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Wie hoch ist eigentlich Ihre Inflation?

Brennender Geldschein als Symbol für Inflation

Laut staatlicher Statistik liegt die Teuerungsrate für Konsumenten in Deutschland aktuell bei 5,2 Prozent pro Jahr und damit so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr. Der nach EU-Regeln berechnete harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) zeigt für unser Land sogar einen Jahresanstieg bei den Preisen von 6 Prozent an. Aber wie hoch ist die individuelle Inflation?

Inflation ist nicht gleich Inflation

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird mit dem Begriff Inflation der Preisanstieg von Waren, Gütern und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft über einen bestimmten Zeitraum hinweg bezeichnet – meistens über ein Jahr. Zur Berechnung wird ein Preisindex herangezogen. Dieser Index setzt sich aus den Preisen eines fiktiven Warenkorbes zusammen, der regelmäßigen Anpassungen unterliegt (Warensubstitution und Wägungsschema). Diese Anpassungen orientieren sich an dem geänderten Konsumverhalten oder starken Preisveränderungen bei einzelnen Warenkorbbestandteilen (was teuer wird fliegt raus).

Der deutsche Warenkorb enthält 650 Güterarten und umfasst sämtliche von privaten Haushalten hierzulande gekauften Waren und Dienstleistungen. Mit welchen Gewichten diese Güterarten in den Gesamtindex einfließen, ist im Wägungsschema festgehalten. Zuletzt hat das Statistische Bundesamt (DeStatis) im Jahr 2020 das Wägungsschema angepasst und damit die Gewichtung der einzelnen Warenpreise für den Gesamtindex geändert, unter anderem für Lebensmittel, Gesundheit und Möbel. Seit 2015 stecken auch technische Neuerungen mit im Warenkorb, wie Musik-Streaming, E-Book-Reader und E-Book-Downloads.

Warenkorb zur Berechnung der Inflation

Regelmäßig finden zudem hedonische Preisbereinigungen im Warenkorb statt (Qualitätsbereinigung der Preise). Dabei wird der Wertgewinn (Qualitätszuwachs) eines Gutes von der Preissteigerung abgezogen. Wird z. B. ein Kraftfahrzeug im Vergleich zum Vorgängermodell statt mit Fensterkurbeln mit elektrischen Fensterhebern ausgestattet, neutralisiert diese Aufwertung des Gutes einen Teil des höheren Preises des neuen Fahrzeugs. Wie viel diese qualitative (hedonische) Aufwertung im Preis ausmacht, berechnen die Statistiker nach selbst kreierten Formeln.

Im Wortsinne bedeutet Inflation „Ausweitung“ (lateinisch: inflatio). Im monetären Sinne ist damit die Ausweitung der Geldmenge bzw. Geldmengeninflation gemeint. Die Anhänger der Österreichischen Schule der Nationalökonomie nutzen eine andere, transparentere Methode zur Inflationsberechnung als DeStatis: Sie setzen die in einem Jahr neu entstandene Geldmenge ins Verhältnis zu der Mengensteigerung an verfügbaren Gütern in einer Volkswirtschaft. Wenn die Geldmenge stärker steigt als das Angebot an Waren und Dienstleistungen, dann entsteht Überschussliquidität, die zu erhöhter Nachfrage und damit zu höheren Preisen führt – so die Theorie.

Was verursacht steigende Verbraucherpreise wirklich?

