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Die Schattenseite am so wunderschönen deutschen Arbeitsmarkt

Ende August lag die offizielle Arbeitslosenquote in Deutschland bei 5,1%. Also ist man im großen Bild betrachtet nicht so weit entfernt von einer Vollbeschäftigung am deutschen Arbeitsmarkt, wie Ökonomen sie betrachten würden? Auch bietet die monatliche Statistik der Bundesagentur für Arbeit seit mehreren Monaten ein interessantes Bild. Vor allem die Zahl der Stellen bei Leih- und Zeitarbeitsfirmen ist deutlich rückläufig. Bei einem so hohen Stand der Gesamtbeschäftigung kann das nur eines bedeuten: Die Arbeitgeber sind froh überhaupt noch Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu finden, und binden diese Kräfte lieber schnell ans Unternehmen über eine direkte Anstellung. Das ist ein Signal des Vertrauens und der langfristigen Bindung an den Betrieb.

Aber diese tolle Lage am Arbeitsmarkt hat eine große Schattenseite. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), eine Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, hat basierend auf einer Befragung von 10.000 Unternehmen festgestellt, dass vier von zehn Neueinstellungen nur befristet sind! Auf die Gesamtzahl der Beschäftigten bezogen arbeitet jeder zwölfte befristet. Keine Einstellung mehr über Leih- und Zeitarbeitsfirmen, sondern direkt im Betrieb. Das wirkt auch für das Image in der Außendarstellung viel besser? Aber dafür eben jede Menge befristete Verträge, statt zeitlich unbefristet Mitarbeiter einzustellen! Für die Arbeitnehmer ist das kaum besser als Leiharbeit. Denn sie können für ihre persönliche Zukunft genau so wenig planen (Auto kaufen oder Urlaub buchen etc) – man kann nichts planen, weil man ja nicht weiß, ob die finanzielle Basis für solche Ausgaben dauerhaft vorhanden sein wird.

Übrigens: Letzte Woche hatte auch „Markit“ bei der Veröffentlichung von Einkaufsmanagerdaten darauf hingewiesen, dass Unternehmen in Deutschland hauptsächlich Arbeitsplätze abbauen, in dem sie befristete Arbeitsverträge einfach nicht verlängern. Hier weitere Details aus der heutigen IAB-Veröffentlichung im Wortlaut:

Überdurchschnittlich häufig greifen größere Betriebe zu Befristungen. Betriebe mit mehr als 75 Beschäftigten beispielsweise stellen mit einer um neun Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit befristet ein als kleinere Betriebe. Wenig überraschend nutzen Kleinstbetriebe mit weniger als zehn Beschäftigten signifikant seltener als andere Betriebe Befristungen: Bei diesen Kleinstbetrieben gelten nicht die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes.

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Stelle befristet besetzt wird, ist bei kurzfristigem Personalbedarf doppelt so hoch wie bei längerfristigem. Dennoch werden mit 85 Prozent die meisten befristeten Neueinstellungen bei längerfristigem Personalbedarf vorgenommen, da insgesamt nur jede zehnte Neueinstellung aufgrund eines vorübergehenden Bedarfs stattfindet.

Die Dauer des Stellenbesetzungsprozesses ist bei befristeten Stellen im Vergleich zu unbefristeten Stellen kürzer, und es werden auch weniger finanzielle Mittel beispielsweise für Stellenanzeigen oder Personalvermittler bei der Stellenbesetzung investiert. Kürzere Stellenbesetzungsdauern aufgrund weniger intensiver Auswahlprozesse treten vornehmlich bei Neueinstellungen zur Deckung eines kurzfristigen und nur vorübergehenden Arbeitskräftebedarfs auf. Dass weniger finanzielle Mittel für die Besetzung befristeter Stellen investiert werden, gilt dagegen auch bei längerfristigem Bedarf. Befristete Neueinstellungen werden der IAB-Studie zufolge nicht nur zur Deckung eines vorübergehenden Arbeitskräftebedarfs genutzt, sondern auch als „verlängerte Probezeit“.

Bei befristeten Neueinstellungen wird häufiger als bei unbefristeten auf Berufserfahrung als Einstellungsvoraussetzung verzichtet. Zudem zeigen die IAB-Daten, dass Betriebe insbesondere bei Helfertätigkeiten deutlich häufiger Befristungen vornehmen.

Bundesagentur - IAB über befristete Arbeitsstellen - Arbeitsmarkt
Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Foto: Nicohofmann CC BY-SA 3.0



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