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Europas Strategie für wirtschaftliche Sicherheit Die EU plant fünf Instrumente, um Chinas Aufstieg zu begegnen

Die EU plant fünf Instrumente, um Chinas Aufstieg zu begegnen

Die USA und ihre Verbündeten haben im vergangenen Jahr die Maßnahmen verschärft, um den Aufstieg von China auszubremsen. So haben die USA, Niederlande und Japan beispielsweise die Exporte von Halbleiter-Technologie eingeschränkt. Zudem haben einige EU-Länder, zu denen auch Deutschland gehört, beim Ausbau des 5G-Netzes den Einsatz von einigen Komponenten chinesischer Hersteller untersagt, um die sensible Infrastruktur zu schützen. Die Europäische Kommission plant nun im Rahmen einer Strategie für die wirtschaftliche Sicherheit weitere Instrumente, die auch auf China abzielen.

Wie Bloomberg berichtet, prüft die Europäische Union aktuell eine Reihe von Maßnahmen, zum Schutz der nationalen Sicherheit, da Länder wie China und Russland zunehmend bereit sind, den Handel und die Kontrolle über kritische Versorgungslinien zur Durchsetzung politischer und militärischer Ziele zu nutzen.

Strategie für wirtschaftliche Sicherheit

Die Europäische Kommission, die Exekutive der EU, wird am 20. Juni ihre Strategie für wirtschaftliche Sicherheit vorstellen, in der sie die Geschäfts- und Sicherheitsrisiken für die Ländergemeinschaft, die politischen Maßnahmen, die ihr zur Bekämpfung dieser Risiken zur Verfügung stehen, sowie Optionen für neue Schutzmaßnahmen darlegen wird, um sicherzustellen, dass sie Versuche wirtschaftlicher Nötigung durch ihre Rivalen abwehren kann.

Nachdem der Kreml vor einem Jahr in die Ukraine einmarschiert war, litt Europa unter einer Rekordinflation und drohte in eine wirtschaftliche Katastrophe zu geraten. Infolgedessen versuchten die Länder neue Öl- und Gaslieferungen zu finden, die man zuvor billig aus Russland bezogen hatte. Die Mitgliedstaaten sind sich jedoch uneins, wie sie sich verhalten sollen. Einige zögern, einen Handelskrieg mit China zu beginnen, das ein wichtiger Handelspartner für mehrere EU-Länder ist.

„Ich sehe das bisherige Vorgehen Europas, nicht so positiv“, sagte Alicia Garcia Herrero, Chefvolkswirtin für den Asien-Pazifik-Raum bei Natixis SA, in einem Interview. „Während Japan und die USA energischer waren, müssen wir mehr Kompetenzen zentralisieren, um effektiver zu sein, und ich glaube nicht, dass die EU-Mitgliedsstaaten in der Lage sind, das zu tun.“

Die Europäische Kommission prüft fünf Instrumente, um die wirtschaftliche Sicherheit zu schützen
Das Handelsdefizit der EU mit China ist im letzten Jahr sprunghaft angestiegen

EU-Strategie: Fünf Instrumente

Im Folgenden werden fünf Instrumente vorgestellt, die die EU zur Gewährleistung ihrer wirtschaftlichen Sicherheit eingesetzt hat oder einzusetzen gedenkt:

Anti-Coercion-Instrument

In diesem Jahr einigten sich die EU-Mitgliedstaaten auf eine Reihe neuer handelspolitischer Befugnisse, die es der Gemeinschaft ermöglichen, gegen Drittländer vorzugehen, die wirtschaftliche Beschränkungen als politische Vergeltung einsetzen. Mit dem Anti-Coercion-Instrument Europäische Union will konsequenter gegen feindliche Wirtschaftspolitik vorgehen. Das neue Instrument der EU stärkt die handelspolitischen Abwehrmechanismen der EU und ermöglicht es der Kommission, Zölle oder andere handelspolitische Strafmaßnahmen als Reaktion auf politisch motivierte Außenhandelsbeschränkungen zu verhängen.

Das Instrument erlangte Bekanntheit, nachdem China Litauen für die Eröffnung einer De-facto-Taiwan-Mission in seiner Hauptstadt Vilnius bestraft hatte. Die litauischen Exporte nach China gingen im vergangenen Jahr um 75 % zurück, nachdem China die diplomatischen Beziehungen herabgestuft und den litauischen Handel eingeschränkt hatte.

