Indizes

Plötzlicher Kurseinbruch an der Wall Street Aktienmärkte: Absturz im S&P 500 – was war da los?

Aktienmärkte: Absturz im S&P 500 - was war da los?
Wall Street-Trader. Foto: Michael Nagle/Bloomberg

Gestern Abend kam es zu einem plötzlichen Kursrutsch an den US-Aktienmärkten, ohne, dass es irgendwelche impulsgebende News gab. Die großen Indizes fielen allesamt deutlich und schnell zurück. Der US-Leitindex S&P 500 schloss 1,5 % tiefer – immerhin der größte Tagesverlust seit September. Was war also der Auslöser für den Absturz? Verantwortlich für den Kurseinbruch sind laut Marktbeobachtern die „Zero-Day-Options“, die sogenannten 0DTE. Nicht nur Privathändler nutzen diese Tools zum Zocken, sondern inzwischen auch Profianleger. Das ruft Kritiker auf den Plan, die vor schweren Marktverwerfungen warnen. Das enorme Volumen am Optionsmarkt und die kurzen Laufzeiten dieser Geschäfte können, wie gestern gesehen, starke Kursbewegungen auslösen.

Wie der folgende Chart von TradingView zeigt, sind die US-Indizes S&P 500, Nasdaq 100 und Dow Jones am Mittwoch plötzlich und unerwartet eingebrochen – Auslöser waren wohl die 0DTE-Optionen.

US-Aktienmärkte: 0DTE-Puts lösen plötzlichen Einbruch im S&P 500 aus
US-Aktienmärkte am Mittwoch: 0DTE-Puts lösen plötzlichen Einbruch aus

Zero-Day-Options lassen den S&P 500 abstürzen

Der heißeste und vielleicht auch umstrittenste Derivatehandel dieses Jahres – die Zero-Day-Opitions (0DTE) – stand ein letztes Mal im Jahr 2023 im Rampenlicht. Wie Bloomberg berichtet, machen Marktbeobachter die 0DTEs als die Bösewichte hinter dem gestrigen Einbruch an den US-Aktienmärkten verantwortlich.

Da sich der S&P 500 Index in überkauftem Terrain befand und das Handelsvolumen durch die bevorstehenden Feiertage eingeschränkt war, vermuten Beobachter, dass ein hohes Volumen an 0DTE-Put-Optionen, die innerhalb von 24 Stunden auslaufen, ausreichte, um den Aktienmärkten ihren größten Verlust seit fast drei Monaten zuzuführen. Solche Geschäfte würden die Market Maker auf der anderen Seite der Transaktionen dazu zwingen, ihr Risiko abzusichern, was den Markt nach unten drücke, so die Argumentation.

„Wir sind schon seit geraumer Zeit vorsichtig mit 0DTE-Optionen“, schrieb Matthew Tym, Leiter des Handels mit Aktienderivaten bei Cantor Fitzgerald LP, in einer Notiz mit seinem Kollegen Paolo Zanello. „Heute haben wir einen späten Ausverkauf erlebt, der unserer Meinung nach durch 0DTE-SPX-Optionen verursacht oder sicherlich noch verstärkt worden sein könnte. Das Marktumfeld war auf jeden Fall reif dafür, so überkauft wie die Aktienmärkte zuletzt waren.“

Der Handel mit Put-Optionen, die den Käufern das Recht, aber nicht die Pflicht zum Verkauf eines Basiswerts einräumen, habe die Aufmerksamkeit im S&P 500 auf den Bereich zwischen 4.755 und 4.765 gelenkt, hieß es. Der S&P 500-Index rutschte von einem Tageshoch von 4.778,01 auf einen Schlussstand von 4.698,35 ab. Immerhin war der Rückgang von 1,5 % gegenüber dem vorherigen Schlusskurs der stärkste seit dem 26. September. Der Momentum-Indikator, der Relative-Stärke-Index, erreichte Werte, die üblicherweise vor einem Rückgang zu beobachten sind. Das Angstbarometer der Wall Street – der VIX – stieg von einem mehrjährigen Tiefststand deutlich an.