Um Inflation im Sinne von Konsumentenpreissteigerungen zu erzeugen, müssen aber mehrere Vorbedingungen erfüllt sein. Die Ausweitung der Geldmenge allein reicht dafür nicht aus. Es muss auch die Sparquote berücksichtigt werden. Solange das überschüssige Geld nicht direkt in den Konsum fließt, steigen die Preise nicht sofort automatisch. Allerdings bedeutet Sparen entweder anderen Eigenkapital für Investitionen oder aber Kredite für Investitionen und Konsum zur Verfügung zu stellen. Dies führt indirekt zu erhöhter Nachfrage und steigenden Preisen – zuallererst bei den Vermögenswerten, wie Aktien, Anleihen und Immobilien, die aber in dem offiziellen Warenkorb in Deutschland nicht enthalten sind. Die Europäische Zentralbank (EZB) möchte erst ab dem Jahr 2025 Kosten für selbst genutztes Wohneigentum mit in den statistischen Warenkorb und die Berechnung der HVPI aufnehmen. In den USA ist dies bei der Berechnung der Konsumententeuerung bereits jetzt der Fall.

Bestes Beispiel für die Entstehung von Inflation

Die Kettenreaktion, die zu dynamisch steigenden Inflationsraten führt, konnte sehr gut in den letzten beiden Jahren in den USA beobachtet werden. Durch die wirtschaftlichen Einschränkungen sank das Angebot an Waren und Dienstleistungen. Auf der anderen Seite kollabierten durch die Massenarbeitslosigkeit die Einkommen. Die Folge wäre eine deflationäre Depression gewesen, da durch die unsicheren Zukunftsaussichten die Ausgabenbereitschaft der Konsumenten in der Krise zusätzlich zum rückläufigen Einkommen gesunken wäre. Da aber die US-Notenbank Fed über 5 Billionen US-Dollar, also den Gegenwert von einem Viertel des Bruttoinlandsprodukts eines Jahres, an zusätzlichem Geld erzeugte, kam es zu einer massiven Geldmengeninflation. Dieses Geld versickerte nicht wie nach der Lehman-Krise 2008 in schwarzen Bilanz-Löchern bankrotter Banken und Staaten. Dieses Mal wurde es durch staatliche Hilfs- und Unterstützungsprogramme direkt in die Hände von Konsumenten und Unternehmen gegeben.

Die Kombination aus sinkendem Güterangebot und steigender Kaufkraft führte sehr schnell zu erhöhter Preisinflation. Durch die Kombination aus enormem Geldmengenüberschuss und negativen Realzinsen wurden zudem Vermögenspreisblasen befeuert, die wiederum eine Wohlstandsillusion erzeugten. Diese Illusion (Buchgewinne) konnten durch Beleihung der Vermögenswerte in reale Kaufkraft umgewandelt werden und so noch mehr Nachfrage erzeugen. Gleichzeitig kam es durch diese Vermögenseffekte in Kombination mit einer Vervielfachung der Transferleistungen für Arbeitslose zu einer Verknappung der Anzahl Arbeitswilliger. Das führte speziell in den USA und Großbritannien durch höhere Lohnangebote bereits zu einer Lohn-Preis-Spirale. In Großbritannien verstärken aktuell zudem die Folgen des Brexits den Arbeitskräftemangel. In Deutschland könnte die Lohn-Preis-Spirale im kommenden Jahr u. a. durch höhere Lohnforderungen sowie das Anheben des Mindestlohns von heute 9,60 EUR pro Stunde auf dann 12 Euro pro Stunde (+25 Prozent) ausgelöst werden.

So berechnen Sie ihre individuelle Inflationsrate

Die offizielle Inflationsrate spiegelt das statistische Mittel wider – aber nicht die Preissteigerung des individuellen Warenkorbs. Diese variiert je nach Einkommenshöhe, Geschlecht, Alter und persönlichen Vorlieben zum Teil enorm. Allein der Genuss von Tabak kann zu einer signifikant höheren persönlichen Inflationsrate führen, als bei Nichtrauchern. Das gleiche gilt für regelmäßige Besucher von Restaurants und Cafés. Wohingegen der überdurchschnittliche Konsum von Alkohol den Promillewert in der persönlichen Teuerungsrate spürbar drückt. Wie genau sich Ihr persönlicher Verbraucherpreisindex im Vergleich zum amtlichen VPI unter Berücksichtigung Ihres Einkommens und Ihrer Konsumgewohnheiten entwickelt, können Sie anhand des „Persönlichen Inflationsrechners“ von DeStatis kalkulieren.