Exporte aus Litauen nach China gingen im vergangenen Jahr um 75 % zurück
Exporte aus Litauen nach China gingen im vergangenen Jahr um 75 % zurück

Die USA haben die EU unter Druck gesetzt, ihre Haltung gegenüber China zu verschärfen. Dies ist Teil von Washingtons Plan für ein globales Bündnis, das Pekings wirtschaftlichem Gewicht entgegenwirken soll. Und in den letzten Monaten hat die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, eine selbstbewusstere Haltung eingenommen, indem sie argumentierte, die Ländergemeinschaft müsse sich von China „abkoppeln“, ohne dass es zu einer völligen „Abkopplung“ komme.

Dieser Wandel in der EU-Exekutive hat jedoch einige Unternehmen und insbesondere Länder, die enge Handelsbeziehungen zu China unterhalten, beunruhigt. Die deutschen Automobilhersteller Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW haben Dutzende von Fabriken in China gebaut, und alle drei Hersteller verkaufen heute mehr Fahrzeuge in China als auf jedem anderen Markt.

Outbound Investment Screening

Die Kommission denkt über neue Beschränkungen für Auslandsinvestitionen strategischer Konkurrenten wie China in sensiblen Sektoren wie der Halbleiterindustrie nach, die es Peking ermöglichen könnten, eine Chipindustrie von Weltklasse aufzubauen. In diesem Jahr beschuldigte die ASML Holding NV, ein niederländischer Hersteller fortschrittlicher Halbleiterfertigungsanlagen, einen ehemaligen Mitarbeiter in China, beim Diebstahl vertraulicher technologischer Informationen geholfen zu haben.

Beamte der Biden-Administration haben Europa aufgefordert, seine Anstrengungen zu bündeln, um China am Erwerb von sensiblen Know-how mit Auswirkungen auf die nationale Sicherheit zu hindern. Anfang dieses Jahres kündigten die Niederlande Ausfuhrbeschränkungen für Halbleitertechnologie nach China an, um die Lieferung von Lithografiemaschinen zu verhindern.

Inbound Investment Screening

Nächsten Monat wird die EU-Verordnung über ausländische Subventionen in Kraft treten und die Kommission mit neuen Befugnissen ausstatten, um zu verhindern, dass subventionierte ausländische Konkurrenten den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt verzerren. Das Instrument erlegt allen Unternehmen, die an großen öffentlichen Ausschreibungen oder Fusions- und Übernahmegeschäften in der EU beteiligt sind, Berichts- und Meldepflichten auf. Die Kommission überarbeitet auch ihre zwei Jahre alten Regeln für das Screening ausländischer Investitionen, die die Möglichkeit ausländischer Unternehmen regeln, in dem 27 Mitglieder zählenden Handelsblock zu investieren.

Die Hafenstrategie der EU

Noch in diesem Jahr wird das Europäische Parlament über neue Beschränkungen für ausländische Unternehmen beraten, die in kritische europäische Infrastrukturen investieren wollen. Chinesische Unternehmen sind bereits an Häfen in mindestens 10 Mitgliedstaaten beteiligt, was Peking potenziell Zugang zu sensiblen Informationen über den europäischen Warenverkehr verschafft. Die Maßnahme kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Deutschland seine umstrittene Entscheidung überdenkt, dem chinesischen Staatskonzern Cosco Shipping Holdings zu erlauben, einen Anteil von 24,9 % an einem der Hamburger Hafenterminals zu erwerben.

Druck auf Handelsabkommen

Die europäischen Entscheidungsträger nutzen den wirtschaftlichen Einfluss ihres 8,6 Billionen Dollar schweren Verbrauchersektors, um Handelsabkommen auszuhandeln, die den Einfluss der EU auf wichtigen ausländischen Märkten vergrößern. Die EU ist dabei, Handelsabkommen mit Chile und Australien abzuschließen, die der EU den Zugang zu Lithium, einem wichtigen Material für Batterien von Elektrofahrzeugen, erleichtern werden. Die Kommission verhandelt auch über ein Abkommen mit dem Handelsblock Mercosur, dem einige der größten und rohstoffreichsten Länder Lateinamerikas angehören: Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay. Und schließlich bringt die EU ihre Gateway-Initiative auf den Weg – eine 300 Milliarden Euro schwere Investitions-Strategie, die mit Chinas Belt and Road-Programm (Seidenstraße) um wirtschaftlichen Einfluss in Lateinamerika, Zentralasien und Afrika konkurrieren soll.