ODTE in der Kritik

Angesichts der explosionsartigen Zunahme des Handels mit 0DTE-Kontrakten in diesem Jahr wird weiterhin über deren breitere Auswirkungen auf die Aktienmärkte diskutiert. Für institutionelle Anleger bieten „Zero-Day-to-Expiry“-Optionen eine Möglichkeit, sich gegen kurzfristige Risiken abzusichern. Damit verfolgen sie Strategien, die auf dem schnellen Ein- und Ausstieg aus Positionen basieren. Für Kleinanleger bieten sie hingegen die Möglichkeit, mit geringem Kapitaleinsatz große Wetten einzugehen, die sich schnell auszahlen können – oder eben auch nicht.

Während Marko Kolanovic von JPMorgan davor gewarnt hat, dass die Popularität des Produkts das Risiko birgt, dass sich vergangene Schocks wie das Volmageddon von 2018 wiederholen, gibt es laut Cboe Global Markets kaum Hinweise darauf, dass der Kauf und Verkauf von Derivaten den zugrunde liegenden Markt destabilisiert.

Das Optionsanalyseunternehmen SpotGamma erklärte in einem Beitrag auf der Social-Media-Plattform X, dass 0DTE-Optionen für die gestrigen Rücksetzer an den US-Aktienmärkten verantwortlich waren. Rocky Fishman, Gründer des Derivate-Analyseunternehmens Asym 500, wies darauf hin, dass das tägliche 0DTE-Volumen mit 900 Mrd. USD das höchste seit Anfang Oktober war, was angesichts des Fehlens spezifischer Wirtschaftsnachrichten während des Tages bemerkenswert war.

„Die hohen Volumina könnten zum Ausverkauf im S&P 500 beigetragen haben, wenn es sich bei der zusätzlichen Aktivität um direktionale Optionskäufe handelte“, so Fishman.

Was die Strategen von Bloomberg sagen:

„Es gab heute ein ziemlich gutes Volumen an 0DTE-Puts, und als wir die Marke von 4.755-4.750 überschritten, gab es ein gutes Volumen an Futures zu verkaufen. In einem illiquiden Feiertagsmarkt haben die kurzlaufenden Optionen eine noch größere Wirkung. Zumindest wurde den Marktteilnehmern vor Augen geführt, dass die Teilnahme an Aktienmärkten mit Risiken in beide Richtungen verbunden ist – eine Tatsache, die in den letzten sieben Wochen nur allzu leicht in Vergessenheit geraten ist.“ – Cameron Crise, Makro-Stratege

FMW/Bloomberg



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

2 Kommentare

  1. Laut Global Markets sollen die Derivate den Markt nicht destabilisieren. Welch ein Witz..Das war früher so als Derivate in kleinen Volumen zu Absicherungen auf Monate hinaus getätigt wurden. Heut wo die Derivatmenge den realen Handel übertreffen werden die Ausschläge kurz und mittelfristig stark beeinflusst.Wenn niemand echt verkauft und alle nur absichern steigen die Märkte viel zu hoch und alle haben Freude und die Permabullen verhöhnen die Realisten.
    Wenn die unausweichliche Korrektur so alle 3bis 4Jahre eintritt müssen die Notenbanken wieder krisenmässig stützen.
    Wenn man jetzt über die gestrige Wende erstaunt ist finde ich es komisch, ein Geisterfahrer ( Geistermarkt) ist noch nie weit gekommen, oder staunt man da jeweils wenn es knallt.

    1. @Derivateur, viel Spaß dabei, die 3-4 jährigen „unausweichlichen“ Korrekturen ( in welcher Höhe? ) am 0DTE-Handel festzumachen. Ich würde dagegen halten, dass Sie nichts dergleichen demonstrieren können.

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage