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TTIP-Schiedsgerichte: Mittwoch Abstimmung im EU-Parlament

Von Claudio Kummerfeld

Übermorgen stimmt das EU-Parlament in einer ersten Abstimmung darüber ab, ob in dem TTIP-Freihandelsabkommen zwischen EU und USA, das derzeit verhandelt wird, der Investorenschutz über Schiedsgerichte integriert wird. Wir hatten am 29.05. bereits darüber berichtet, dass der EU-Handelsausschuss schon sein OK für eine Neufassung der Schiedsgerichte gegeben hatte – das bedeutet z.B. die Schaffung von Berufungsverfahren und die Professionalisierung der Schiedsrichter hin zu einem quasi-Richterstatus.

Vor der Abstimmung bringen die einzelnen Lager sich schon mal in Stellung. EU-Handelskommissarin Malmström macht einen auf Kindergärtnerin und twittert sinngemäß übersetzt „An alle die sich darüber beschweren, dass sie den TTIP-Text noch nicht gesehen haben: das hat noch niemand, weil er noch nicht existiert. Sobald er existiert, wird er natürlich veröffentlicht“.


Da kann man nur sagen „Herzlichen Dank“ für die Belehrung.

Aber zurück zur Sache. Die geschlossene Mehrheit der großen Volksparteien im EU-Parlament „PRO TTIP-Schiedsgerichte“ hat in den letzten Tagen Risse bekommen. Nachdem am 29.05.2015 die überwältigende Mehrheit im Handelsausschuss vermuten ließ, dass die Schiedsgerichte im EU-Parlament übermorgen glatt durchgewunken werden, sieht es jetzt anders aus. Die sozialdemokratische Fraktion schein umgeschwenkt zu sein hin zu einer totalen Ablehnung der Schiedsgerichte (ISDS). Da man eine Fraktion im EU-Parlament bei einem so komplexen Thema nicht so einfach zusammenhalten kann wie in einem nationalen Parlament, könnte es sein, dass die Abgeordneten der Sozialdemokraten wild durcheinander mal dafür und mal dagegen stimmen.

EU Parlament Fraktionen
S&D = Sozialdemokraten / PPE = Christdemokraten und Konservative
Grafik: Europäisches Parlament

Schaut man sich die Anzahl der Fraktionen im EU-Parlament an und dass auch die kleineren Gruppen zusammengezählt ein richtiger Machtfaktor sind, steht diese Abstimmung für die Befürworter der Schiedsgerichte bei TTIP mehr als auf der Kippe. Während die Reihen der Konservativen geschlossen zu sein scheinen, streiten sich Grüne und Sozialdemokraten, welcher Sozialdemokrat denn nun gegen die Schiedsgerichte ist oder nicht. Ein gutes Beispiel hierfür scheint der SPD-Politiker Bernd Lange zu sein, der sich wohl (um beim „Volk“ gut dazustehen?), gegen Schiedsgerichte ausspricht, aber für sie stimmt. Wir verlinken hier die Seite des Grünen Sven Giegold mit den konkreten Fakten zu diesem Streit – jeder soll sich da seine eigene Meinung bilden.

Es wird also mehr als spannend am Mittwoch. Auch wenn es vielleicht zu pathetisch klingen mag: es könnte zu einer nächsten „Evolutionsstufe“ der Demokratie in Europa kommen, wenn das EU-Parlament zeigt, dass es den nationalen und übergeordneten Vorgaben nicht blind folgt, sondern wenn sich Abgeordnete quer durch (fast) alle Fraktionen nach ihrem persönlichen Gewissen entscheiden.



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2 Kommentare

  1. Warum nicht gleich TTIP ad acta legen, dieses Freihandelsabkommen scheint nicht das Papier wert zu sein Auf dem es fixiert wrd.

  2. Zuviel Theater um Schiedsgerichte in TTIP.

    Dabei sie können gegen den unfähigen nationalen Gesetzgeber helfen, der an den Urteilen der Verfassungsgerichte gemessen regelmäßig versagt.
    Sollten erst alle Gesetze per Verfassungsgericht aufgehoben werden müssen, wären die Betroffenen entweder tot oder pleite.

    Die der Unkenntnis zu dankenden Vorurteile zum Schiedsverfahren sind in der Tat nicht nur schwer übertrieben sondern in der Sache häufig schlicht falsch.

    Immerhin sitzen dort Volljuristen – oft mit besserer Qualifikation als die zum Richteramt befähigten in den Gerichten.

    Außerdem ginge es schneller, was in jedem Falle Recht befördert, welches bei den sogenannten ordentlichen Gerichten häufig Jahre auf sich warten läßt. Geht es durch alle Instanzen können es auch Jahrzehnte werden. Denn was nutzt Recht, wenn es nicht beschieden werden kann?

    Und man beachte: Auch staatliche – und diese auch in sämtlichen Instanzen – können am Ende irren, falsch urteilen und Unrecht sprechen. Wie – bitte sehr – soll denn davor Schutz gewährt werden?

    Die künstliche Aufregung zum Thema sollte sachgerechter Erörterung weichen – dazu könne es helfen, wenigstens Grundkenntnisse von Recht und Rechtssystem sich anzueignen.
    Bislang belegt die verbreitete Diskussion – vor allem bei Roten und Grünen – eher das es daran fehlt.

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