kasachstan seien ebenfalls interessiert. Wenn es so weit ist, soll ein Konsortium gegründet werden, dem die Außenhandelsbank WTB vorsteht. Putin hofft, dass das in naher Zukunft der Fall sein wird.

LNG-Tanker in Japan
LNG-Tanker in Japan. Foto: 青空白帆 — http://photozou.jp/photo/show/254715/24141912 / CC BY 2.1 jp / https://creativecommons.org/licenses/by/2.1/jp/deed.en


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3 Kommentare

  1. Das wirksamste Mittel gegen Sanktionen der westlichen Welt, sind eben neue Märkte außerhalb der westlichen Welt.

    Viele Grüße aus Andalusien
    Helmut

    1. Macht bitte auch mal: Wie Amerika neue Abnehmer findet um ihr dreckiges Frackinggas überteuert nach Europa zu verkaufen.

      Wäre auch mal ein Bericht dazu nötig. Gegen Russland zu pushen kennen wir zu genüge von den anderen Medien

  2. Bei der geplanten Ausweitung der Öllieferungen in die Asien-Pazifik-Region, nach Afrika und nach Lateinamerika wird die Tatsache, daß Russland ein BRICS-Mitgliedsland ist, für Putin von Vorteil sein.

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