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Inflation im ersten Versuch besiegen EZB-Kazaks: Es wäre ein Fehler zu früh auf Zinssenkungen zu wetten

EZB-Kazaks: Es wäre ein Fehler zu früh auf Zinssenkungen zu wetten

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag die Leitzinsen noch einmal erhöht. Im selben Atemzug sendete sie aber auch Signale, dass es trotz anhaltend hoher Inflation der vorerst letzte Zinsschritt gewesen sein dürfte. Ungeachtet dessen werden die EZB-Mitglieder nicht müde zu betonen, dass eine Umkehr des Kurses nicht in Sicht ist. Laut dem EZB-Ratsmitglied Martins Kazaks wäre es verfrüht auf Zinssenkungen zu spekulieren. Er sagte unmissverständlich: „Wetten Sie nicht auf Zinssenkungen der EZB in der ersten Hälfte des Jahres 2024“.

EZB behält die Zinsdrohkolisse bei

Das Lohnwachstum in der Eurozone habe seinen Höhepunkt noch nicht erreicht, und es sei unklar, wie schnell die zugrunde liegende Inflation zurückgehen werde, so der Chef der lettischen Zentralbank. Die Entscheidung der letzten Woche, die Kreditkosten zum zehnten Mal in Folge zu erhöhen, bringt die EZB auf einen solideren Kurs, um ihr 2%-Ziel im Jahr 2025 zu erreichen, aber es ist zu früh, um eine weitere Erhöhung auszuschließen. In Anbetracht der trüben Aussichten für die Wirtschaft in der Eurozone könnten einige Anleger auf einen früheren Schwenk der EZB spekulieren.

„Der Markt sollte nicht erwarten, dass wir zu früh mit einer Zinssenkung beginnen“, sagte Kazaks in einem Interview. „Wir werden mit Zinssenkungen beginnen, wenn wir sehen, dass wir unser Ziel konsequent und deutlich unterschreiten, und was ich klar sagen kann, ist, dass die Erwartungen einer Zinssenkung im Frühjahr oder Frühsommer meiner Meinung nach nicht wirklich mit dem Makroszenario, das wir haben, übereinstimmen.

Angesichts der schwachen Wirtschaft in der Eurozone gehen Händler von Zinssenkungen ab April nächsten Jahres aus, während einige Wirtschaftsexperten sie im Juni erwarten.

EZB: Inflation erreicht erst in der zweiten Jahreshälfte 2025 das 2%-Ziel
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Inflation weiterhin hoch

Die letzte Woche vorgelegten Projektionen zeigen, dass die Inflation im Euroraum der 20 Mitgliedstaaten weitere zwei Jahre brauchen wird, um 2 % zu erreichen, auch wenn der Preisdruck in den kommenden Monaten deutlich nachlassen dürfte. Die Wirtschaft wird 2024 zu vierteljährlichen Wachstumsraten von 0,4% zurückkehren, nachdem sie den größten Teil des Jahres 2023 stagniert hatte. EZB-Chefin Lagarde räumte jedoch ein, dass das Wachstum “sehr, sehr schleppend” verlaufen wird, und die Prognosen der EZB-Volkswirte ließen erkennen, dass der Wirtschaft sogar eine Schrumpfung bevorstehen könnte.

Kazaks, der in Santiago de Compostela (Spanien) an einem Treffen der europäischen Finanzchefs teilnahm, bezeichnete diese Aussichten als eine „weiche Landung“, bei der die Arbeitslosigkeit nur geringfügig ansteigt. „Unsere jüngste Anhebung könnte dieses Szenario verstärken.

Nach der Anhebung vom Donnerstag liegt der Einlagensatz der EZB nun bei einem Rekordwert von 4 %. Präsidentin Christine Lagarde sagte, eine „solide Mehrheit“ unterstütze den Schritt, den die Händler erst 48 Stunden vor der Entscheidung kommen sahen. Die Mehrheit war diesmal knapp, aber schlussendlich ausreichend. Die meisten Ökonomen hatten im Vorfeld damit gerechnet, dass die EZB die Zinssätze unverändert belässt.

Kazaks: Ökonomen sehen keine Zinssenkung der EZB vor Juni 2024
Ökonomen sehen keine Zinssenkung der EZB vor Juni 2024

EZB-Mitglieder uneinig über künftigen Kurs

Seit der Zinsentscheidung haben viele der 26 EZB-Mitglieder ihre Ansichten darüber geäußert, wohin die Geldpolitik als nächstes gehen sollte. Madis Muller aus Estland sagte in einem separaten Interview, es bestehe eine „gute Chance“, dass die Währungshüter genug getan hätten. Robert Holzmann aus Österreich und Bostjan Vasle aus Slowenien vertraten dagegen die Ansicht, dass eine weitere Zinserhöhung nicht ausgeschlossen werden kann, während Yannis Stournaras aus Griechenland bereits in der vergangenen Woche eine unveränderte Zinspolitik bevorzugt hatte.

„Ich bin mit dem derzeitigen Stand der Zinssätze zufrieden, aber wenn nötig, werden wir die richtigen Entscheidungen treffen“, sagte Kazaks. „Zu sagen, dass wir den Höhepunkt erreicht haben – ich denke nicht, dass wir das schon tun können.“

Lagarde argumentierte nach der EZB-Entscheidung ähnlich und sagte auf die Frage nach den Chancen einer Zinssenkung, dies sei „kein Wort, das wir bisher in den Mund genommen haben“.

„Ich wiederhole, wir haben keine Zinssenkungen beschlossen, diskutiert oder gar ausgesprochen“, sagte sie in Santiago de Compostela.

Inflation im ersten Versuch besiegen

Die Inflationsaussichten in der Eurozone geben den Währungshütern trotz ihrer Verbesserung weiterhin Anlass zur Sorge. Zwar hat sich die Gesamtinflationsrate gegenüber dem letztjährigen Höchststand von 10,6% halbiert, doch wenn man die volatilen Elemente wie Lebensmittel und Energie herausrechnet, so Kazaks, „bleiben immer noch viele Fragen offen, und es muss noch viel passieren.“

„Ich würde mir wünschen, dass wir die Inflation bereits im ersten Versuch besiegen, sodass wir nicht gezwungen sind, erneut zu straffen“, sagte er. „Denn später würde es einfach nur noch größere Interventionen erfordern.“

Wenn die Inflation aufgrund der Entschlossenheit der EZB früher als derzeit erwartet auf 2 % zurückgeht, sei das „in Ordnung“, sagte er. „Aber ich würde nicht wollen, dass es später passiert“.

FMW/Bloomberg



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2 Kommentare

  1. Wer hört denn auf EZB-Banker Kazaks, dem Letten mit seinem Mini-Staat von unter 2 Millionen Bürgern? Entscheidend für die Eurozone sind doch die großen Volkswirtschaften, speziell das Heimatland von Lagarde Frankreich, oder Italien. Dort liegen die relevanten Finanzierungssorgen.

  2. Demokratie in Perfektion

    @Stefan, Lagarde hat gemerkt,dass sie von der Goldilook Sekte zu dovish interpretiert wurde,um dies zu korrigieren hat sie wohl den lettischen Knecht beauftragt.Er soll für sein fürstliches Gehalt auch einmal pro Jahr zu Worte kommen.
    P.S. Das mit dem Mini Staat, ist vielleicht komisch,dass der Lette vom Mini- Staat in der EZB genau gleich viel zu sagen hat wie das deutsche Mitglied.

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