Fazit & Ausblick

Die Berechnung der Inflation wurde seit dem Zweiten Weltkrieg immer komplexer. Zum einen, um den sich ändernden Konsumgewohnheiten sowie dem technischen Fortschritt gerecht zu werden, zum anderen aber auch, um „Gestaltungsspielräume“ bei der Inflationsmessung zu erhalten. Durch die Pandemie-Krise und die Reaktion der Zentral- und Notenbanken darauf, ist die Inflation mit Wucht zurück.

Die Unfähigkeit der Zentral- und Notenbanken, v. a. der EZB, den Geldhahn wieder ganz zuzudrehen oder die Zinsen spürbar anzuheben, birgt die Gefahr einer sich festsetzenden Inflation. Wenn diese zum Dauerphänomen wird, reagieren auch die Lohn- und Gehaltsempfänger und fordern eine Kompensation für die deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten. Damit droht die berühmte Lohn-Preis-Spirale in Gang zu kommen, die vom zeitlichen Ablauf her korrekterweise eine Preis-Lohn-Preis-Spirale ist (zuerst steigen die Preise und die Lohnanpassungen hinken hinterher). Die persönliche Inflationsrate kann dabei deutlich von den Veränderungsraten des amtlichen Verbraucherpreisindex abweichen. Damit ergeben sich aber auch Spielräume, um mit dem eigenen Konsumverhalten die individuelle Preissteigerungsrate zu bremsen (aber bitte nicht durch die Höhergewichtung von Alkohol im individuellen Warenkorb).



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3 Kommentare

  1. Ich denke, die Inflation wird die Menschen in den südlichen Ländern weniger treffen.
    Denn dort haben viel mehr Menschen Eigentum. Auch werden die Heizkosten nicht die Rolle spielen, wie z. B. In Deutschland. Frische Lebensmittel (besonders Gemüse) werden im Land erzeugt usw.
    Aber, natürlich wird es uns auch in Südspanien treffen.
    War heute Tanken; Diesel 1,31Euro.
    Ist für Spanien schon recht teuer.
    Möhren kg 49 Cent bei LIDL und Kartoffeln 59 Cent. Nackenbraten 4,20 Euro/kg.
    Geschätzt/gefühlt würde ich sagen, die Grund-Nahrungsmittel haben sich im letzten Jahr wirklich „nur“ um 4 bis 5% erhöht.
    Auch mein Zahnarzt hat mir einen Zahn für 430,00 Euro überkront, und ein Implantat für 1.200, 00 Euro eingesetzt.

    Bin mal gespannt, wie die Inflation im neuen Jahr uns treffen wird, wenn die Erzeugepreise durchschlagen.

    Viele Grüße aus Andalusien
    Helmut

  2. Persönliche Inflationsrate liegt bei 3,3%

  3. Die Vorausschau auf die Inflation wird hauptsächlich aus wirtschaftlich relevanten Faktoren, Zahlen, Sachverhalten abgeleitet. In der aktuellen Situation z.B. aus den absehbaren Entwicklungen wie der Deglobilisierung der Produktion, der Decarbonisierung (Stichwort: grüne Energie) sowie der in etwas weiterer Zukunft angesiedelten Demografie. Das ist alles richtig, aber daneben wirkt noch ein kaum einzuschätzender Faktor: Die Psychologie der Nachfrager für die Waren und Dienstleistungen. Wehe sie erkennen, dass die Beruhigungspille „Die augenblickliche Inflationsrate ist nur vorübergehend“ nicht wirklich wirkt. Dann kann die Inflation leicht und sehr schnell anfangen zu galoppieren. Die Konsumenten sollten auf der Hut sein !

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