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Aktienmärkte mögen keine boomende Wirtschaft!

Steigen die Börsen, wenn die Wirtschaft brummt? Nein - das Gegenteil ist der Fall!

Steigen die Aktienmärkte weiter , wenn die Wirtschaft stärker wird? Viele Anleger jubeln derzeit über das scheinbare Goldilocks-Szenario in den USA. Eine auch im historischen Vergleich stark wachsende US-Wirtschaft, niedrige Zinsen, die von der Notenbank im Bereich des kurzen Spektrums noch für längere Zeit tief gehalten werden und eine Inflation, von der die Fed als vorübergehende Erscheinung spricht. Aber diese Kombination ist ein Widerspruch in sich und schreit nach Anpassung.

Aktienmärkte mögen keine boomende Wirtschaft

In den letzten Wirtschaftszyklen war es stets so, dass eine zu stark wachsende Wirtschaft immer zu Reaktionen seitens der Notenbank geführt hat, weil eine boomende Wirtschaft stets mit Inflation verbunden war. Die Fed kann Inflation nicht ignorieren, „Price Stability“ ist Teil ihres gesetzlichen Auftrags – trotz aller Warnzeichen derzeit (Transportkosten, Energiekosten, gestörte Lieferketten durch überbordende Nachfrage), hält die Notenbank hohe Teuerungsraten für transient, transitory, also vorübergehend.

Aber beides geht nicht. Hohes Wachstum = schlechte Aktienmärkte, dies war eine ständige Folge. Anders herum: Soweit ich mich zurück entsinnen kann, war es stets ein Wunschszenario für die Aktienmärkte, eine moderat wachsende Börse und niedrige Zinsen. Noch haben wir in den USA sehr niedrige Zinsen, auch wenn wir gestern mit 1,745 Prozent bei den 10-jährigen US-Treasuries die Nullermarke bei den Realrenditen überschritten haben. Die Aktienmärkte wissen aus langer Erfahrung: 6,5 Prozent BIP-Wachstum und 1,5 Prozent Kapitalmarktzinsen sind nicht kompatibel, entweder muss Ersteres deutlich nach unten oder Zweiteres deutlich nach oben – mit Folgen für die Asset Allocation.

Wie teuer sind die Aktienmärkte?

In der gestrigen Ausgabe der „Welt“ hat Holger Zschäpitz auf eine besondere Kennzahl hingewiesen, die das Niveau der großen Aktienmärkte sehr deutlich veranschaulicht. Das Kurs/Buch-Verhältnis der Aktienmärkte, also der addierte Buchwert der in den Indizes enthaltenen Aktien. Die Summe, was alle Gebäude, Maschinen, Liegenschaften, Fuhrparks und Patente wert sind, der Buchwert der Firmen. Dieser Punktwert, auch Midaslinie genannt, hat in den letzten vier größeren Einbrüchen seit der Internet-Bubble gehalten – stets hat der Dax immer seinen Abwärtstrend an dieser Linie gestoppt.

Derzeit liegt der deutsche Leitindex beim 1,9-fachen seines Buchwerts, der französische CAC 40 bei 1,8, ebenso wie der britische FTSE 100. Teurer ist der japanische Nikkei mit Faktor 2,2 sowie der amerikanische S&P 500 mit der vierfachen Bewertung. Allerdings muss dem US-Markt wegen seiner herausragenden Wachstumswerte eine höhere Bewertung zugestanden werden, teurer als der Dax ist er aber allemal.

Der langjährige Durchschnitt liegt beiden europäischen Märkten bei Faktor 1,7, für die USA berechnet sich ein Multipel von 2,9. Dies sind allerdings nur Bewertungszahlen, Tradingempfehlungen lassen sich unmittelbar nicht davon ableiten.

Was heißt dies aber nun für die kurz- und mittelfristigen Aussichten der Aktienmärkte? Sollten sich die Wachstumsaussichten für die USA (6,5%) und Europa (3 bis 4%) bewahrheiten, so wären dies schlechtere Aussichten für die hoch bewerteten US-Märkte. Denn zum einen entstünde daraus ein deutlich größeres Inflationspotenzial als in „Good Old Europe“ und zum anderen sind die Voraussetzungen auf der Zinsseite derzeit ziemlich konträr. Während die Europäische Zentralbank bei den deutschen 10-jährigen Bunds mit minus 0.30 Prozent so etwas wie einen Cap gesetzt hat (bei 1,30 Prozent Inflationsrate), dabei ausdrücklich betont hat, keine höheren Renditen zu akzeptieren, macht das Pendant, die Federal Reserve selbst bei 1,75 Prozent plus noch keine Anstalten in größerem Stil aktiv zu werden.

Was für ein Renditevergleich, besonders in punkto Realzinsen und wahrlich keine Alternative für Investoren, die nicht im Anleihesektor kaufen müssen.

Fazit

Sollte die „Krücke“ Dax tatsächlich einmal für längere Zeit die Nase vorn haben gegenüber dem Weltleitindex S&P 500? Man glaubt es kaum. Sowohl auf Jahressicht ( +72 Prozent gg. 62 Prozent) als auf Sicht eines Monats (plus 7 Prozent gg. 5 Prozent) liegt der Dax mit seiner Performance vor seinem großen Bruder aus Übersee. Zunächst wegen der Branchenrotation und der von mir häufiger angesprochenen notwendigen Korrektur der marktschweren Hightech-Werte (Mean Reversion, nach einer Dekade Überwachstum). Jetzt kommt dazu noch die Zinskeule, als besondere Belastung für die hoch bewerteten US-Titel. Könnte also sein, dass diese Entwicklung keine kurzfristige sein wird.

Außer das prognostizierte Wachstum und die Inflationssorgen erweisen sich als Chimäre, dann würde sich das alte Ranking schnell wieder durchsetzen. Wie erwähnt, die Aktienmärkte mögen keinen Wirtschaftsboom. Irgend wohin müssen die frisch gedruckten Billionen Dollar in den USA aber hinfließen…

Warum die Aktienmärkte eher fallen wenn die Wirtschaft boomt



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