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„Zertifikate und Optionsscheine sind keine Termingeschäfte“ – Sieg für die Bankenlobby?

Optionsscheine und Zertifikate werden über Computer gehandelt

Zertifikate und Optionsscheine sind keine Termingeschäfte – so hat es nun das Bundesfinanzministerium offiziell verkündet. Warum das für Sie als Anleger so wichtig sein kann? Gehen wir zurück zum 1. Januar diesen Jahres. Da ist eine Novelle des deutschen Einkommensteuergesetzes (§ 20 Absatz 6) in Kraft getreten. Demnach kann man Gewinne aus Termingeschäften nur noch mit Verlusten aus Termingeschäften verrechnen, um die Steuerlast auf Gewinne zu senken. Mann kann also zum Beispiel 100.000 Euro Verlust in einem Jahr bei Aktien gemacht haben. Aber bei 50.000 Euro Gewinn in Termingeschäften muss man dennoch diese 50.000 Euro versteuern.

Verlustverrechnung macht aus Nettogewinnen nach Steuern Verluste

Jetzt wird es aber spannend, beziehungsweise desaströs, was sich Olaf Scholz da ausgedacht hat. Seit 1. Januar können Verluste aus Termingeschäften nur noch in Höhe von 20.000 Euro pro Jahr mit Gewinnen aus Termingeschäften verrechnet werden. Dadurch kann ganz real die absurde Situation entstehen, dass Sie als Anleger in einem Jahr nach Steuern Verluste machen können, obwohl sie vor Steuern Gewinne gemacht haben. Ein Rechenbeispiel: Sie machen mit Termingeschäften 150.000 Euro Gewinn und 140.000 Euro Verlust, netto als 10.000 Euro Gewinn. Sie dürfen von den 140.000 Euro Verlust aber für das Finanzamt nur noch 20.000 Euro vom Gewinn abziehen. Sie müssen also 130.000 Euro mit 25 Prozent versteuern, was 32.500 Euro entspricht. Aus 10.000 Euro Netto-Gewinn vor Steuern werden nach Steuern 22.500 Euro Verlust nach Steuern – unfassbar!

Für das Ministerium sind Optionsscheine und Zertifikate keine Termingeschäfte, dafür aber Optionen und CFDs

Diese Horror-Regel greift für „Termingeschäfte“. Aber was sind Termingeschäfte eigentlich aus Sicht des Finanzamts? Das war seit Jahresanfang nicht ganz klar. Hierzu hat das Bundesfinanzministerium nun eine Klarstellung veröffentlicht (hier alle Details). Obskur kann man fast schon die Klassifizierung der „Börsenexperten“ aus dem Ministerium nennen. Denn das Wort „Termingeschäft“ besagt ja bereits, dass das gehandelte Produkt ein Ablaufdatum haben muss, also einen Zeitpunkt, bis wann Rechte und/oder Pflichten ausgeübt werden können/müssen, und wann das Produkt verfällt. Aber nein. Es kam anders. Und ohhh Wunder, so möchte man meinen. Die Banken in Deutschland, die Optionsscheine und Zertifikate ausgeben, werden mit ihren Produkten aus dieser Gesetzesverschärfung ausgenommen, indem man einfach sagt, dass Optionsscheine (die ein Ablaufdatum haben) eben keine Termingeschäfte sind.

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CFDs (Contracts for Difference), die endlos laufen (also ohne Ablaufdatum), sind laut Bundesfinanzministerium aber Termingeschäfte. Und ohhh Wunder, CFDs sind Produkte, die in der Regel von Brokern außerhalb Deutschlands ausgegeben werden, während sich die deutschen Anbieter fast ganz auf Zertifikate und Optionsscheine konzentrieren. Was für ein Zufall, dass genau diese Produkte der deutschen Bankenlobby von diesem Horror-Gesetz ausgenommen wurden? Hier auszugsweise im Wortlaut vom Bundesfinanzministerium zwecks Klarstellung, was denn nun bezüglich der begrenzten Verlustverrechnung überhaupt Termingeschäfte sind:

Der Begriff des Termingeschäfts umfasst sämtliche als Options- oder Festgeschäft ausgestaltete Finanzinstrumente sowie Kombinationen zwischen Options- und Festgeschäften, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Preis unmittelbar oder mittelbar abhängt von

• dem Börsen- oder Marktpreis von Wertpapieren,
• dem Börsen- oder Marktpreis von Geldmarktinstrumenten,
• dem Kurs von Devisen oder Rechnungseinheiten,
• Zinssätzen oder anderen Erträgen oder
• dem Börsen- oder Marktpreis von Waren oder Edelmetallen.

Zu den Termingeschäften gehören insbesondere Optionsgeschäfte, Swaps, Devisentermingeschäfte und Forwards oder Futures (vgl. Rn. 36 und 37) sowie Contracts for Difference (CFDs). CFDs sind Verträge zwischen zwei Parteien, die auf die Kursentwicklung eines
bestimmten Basiswerts spekulieren. Basiswerte können beispielsweise Aktien, Indizes, Seite 4 Währungspaare oder Zinssätze sein. Zertifikate und Optionsscheine gehören nicht zu den Termingeschäften.

Der Irrsinn

Lustig oder auch traurig: Das Ministerium stuft Optionen als Termingeschäfte ein, Optionsscheine aber nicht – obwohl beide von der Produktkonstruktion her identisch sind. Nur die einen sind Produkte, bei denen Käufer und Verkäufer auf einer Optionsbörse zusammentreffen. Die anderen Produkte werden von Banken ausgegeben, die den Gegenpart zum Privatanleger einnehmen. Der Deutsche Derivate Verband, in dem das Who is Who der deutschen Emittenten für Optionsscheine und Zertifikate vertreten ist, zeigt sich dementsprechend begeistert. Denn nicht nur, dass die eigenen Produkte von diesem Steuer-Horror ausgenommen wurde. Die ausländische Konkurrenz der CFD-Anbieter wird krass benachteiligt, und somit könnte es womöglich einen starken Zulauf von Privatanlegern geben, die eben wegen diesem Steuer-Horror CFDs meiden und nun vermehrt Optionsscheine handeln. Hier auszugsweise im Wortlaut vom Derivate-Verband:

Wir begrüßen, dass das Bundesfinanzministerium die Linie aus dem Sommer 2020 beibehalten und davon abgesehen hat, Optionsscheine und Knock-Out Produkte steuerlich den Termingeschäften zuzurechnen. Das ist sachgerecht und schafft Klarheit und Einheitlichkeit mit anderen Rechtsbereichen. Es ist eine gute Nachricht für viele Anlegerinnen und Anleger, denn sie können die diversen Absicherungsmöglichkeiten dieser Wertpapiere nun weiterhin auf vielfältige Weise nutzen“, so Dr. Henning Bergmann, geschäftsführender Vorstand des Deutschen Derivate Verbands (DDV).

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2 Kommentare

  1. Optionsscheine haben in der Regel immer ein Zeitfaktor, viele aber ebend nicht alle Zertifikate auch, Optionen sowieso aber die meisten CFDs nichts. Aber so ist die Welt nun mal, macht Kim Jong-un ja auch so, wenn der sagt die Blätter sind blau und der Himmel ist grün dann ist das ebend so :-/
    Derartige Vorgehensweisen sind schon selbstsprechend und haben in der Vergangenheit NIE zum Ziel geführt. Aber möglicherweise hat ein nach Zufriedenheit, Wohlstand und Wachstum strebendes Volk einfach nur ein falsches Ziel vor Augen – wer weiß das schon.

  2. Werner Schlangen

    Ein Schelm wer böses dabei denkt das der Staatssekretär von Olaf Scholz ein ehemaliger Mitarbeiter von Goldmann Sachs ist.

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