„Wir beobachten seit geraumer Zeit eine sehr bewusste Verhärtung der allgemeinen strategischen Haltung Chinas, die nun mit einer Zunahme von zunehmend selbstbewussten Aktionen einhergeht“, sagte von der Leyen in einer politischen Rede Anfang des Jahres. „Genauso wie China seine militärische Haltung verschärft hat, hat es auch seine Politik der Desinformation und der wirtschaftlichen und handelspolitischen Nötigung verschärft.“

FMW/Bloomberg



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9 Kommentare

  1. Ich spreche mich für eine Fortsetzung des von Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker auf den Weg gebrachten Europäische Union-Volksrepublik China-Handelsabkommen CAI aus, da dieses unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Wirtschaftssysteme Soziale Marktwirtschaft und gelenkte sozialistische Marktwirtschaft Wirtschaftsbeziehungen auf Augenhöhe gewährleisten würde. Hierbei ist es wichtig, daß das Bundesamt für Verfassungschutz (BfV) im Rahmen eines globalen 360-Grad-Blicks gegen potentielle Wirtschaftsspionage agiert. In diesem Zusammenhang unterstütze ich die Forderung des früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungschutz Dr. Hans-Georg Maaßen in Sachen Hack Back, und hoffe, daß BfV-Präsident Thomas Haldenwang in Sachen letzteres ähnlicher Auffassung ist. Unter Berücksichtigung der Programmfreiheit berichtet Phoenix-TV Stand aktuell am Dienstag, den 20.06.23 über den Verfassungsschutzbericht 2022, wo möglicherweise auch das hiesige Thema angesprochen wird.

    1. Während die außenpolitische Dachpappe MdB Michael Roth die aktuellen deutsch-chinesischen Konsultationen kritisch sieht, findet der einzige Außenpolitiker aus den Reihen der Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag MdB Dr. Rolf Mützenich die aktuellen deutsch-chinesischen Konsultationen o.k./Quelle: Phoenix-TV-Teletext.

      1. Sollte man die Politiker – ja so nennen sie sich ! – aus der Regierung ernst nehmen ?
        Die wissen wo und womit wir in DE unser Geld verdienen um diese Politiker zu bezahlen – unsere Angestellten, denn mehr sind sie nicht.

        1. An FMW-Nutzer ottonorma am 20.06.23 um 12.41 Uhr: Fragen kann man alles.

        2. Ach, @ottonorma zeigt, dass er von poitischer Theorie auch keine Ahnung hat.
          Nein, Politiker sind nicht Ihre Angestellten. Politiker, respektive Abgeordnete sind Agenten (und nein, nicht Geheimdienstagenten).
          Sie haben also auch in Gemeinschaftskunde oder Sozialkunde oder Politik nicht aufgepasst.

          1. Wenn FMW-Nutzer Horst Schlemmer das am 20.06.23 um 13.00 Uhr sagt, dann wird das so sein.

    2. Ministerpräsident Li Qiang räumte aktuell im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz den chinesisch-deutschen Beziehungen in Sachen Gesundheitswirtschaft einen entsprechenden Stellenwert ein/Quelle: Phoenix-TV. Für Staats- und Parteichef Xi Jinping besitzt die Pharmaindustrie einen entsprechenden Stellenwert. Dies könnte den aktuellen Medikamentenmangel bei uns im EU-Mitgliedsland Bundesrepublik Deutschland eventuell reduzieren helfen. Ministerpräsident Qiang bekannte sich in der genannten Pressekonferenz erwartungsgemäß zur Verantwortung des G20-Mitgliedslandes Volksrepublik China für die Weltwirtschaft. Er sprach dabei von Öffnung seines Landes. Dies könnte auch eine Grundlage für einen Cluster Pharmaindustrie im Rahmen der gemeinsamen europäischen Wirtschaftspolitik im Zusammenhang mit der Europäischen Investitionsbank und den Förderbanken der EU-Mitgliedsländer, wie beispielsweise die ISB in Rheinland-Pfalz sein.

    3. Grundsätzliche Zustimmung für die Rede des einzigen Außenpolitikers aus den Reihen der Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag MdB Dr. Rolf Mützenich im Rahmen der Aussprache zu einer Europäische Rat-Regierungserklärung des Bundeskanzlers, wo es auch um China ging. Der Botschafter der Volksrepublik China in unserer Bundesrepublik Deutschland Wu Ken lässt im Rahmen von Fernsehinterviews alle Fragen zu.

  2. Pingback: Verhaltenes Willkommen am Tollerort, Teure Fatamorgana, Print wird schmaler, Kochhauben verteidigt – Tagesjournal

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