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Ukraine-Krieg: Eine alternative Perspektive auf die Ziele Putins

Ukraine-Krieg - welches Ziel hat Putin?

Entgegen der Berichterstattung in den westlichen Medien gelingen der russischen Armee im Ukraine-Krieg sowohl im Osten, aber vor allem im Süden des Landes bedeutende Geländegewinne – ist das das eigentliche Ziel Putins?

Putin will im Ukraine-Krieg die Seehäfen erobern

Die Brutalität gegen die Zivilbevölkerung nimmt im Verlauf des Krieges immer weiter zu. Besonders tragisch ist die Situation in der Hafenstadt Mariupol. Der Millionenstadt Odessa droht ein ähnliches Schicksal. Für Wladimir Putin ist die Kontrolle über die wichtigen Seehäfen politisch und persönlich überlebenswichtig.

Wenn die Kontrolle der ukrainischen Küste entlang des Asowschen Meeres sowie des Schwarzen Meeres mit den Hafenstädten Mariupol und Odessa eines der primären Kriegsziele Putins sein sollte, dann muss man den bisherigen militärischen Erfolg der russischen Armee anders bewerten, als es viele westliche Medien derzeit tun. Nicht die dauerhafte Eroberung der Hauptstadt Kiew oder des gesamten Staatsgebietes der Ukraine stünde dann jetzt noch im Fokus der Invasoren, sondern die Besetzung des Südens des Landes, wo die russische Armee gemäß der britischen BBC deutliche Geländegewinne verzeichnen kann („Big Russian gains in the south“).

Eines der Hauptziele der Invasion, die Schaffung eines Landkorridors zwischen der Halbinsel Krim mit dem strategisch wichtigen Marinestützpunkt Sewastopol und den von Russland unterstützten Separatistengebieten Donezk und Luhansk (Donbass) im Osten der Ukraine wurde bereits erreicht.

Die Hafenstadt Mariupol, die vehement von dem berüchtigten nationalistischen „Asow“-Regiment mit ca. 2.000 Mitgliedern verteidigt wird, ist bereits großräumig umzingelt und nahezu vollständig zerstört. Durch die unterbrochenen Nachschubwege ist das Ende des Widerstandes dort nur eine Frage der Zeit. Für die russische Armee wäre die Einnahme Mariupols auch ein wichtiger psychologischer Erfolg und für Wladimir Putin der erste große Propagandasieg im Ukraine-Krieg.

Westlich der Krim rücken die russischen Streitkräfte entlang der Schwarzmeerküste weiter in Richtung Odessa vor. Über die Krim können nun zusätzliche Truppen und Material in den Süden der Ukraine verbracht werden. Von der See aus nimmt die russische Marine die Hafenstadt bereits unter Beschuss. Der für die ukrainische Wirtschaft wichtige Schiffsverkehr über die Häfen von Mariupol und Odessa ist vollständig zum Erliegen gekommen.

Unbestätigten Meldungen zufolge habe die russische Armee ca. 40 Prozent ihres Kriegsgeräts im Ukraine-Krieg verloren. Daraus eine Handlungsunfähigkeit der russischen Streitkräfte abzuleiten, wäre jedoch verfrüht. In Russland läuft die Rüstungsindustrie auf Hochtouren: Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Munition, Raketen und Fluggeräte werden auch weiterhin produziert und sorgen für Nachschub. Die Produktion von Treibstoff kann Russland in nahezu beliebiger Menge sicherstellen. Hier war bislang die Logistik das größte Problem.

Die Nachschubfähigkeit Russlands gilt auch für die Truppen, deren Verluste zumindest teilweise durch Söldner aus Syrien und reguläre russische Truppen aus dem Osten des Riesenreiches verstärkt werden. Im Notfall könnte Putin sogar die Wehrpflicht einführen und so über eine Million Männer zusätzlich mobilisieren. Innenpolitisch wäre ein solcher Schritt allerdings riskant, würde er doch die Legende von der militärischen Sonderoperation zerstören. Putin könnte dann nicht mehr leugnen, dass es sich in der Ukraine um einen Krieg handelt, den Russland begonnen hat.

