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Aktienmärkte: Warum der Dax den harten Lockdown nicht einpreist!

Auf welchen Zeitraum blicken eigentlich die Aktienmärkte - und warum fällt der Dax nicht trotz des harten Lockdowns in Deutschland?

Auf welchen Zeitraum blicken eigentlich die Aktienmärkte – und warum fällt der Dax nicht trotz des harten Lockdowns in Deutschland?

Sicherlich blicken die Aktienmärkte nicht auf die Gegenwart und die aktuelle Lage, denn sonst müsste man angesichts einer zu erwartenden „Double-Dip-Recession“ im vierten Quartal um Etagen tiefer stehen. Genau wie im Frühjahr 2020, als es eine gewaltige Bewegung nach oben gab, inmitten des wirtschaftlichen Supergaus. Deshalb bin ich immer erstaunt, wenn von der Divergenz zwischen der aktuellen Lage und dem Stand der Börsenkurse gesprochen wird.

Inmitten eines „harten“ Winters mit zahlreichen Einschränkungen für große Teile der Gesellschaft erscheint es sicherlich noch verfrüht zu sein, an die warme Jahreszeit und danach zu denken, aber genau das ist der Zeitraum auf den die Aktienmärkte fixiert sind. Was wird los sein in unserer Gesellschaft, mit unserer Wirtschaft, mit dem Freizeitverhalten der Menschen nach langen Perioden der „relativen“ Enthaltsamkeit? Werden die Menschen mit großer Intensität zu ihren alten Gewohnheiten zurückkehren und entlädt sich dann sogar großes Nachholpotenzial? Kommt darauf an!

Das Prinzip der Aktienmärkte

Die Erwartungen an die mittelfristige Zukunft ist mit einer der entscheidenden Fragen, denn daraus ergibt sich die Kursentwicklung für die Aktienmärkte – abseits der großen monetären Unterstützung, die aber demselben Mechanismus unterliegt. Deshalb noch einmal zum Grundprinzip der Börsen: Was wäre denn, wenn Frühindikatoren einen Gleichklang zwischen der aktuellen Lage und den Zukunftsaussichten signalisierten? Es käme in den meisten Fällen zum Börsenrutsch, weil dies kein Wachstum, keine Phantasie bedeutete. Oder wenn die Notenbank andeuten würde, es bliebe bei dem Stand der Unterstützung?

Auf Unternehmensbasis erlebt man dies doch ständig. Beispiel SAP aus dem Dax: Die Meldung eines Rekordgewinns, bei gleichzeitiger Reduktion des Gewinnwachstums in der Zukunft, auch nur um wenige Prozent, hat zu einem gewaltigen Kursrutsch des deutschen Highflyers geführt. „Fürs Gehabte gibts nichts“, so ein alter Börsenspruch. Der tägliche Nachrichtensturm ist für die Entwicklung der Aktienmärkte nur dann relevant, wenn sich das Delta zwischen den Erwartungen an die Zukunft mit seiner gegenwärtigen Einpreisung verändert. Deshalb lassen die aktuellen dramatischen Coronazahlen die Börsen „relativ“ unbeeindruckt.

Damit kommen wir zur entscheidenden Frage der Gegenwart.

Wird der Impfplan umgesetzt werden können?

Die Aktienmärkte gehen fest davon aus, dass sich der Impfstoff als wirksam erweisen und die versprochenen Mengen geliefert werden können – so dürfte es bis zum Sommer bereits viele Millionen immunisierte Menschen geben. Zunächst die älteren Menschen und die „wichtigen“ Berufsgruppen und sicher auch schon Jüngere. Gleichzeitig steigt in Deutschland die Zahl derer, die die Infektion bereits überstanden haben. In diesen Tagen werden wir in Deutschland die Millionengrenze überschreiten, bei 1,3 Millionen offiziellen Fällen und einer Dunkelziffer, die Virologen mit dem Faktor 3 bis 4 veranschlagen. Selbst bei Durchführung von Impfungen werden dabei noch viele hinzukommen, da gerade die aktiven und weniger gefährdeten Jüngeren noch nicht so schnell an der Reihe sind. Jedenfalls wird die Zahl der möglichen „Covid-19-Opfer“ von zwei Seiten geringer werden.

