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Christine Lagarde: EZB-Präsidentin warnt vor Rezession – warum?

Wer geglaubt hat, dass sich angesichts der Impfstoffhoffnung durch BioNTech/Pfizer das monetäre Umfeld geändert hat, wird durch die Aussagen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde vom Mittwoch eines Besseren belehrt. Sie warnt vor der Rezession in Europa, warum wohl?

Christine Lagarde und die „vorauseilenden“ Begründungen der EZB

Bereits im Oktober hatte die französische Präsidentin der Europäischen Zentralbank die Märkte darauf vorbereitet, dass auf der Dezembersitzung noch eine Ausweitung der Notfallprogramms PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme ) kommen wird. Wörtlich: „Im EZB-Rat herrscht vollständige Einigkeit darüber, dass wir handeln müssen!“ Bei der gerade laufenden Konferenz der Notenbanken (früher Sintra) warnte Christine Lagarde gleich einmal vor künftigen Rezessionsgefahren in der Eurozone, scheinbar völlig unbeeindruckt von den Konjunkturhoffnungen, die sich am Montag aus der Impfstoffmeldung von BioNTech/Pfizer ergeben haben. Die EZB-Präsidentin wird nicht müde stets die niedrige Inflation als Hauptargument für ständig weitere Ankeihekäufe heranzuziehen. Die Preissteigerungsrate sei weiterhin zu niedrig, außerdem schwäche der schwache US-Dollar die Importpreise in Europa. Zudem fehlte einmal mehr nicht der Hinweis darauf, dass die Finanzpolitik die Wirtschaft stützen müsse. Der Lockdown beeinträchtige den Konsum, es gelte die öffentlichen Finanzen zu stützen und so weiter. Alles Begründungen für weitere Anleihekäufe der EZB in der Eurozone.

Was könnte kommen?

Eine Aufstockung des Notfallprogramms PEPP, das bisher ein Volumen in Höhe von 1,35 Billionen Euro vorsieht und weitere günstige Kredite für die Banken unter dem Akronym TLTRO (Längerfristige Finanzierungsgeschäfte).

Dabei hatte die Bilanz der EZB zu Anfang des Monats schon 6776 Milliarden Euro erreicht. Im Vergleich:

Federal Reserve: 6081 Milliarden Euro
Bank of Japan: 5734 Milliarden Euro
Hierdurch ist die EZB-Bilanz bereits auf 61 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt der Mitgliedstaaten geklettert, deutlich mehr als in den USA mit ihren 36 Prozent. Unangefochten voran natürlich Japan mit über 131 Prozent als Folge von zwei Jahrzehnten Staatsfinanzierung.

Eine warnende Stimme: Volkswirte wie Jörg Krämer von der Commerzbank kritisieren das ständige Ausweiten der Käufe, denn man könne davon ausgehen, dass man in gut einem Jahr wieder das Vorkrisenniveau erreiche und da müsste man auf der nächsten Sitzung nicht weiter lockern.

Der Werkzeugkasten der EZB

Welche Mittel bleiben der EZB und Christine Lagarde, um in der Corona-Krise weiter zu unterstützen?

Natürlich zunächst das Anleihekaufprogramme PEPP, welches bis Ende Juni 2021 geplant ist und sich auf bereits erhöhte 1,35 Millionen Euro beläuft. Davon wurden bisher 629 Milliarden Euro in Anspruch genommen. Dennoch rechnet man mit einer Ausweitung um 500 Milliarden Euro und zeitlich gestreckt bis zum Ende des nächsten Jahres.
Dann das alte Programm APP (Asset Purchase Programme), das bis Ende des Jahres läuft mit monatlich 20 Milliarden Euro an Anleihekäufen verschiedenster Kategorien. Kommt es hier zur Aufstockung bei gleichzeitiger Verlängerung? Und weitere günstige Langfristkredite für Banken TLTRO genannt, derzeit zu einem Zinssatz bei minus 0,5 Prozent

Bliebe noch das Thema Zinssenkung. Sehr umstritten, denn auch aus den Erfahrungen Japans erkennt man, dass bei Minuszinsen der Effekt der Stimulierung ausbleibt und das Gegenteil eintritt. Derzeit liegt der Einlagenzins für die Überschussliquidität der Banken bei der EZB bei minus 0,5 Prozent. Es gibt tatsächlich Stimmen im EZB-Direktorium, die sogar eine Senkung auf minus 1 Prozent für möglich halten. Allerdings mit fatalen Auswirkungen für das Geschäft der Banken. Deshalb ist eher die Rede von einer Ausweitung der Freibeträge, bei der ein Multiplikationsfaktor angehoben werden könnte.
Was für eine Zinswelt in der Eurozone. Aber anscheinend brennt es ziemlich auf dem alten Kontinent. Während es in letzter Zeit zu Renditeanstiegen (besonders in den USA) gab, noch einmal forciert durch das Impfstoffthema, war davon in Europa wenig zu sehen. Womit rechnen die Marktteilnehmer? Doch mit der Vision einer erneuten Rezession, wie sie Christine Lagarde formuliert?

Fazit

Wie könnte man also die Aussagen von Christine Lagarde und die aktuellen Entwicklung an den Märkten in Beziehung setzen? Die Märkte spielen bereits die Nach-Corona-Ära und die Geldflut bleibt dennoch erhalten. Was das für die nächsten sechseinhalb Wochen heißen könnte, ist ziemlich eindeutig. Allerdings haben die Aktienmärkte wieder einmal übertrieben in ihrer Einpreisung des geänderten Umfelds. Ich bin nur gespannt, was im Nachhinein die Begründung für die (temporäre) Korrektur sein wird.

Aber langfristig ist noch etwas anders ableitbar, aus den Verlautbarungen der EZB-Präsidentin. Es müsste schon Außergewöhnliches geschehen, damit die Zentralbank von ihrer lockeren Geldpolitik abweicht, in einem Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Die Anleihekäufe sind bis weit ins Jahr 2021 terminiert, von einer Kürzung der EZB-Bilanz ist schon einmal gar nicht die Rede.

Christine Lagarde machte Andeutungen auf die Maßnahmen der EZB



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