Ökonomische Katastrophe für die Ukraine

Für die Ukraine würde neben den bereits angerichteten Zerstörungen von Städten und Infrastrukturen der Verlust des Zugangs zum Asowschen- und Schwarzen Meer einer wirtschaftlichen Katastrophe gleichkommen. Ca. 85 Prozent der gesamten Getreideexporte, v. a. Mais und Weizen erfolgen per Schiff. Der Seeweg für Handelsschiffe durch das Schwarze Meer ist aktuell vollständig blockiert. Vor dem Ukraine-Krieg deckte der Schwarzmeerhandel mit Getreide aus Russland und der Ukraine gemäß dem deutschen Agrarhändler Baywa rund 30 Prozent der weltweiten Nachfrage ab. Die Ukraine ist weltweit der viertgrößte Exporteur von Mais und Weizen

Der alternative Transport des Getreides über Land via Schienenweg ist aus geografischen Gründen nicht für alle Abnehmer möglich und zudem um ein Vielfaches teurer. Allerdings ist es wahrscheinlich, dass Russland auch nach einer vollständigen Besetzung der Schwarzmeerküste der Ukraine Zugang zu den Häfen von Mariupol und Odessa gewährt – wahrscheinlich gegen eine Gebühr (moderne Wegelagerei).
Was aus den zerstörten Städten im Süden wird, ist völlig unklar. Russland hat nicht das Geld, Mariupol und wahrscheinlich auch Odessa wieder aufzubauen. Diese Metropolen könnten enden wie Tschernobyl – als unbewohnte, postapokalyptische Städte.

Ukrainische Truppen im Norden binden

Das Eindringen in die Nordukraine von Weißrussland aus (Belarus) und der bislang gescheiterte Versuch der Einnahme der ukrainischen Hauptstadt Kiew hat aus russischer Sicht militärstrategisch mittlerweile wohl vor allem das Ziel, militärische Kräfte der Ukraine im Norden zu binden, um im Süden weniger Gegenwehr ausgesetzt zu sein. Die temporäre Einnahme Kiews wäre dann nur noch notwendig, um eine Kapitulation zu erzwingen. Auch wenn diese in Anbetracht des Widerstandswillens der ukrainischen Streitkräfte und der verbliebenen Zivilbevölkerung nicht sicher ist.

Eine vollständige Einnahme und dauerhafte Besetzung Kiews und der gesamten Ukraine bleibt eine Illusion, von der sich wohl auch Putin, wenn er sie denn jemals gehabt hatte, längst verabschiedet haben wird.

Mögliche Kriegsbeute könnte Putin retten

Gelingt den Russen tatsächlich unter Inkaufnahme hoher Opferzahlen in der Zivilbevölkerung und bei den Militärs die Eroberung der gesamten Schwarzmeerküste, dann hätte Russland nicht nur den Zugang zu dem strategisch wichtigen Marinestützpunkt Sewastopol im Südwesten der Halbinsel Krim über den Landweg gewonnen, sondern auch die Kontrolle über die beiden wichtigsten kommerziellen Häfen Mariupol und vor allem den ganzjährig eisfreien Hafen von Odessa.

Mit dieser „Kriegsbeute“, bestehend aus der Schaffung der beiden unabhängigen Volksrepubliken Donezk und Luhansk, dem Landkorridor zur Krim sowie der Einnahme der beiden wichtigsten Hafenstädte Mariupol und Odessa könnte Putin gesichtswahrend aus der bislang suboptimal laufenden „militärischen Sonderoperation“ herauskommen. Zumal das als extrem nationalistisch eingestufte „Asow“-Regiment in Mariupol wahrscheinlich komplett aufgerieben wird und Putin dann auch Erfolge bei der „Entnazifizierung“ der Ukraine vorzeigen könnte. Bereits im November 2019 forderten Kongressabgeordnete der USA auf Empfehlung der CIA die Einstufung des „Asow“-Regiments als Terrororganisation.

Auch wenn der Preis für die Kriegsbeute in Anbetracht der Opferzahlen und der massiven Sanktionen gegen Russland unverhältnismäßig hoch ist, könnte sich Putin dann nach dem Ukraine-Krieg wahrscheinlich an der Spitze des Kreml-Regimes halten.

Eine völlige Niederlage Russlands im Ukraine-Krieg erscheint trotz der massiven militärischen Fehler, Rückschläge und mangelnder Kampfmoral der Truppen unwahrscheinlich. Putin wird nicht kapitulieren, egal wie blutig der Ukraine-Krieg noch werden könnte. Der mächtigste Mann im Kreml wird jede Grausamkeit in Kauf nehmen, denn ein Rückzug aus der Ukraine käme einem Todesurteil für ihn gleich. Das bedeutet leider, dass der Krieg noch länger andauern wird und uns auch weiterhin täglich erschütternde Bilder aus der Ukraine erreichen werden.