In anderen Ländern dürfte dies noch viel schneller und deutlicher geschehen. Während in Deutschland offiziell bisher jeder 63. von Covid-19 infiziert wurde, ist es in Italien jeder 33., in Frankreich und in Holland jeder 28., in Spanien jeder 27., in der Schweiz jeder 23., in Tschechien und Belgien jeder 19. und in Luxemburg sogar jeder 15., also über sechs Prozent der Bevölkerung. Aber was ist mit der jeweiligen Dunkelziffer, die natürlich mehr und mehr eine Rolle spielen wird?

Zum Beispiel in den USA, dem wohl am stärksten betroffenen Land. Dort hat man bereits fast 17 Millionen offiziell Infizierte, jeder 20., fünf Prozent der Bevölkerung und die Dunkelziffer dürfte bei deutlich mehr als beim Faktor fünf liegen, zu manchen Zeiten sprach man sogar vom Faktor zehn. Haben dort tatsächlich schon über 100 Millionen Menschen die Infektionskrankheit überstanden? Und jetzt soll bereits diese Woche mit der Impfung im großen Stil begonnen werden. Insgesamt ist das Impfprojekt schon ein gewaltiges globales Projekt. Es befinden sich derzeit 48 Impfstoffe in der klinischen Erprobung, drei in der Zulassung.

Es könnte 2021 sogar ein Überangebot an Impfstoffen geben, denn allein BioNTech will schon 1,3 Milliarden Dosen Impfstoff produzieren. Sollte es da im Jahresverlauf nicht Abermillionen an Impfungen geben?

Wie dargestellt: das bisher Geschilderte geschah in etwa neun Monaten des Jahres 2020 und fast noch einmal so lang ist es bis zum Hochsommer 2021. Kurzum, die Zahl der für die Krankheit Immunen dürfte bis zum Sommer gewaltig gestiegen sein, wenngleich vielleicht noch keine Herdenimmunität zu erwarten ist.

Was werden die Menschen tun, mit der gewonnenen Sicherheit? Und wie reagieren die Aktienmärkte darauf?

Die Macht der Gewohnheit

Was werden Millionen von Menschen tun, im Gefühl einer gewissen Sicherheit, wenn es Ihnen erlaubt wird, zu reisen, in Cafés, Restaurants, Biergärten zu gehen und das Alltagsleben wieder im gewohnten Maße fortzusetzen? Hat sich dort nicht ein gewaltiger Stau gebildet, eine unbändige Lust nach alten Gewohnheiten? Gewiss haben Millionen Menschen unter Corona auch finanziell gelitten, aber was ist mit den vielen Millionen die überhaupt keine finanziellen Beeinträchtigungen hatten und sogar Geld gespart hatten, weil sie es einfach nicht ausgeben konnten? Der Deutsche gibt statistisch gesehen im Jahr 73 Milliarden Euro für Urlaub aus (2019 – statista). Im Vor-Coronajahr hatten rund 55 Millionen Personen eine Reise von mindestens fünf Tagen unternommen, das letzte Rekordjahr mit 70 Millionen Urlaubsreisen. Bei durchschnittlichen Reisekosten von 1030 Euro pro Person und Reise.

Das war 2019, deshalb dürfte 2021 doch einiges an Geld für Freizeit und Urlaub vorhanden sein. Bei den 21 Millionen Rentnern, die keinerlei finanzielle Einbußen hatten, sondern eher eine große Rentenerhöhung im Jahr 2020 (3,45 – 4,20 Prozent), den 4,6 Millionen im Öffentlichen Dienst, den Millionen von Berufstätigen aus verschiedenen Sparten, die von Corona nicht beeinträchtigt worden, aus dem Industrie-, dem Bau- und dem Handwerkssektor, dem Medizinsektor, um nur einige Bereiche zu nennen. Um jetzt nicht missverstanden zu werden: natürlich gibt es auch Millionen von Schicksalen, die als Freiberufler oder aus bestimmten Branchen kommend, in Existenznöte geraten sind. Aber der Staat gleicht zumindest etwas davon aus mit seiner Schuldenaufnahme in Höhe von 180 Milliarden Euro für 2021.

Die Einschränkungen des Lebens, neben den vielen Reisewarnungen haben dazu geführt, dass sich die Sparquote in der EU im Coronajahr um acht Prozent erhöht hat. Für Deutschland rechnen die Volkswirte 2020 mit einer Rekordsparquote von 17 Prozent, 2019 waren es im Vergleich dazu „nur“ 10,9 Prozent des verfügbaren Einkommens. Wie hoch die derzeitige Sparquote ist, zeigt ein Vergleich mit der Vergangenheit. Das bisher höchste Sparniveau stammt mit fast 13 Prozent aus den Jahren 1991 und 1992. Die Kehrseite der Medaille: Auch der Bundesfinanzminister sieht dieses Volumen und wird sicherlich künftig etwas für den strapazierten Staatshaushalt etwas davon abhaben wollen.

Die Frühreaktionen in einigen Branchen

Derzeit läuft in manchen Wirtschaftsbereichen ein etwas zwiespältiges Prozedere ab. Beispiel Fluggesellschaften und die Lufthansa: Man erlebte gerade den größten Einbruch seiner Geschichte mit Rückgängen im Passagiergeschäft um 90 Prozent – von den 763 Maschinen blieben phasenweise 700 am Boden – man muss umstrukturieren, sparen, Beschäftigte entlassen. Gleichzeitig meldet die Gesellschaft von deutlich ansteigenden Buchungen für den Sommer.

Die Kurse von Kreuzfahrtgesellschaften wie Carnival oder Norwegian Cruise Line sind binnen eines Monats um 50 Prozent gestiegen, die Langfristbuchungen laufen gewaltig. Und was passiert mit all den großen Hotelketten, die so gelitten haben?

So lange die Coronainfektionen nicht gebannt sind, können sich viele Bereiche des Tourismus in keinster Weise erholen. Auch nicht andere Branchen aus dem Bereich der Kultur, überhaupt in jeglicher Branche, die vom Zusammentreffen Vieler profitiert. Industrieproduktion hin oder her, der Tourismus macht etwa 10 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung aus. Aus einem Börsen-V (verursacht durch die Wirtschaftserholung inklusive der vielen Stimuli durch Staaten und Notenbanken) kann so lange nicht ein Wirtschafts-V werden, so lange die Freizeitbranche sich nicht erholen kann. Aber genau das ist die Hoffnung, ja sogar die Erwartung der Aktienmärkte, für die Zeit nach dem Sommer 2021.

Der Mensch ist ein „Gewohnheitstier“ und möchte zumindest einen Großteil seines Vor-Corona-Lebens zurückhaben – der Aufholeffekt dürfte umso stärker werden, desto größter die Einschränkungen im aktuellen Winter sein werden. Da braucht man kein Psychologe zu sein, um zu erahnen, was Menschen umtreibt, die medizinisch und ordnungspolitisch bedingt über einen längeren Zeitraum ihrer Rechte beeinträchtigt wurden, die unser Grundgesetz so schön im Artikel 2 mit dem Grundrecht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit umschreibt.

Fazit

Sollte es tatsächlich so kommen, wie es die Impfstoffhersteller sowie mancher Gesundheitspolitiker vorhersagen, ist im Sommer mit einem Ansturm auf jegliche geöffnete Freizeitanlagen zu rechnen, Ähnliches hatte man bereits im noch beschränkten Sommer 2020 gesehen. Werden deutsche und andere Touristen die Baleareninsel Mallorca „heimsuchen“, wie die …? Die Lufthansa spricht bereits jetzt von einer Verdreifachung der Buchungen für den Sommer und dabei herrscht in punkto Impfung noch totale Unsicherheit in weiten Kreisen der Bevölkerung.