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12 Kommentare

  1. Vielleicht sollte man sich auf der Seite wieder auf das Wesentliche konzentrieren, als sich in Kaffeesatz-Leserei wie viele andere Seiten zu konzentrieren. Es nimmt seit ein paar Tagen Überhand.

    1. Dann lese es doch einfach nicht…. sehr guter Artikel, der Versuch ein möglichst objektives Bild zu zeichnen.

    2. @Tom, was ist denn das Wesentliche?
      Börsen und Finanzen?
      Wohlstand und Urlaub?
      Charts und Investments?
      Nervt Sie der brutale völkerrechtswidrige Angriffskrieg?
      Haben Sie sich damit abgefunden, wollen Sie zurück zu einer Normalität, die leider nicht mehr existiert?

      1. @Michael
        Das Wesentliche dürfte für jeden etwas anderes sein, das unterscheidet denkende Menschen vom Mainstream.
        Das Wesentliche einer Finanzmarkt Seite ist für mich, die objektive und neutrale Berichterstattung über alles was mit den Finanzmärkten zusammen hängt, auch fundamentale Sachen. Dabei geht es um Fakten und nicht um Deutungen und wie andere hier schon bemerkt haben, kann ja wohl niemand behaupten, er kenne die eindeutigen Gründe und Ziele der russischen Regierung, zumal die andere Seite nicht schuldlos an der Situation ist.

        Solche „Wahrsager“ kann ich bei t-online und ähnlichen Seiten lesen.

        Was die Normalität angeht: Wir hätten sie schon ein Stück weit wieder, wenn ein Teil der Bürger wieder ihr Gehirn benutzen und sich nicht von Angst und Panik, wie in den letzten zwei Jahren, anstecken lassen würde.

    3. Ja, ich sehe das auch so.

  2. @Tom. Ganz genau. Da haben nicht einmal die Geheimdienste einen Schimmer von den Absichten und der Denkweise Putins, trotz Satelitenaufnahmen und interner Infos. Aber Schreibtisch-Militärexperten fabulieren über die Absichten und die Strategien des Russen. Wenn man nicht einmal den Ausgang von Wahlen, trotz Umfragen, einigermaßen vorhersehen kann. Wer hat die Invasion vorher gesehen (der herbeigeredete Krieg), wer den Willen der Ukrainer, wer die Verluste der Russen? Jetzt soll es also der Süden sein, wozu hat man dann vor Kiew Hunderte Panzer und noch mehr Menschenleben geopfert? Anscheinend will jeder seinen intellektuellen Beitrag leisten, lasst es, auch wenn es durchdacht klingen mag.

  3. Finde ich definitiv nicht. Wir leben in einer Ausnahmesituation.

  4. “ moderne Wegelagerei “ ? Die Schweiz und die Tschechei haben auch freien Zugang mit allen Rechten zu den Seehäfen an Rhein- bezw. Elbemündung durch Deutschland.

  5. Zum Glück geht die Ukraine nun zum Gegenangriff vor. So hat jede Seite ihre verlässlichen Informationen

  6. Worin liegt die angeblich besondere Verantwortung der Deutschen für die Ukraine?
    Das Deutsche Reich gründete 1918 nach dem Sieg über Russland im „Frieden von Brest-Litowsk“ eine unabhängige Ukraine, die baltischen Staaten, Polen und Finnland. Die Westalliierten erklärten den Vertrag von Brest-Litowsk für hinfällig und die Ukraine wurde wieder Teil der Sowjetunion.
    Am Ende des WK2 „verschenkten“ Briten und Amis 1944 auf Jalta halb Deutschland und Osteuropa incl. Ukraine an Stalin. Warum sollen sich ausgerechnet wir Deutsche wieder für eine unabhängige Ukraine einsetzen? Sollen das doch diejenigen machen, die sie an Stalin „verschenkt“ haben.

    Und warum wird dieser Kommentar auf yotube nicht veröffentlicht, wie viele andere Kommentare von mit zum Thema Ukraine, Corona/Impfung und Klima etc. auch nicht, während die fehlende Meinungsfreiheit in anderen Staaten angeprangert wird? Westliche Doppelmoral eben.

    1. Lesen Sie mal das Buch Fremdbestimmt. Dann sollten keine Fragen bleiben

  7. Pingback: das-bewegt-die-welt.de

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