Auch wenn das große Geschäft mit den Firmenkunden noch auf sich warten lassen sollte, könnte es mit den Urlaubsreisen extrem schnell nach oben gehen, wie es andere Bereich nach dem Lockdown im April 2020 auch getan haben. Die Börsenkurse der internationalen Fluggesellschaften haben schon einmal gewaltig reagiert. Wer glaubt, im Zuge der Impfungen mit einem ETF auf einen Aviation & Leisure-Sektor noch große Nachholchancen zu haben, den dürfte ein Blick auf die Charts enttäuschen. Die Aktienmärkte haben wieder einmal nicht zum Einstieg geläutet. Wie geschrieben: Die Rede ist nicht vom Winter oder Frühjahr 2021, mit all den möglichen Restriktionen, Hoffnungen und Enttäuschungen.

Dies heißt aber auch, dass dann im Sommer die Kurse der Aktienmärkte insgesamt und des Dax im Speziellen nicht höher stehen müssen als heute – weil man dann auf das Jahr 2022 blickt, die Inflation, die Zinsen, die Notenbanken, die Schulden, die Unternehmenspleiten und, und, und!

 

Warum die Aktienmärkte und der Dax sich kaum um den harten Lockdown in Deutschland kümmern!



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3 Kommentare

  1. Wieso sollten die Kurse im DAX nicht höher stehen als heute? Der DAX hat erhebliches Aufholpotential. Also ich rechne nächsten Sommer mit einem DAX-Stand von 16000. Dann, ja dann, weil es fürs „Gehabte nicht mehr gibt“ und die heutige Hoffnung der Börse in Erfüllung geganen ist, könnte es wieder abwärts gehen „… weil man auf das „Jahr 2022 blickt, die Inflation, die Zinsen, die Notenbanken, die Schulden, die Unternehmenspleiten und, und, und!“.

  2. Die Märkte stehen aber höher als vor der Pandemie. Und in der Freizeit sehe ich keine Nachholeffekte. Ich werde im Sommer nicht den stornieren Urlaub aus 2020 nachholen. Ich mache dann ganz normal meinen 2021 Urlaub.

  3. Kasse leer/ EZB hat fertig

    Der Nachholeffekt könnte sich in Grenzen halten.Fast alle Nachkriegsbürger haben noch nie eine so schlechte Zeit erlebt. Selbst Herr Schwab vom WEF sagte, dass die Nach Corona Zeit nicht mehr die gleiche sein wird. Viele werden arbeitslos sein, einige werden Schulden zurückzahlen müssen, andere werden sparen um den nächsten Schwarzen Schwan zu überstehen und sogar die Profiteure werden vorsichtig investieren.Ein Nachholbedarf besteht jedoch bei der Börse, denn der von Allen als unmöglich taxierte zweite Lockdown haben die Börsen noch nicht eingepreist. Auch das Pulver der Notenbanken wurde in den letzten 10 Jahren verschossen.Während Zinssenkungen von 4% auf Null noch einen Nutzen vortäuschten, werden bei Zinssenkungen ins Negative die Nachteile sofort offensichtlich.
    Der Traum von weiter wie vorher und immer steigenden US- Börsenkursen wird sich bald verflüchtigen.
    Eine Voraussage geht von stark steigenden Sozial und Gesundheitskosten , vielen Arbeitslosen im Gastgewrbe, aber vielen neuen Beamtenstellen aus.Die stark steigenden Kosten werden über Steuern
    die verfügbaren Einkommen schmälern und die Wirtschaft bremsen.Der nichtssagenden Inflationsindex wird so durch die Realität ausgebremst.Unter dem Strich ist es für den Konsumenten das Gleiche ob er über die Teuerung mehr bezahlt oder ob er weniger Geld zur Verfügung hat.

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