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Umfrage unter Ökonomen EZB senkt die Zinsen in jedem Quartal, beginnend ab Juni

EZB senkt die Zinsen in jedem Quartal, beginnend ab Juni
Europäische Zentralbank (EZB). Foto: Yorgos Karahalis/Bloomberg

Wann und wie schnell kann oder will die EZB die Zinsen senken? Eine äußerst wichtige Frage, die die Marktteilnehmer schon seit Monaten beschäftigt. So wie es derzeit aussieht, rückt die erste Zinssenkung nun immer näher. Nach dem erneuten Rückgang der Inflation im März verdichten sich die Anzeichen, dass die EZB die Zinsen erstmals im Juni senken wird. In dem gestern veröffentlichten Protokoll der EZB-Sitzung vom 7. März ist ebenfalls die klare Tendenz erkennbar, dass die Zentralbank in absehbarer Zeit mit der Lockerung beginnen könnte.

Eine Bloomberg-Umfrage unter Ökonomen kam jetzt zu dem Ergebnis, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ab Juni eine Reihe von Zinssenkungen vornehmen wird, die mindestens bis zum Ende des nächsten Jahres andauern werden.

Die Mehrheit der befragten Volkswirte erwartet eine erste Senkung des Einlagensatzes um einen Viertelpunkt – der derzeit bei rekordverdächtigen 4 % liegt – auf der Juni-Sitzung, also im Anschluss an die kommende Sitzung des EZB-Rats am 11. April. Weitere Zinsschritte sollen dann vierteljährlich folgen, sodass der Zinssatz bis Ende 2025 auf 2,25 % sinken wird.

Zinsen: Meinungen über den EZB-Zinspfad gehen weit auseinander
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Zinsen: Uneinigkeit innerhalb der EZB

Die Währungshüter er EZB scheinen sich darauf geeinigt zu haben, dass im Juni damit begonnen werden soll, die geldpolitischen Beschränkungen zu lockern. Das weitere Tempo der Lockerung ist weniger klar, da Präsidentin Christine Lagarde darauf besteht, dass sie sich streng an der Wirtschaftsleistung und der Datenlage orientieren wird. Indessen sind andere Ratsmitglieder, vor allem aus den südlichen Eurostaaten, bereits damit beschäftigt, ihren bevorzugten Kurs zu planen, der mehrere Zinssenkungen in diesem Jahr vorsieht.

„Da der Beginn von Zinssenkungen in der nahen Zukunft so gut wie beschlossen zu sein scheint, verlagert sich die Aufmerksamkeit nun darauf, was die Geschwindigkeit der geldpolitischen Lockerung bestimmt“, sagte Kristian Tödtmann, ein Ökonom der Dekabank. „Die Ratsmitglieder scheinen jedoch keinen gemeinsamen Konsens zu finden und ein unterschiedliches Verständnis der Datenabhängigkeit zu haben.

Griechenlands Yannis Stournaras argumentierte letzten Monat, dass zwei Zinssenkungen vor dem Sommer und insgesamt vier in diesem Jahr angesichts der Aussichten „vernünftig“ wären. Sein österreichischer Kollege Robert Holzmann, der lange Zeit dafür plädierte, im Jahr 2024 überhaupt keine Maßnahmen zu ergreifen, sagte diese Woche, er habe keine „prinzipiellen Einwände“ gegen einen ersten Schritt im Juni – aber nur, wenn die Inflation und Wirtschaft es zulassen. Danach müsste man die Lage von Sitzung zu Sitzung neu bewerten.

In letzter Zeit sind einige grüne Triebe zu erkennen, die auf eine Aufhellung der Konjunktur hinweisen, nachdem der Euroraum in der zweiten Hälfte des letzten Jahres nur knapp an einer Rezession vorbeigeschrammt war. Auch das Vertrauen der Unternehmen nimmt wieder zu, wie die jüngsten Stimmungsdaten gezeigt haben.

Zinsen: Sind Zinssenkungen angesichts der Risiken überhaupt möglich
Risiken für die Wirtschaft in der Eurozone

Feingefühl ist gefragt

„Die Herausforderung für die EZB besteht darin, nicht zu hawkish zu klingen“, sagte Carsten Brzeski, Leiter des Makrobereichs bei ING. „Stattdessen wird sie erklären müssen, dass eine Senkung der Zinsen im Juni nicht so sehr darauf zurückzuführen ist, dass die EZB die Wirtschaft stützen will, sondern eher ein Zeichen dafür ist, dass sie den restriktiven geldpolitischen Kurs einfach etwas normalisieren will.“

Dies ist möglich, da sich die Inflation im März schneller als erwartet verlangsamte und die Erwartungen der Verbraucher in Bezug auf künftige Preissteigerungen ebenfalls zurückgingen, was darauf hindeutet, dass die EZB bei ihren Bemühungen, im nächsten Jahr die 2 %-Marke zu erreichen, auf dem richtigen Weg ist.

Was Bloomberg Economics sagt:

„Wir rechnen mit einer ersten Senkung der Zinsen um 25 Basispunkte im Juni, gefolgt von weiteren Zinsschritten im September, Oktober und Dezember, sodass der Einlagensatz zum Jahresende bei 3 % liegen wird. Wir gehen davon aus, dass die unter dem Zielwert liegende Inflation und der nachlassende Kostendruck im Inland nach einer Pause im Juli zu einer schnelleren Lockerung führen werden“. – David Powell, leitender Wirtschaftsexperte für den Euroraum.

Die meisten der befragten Ökonomen halten die Risiken für die jüngsten Projektionen der EZB – für Wachstum und Inflation – für weitgehend ausgewogen, obwohl etwa ein Drittel für die Inflation in den Jahren 2025 und 2026 Aufwärtsrisiken sieht.

Inflation: Die Risiken für die März-Projektionen der EZB
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EZB: Zinsen könnten ab Juni sinken

„Die EZB sollte für Zinssenkungen bereits im Juni dieses Jahres offen sein, gleichzeitig aber den Finanzmärkten signalisieren, dass allzu aggressive Zinssenkungserwartungen ungerechtfertigt und kontraproduktiv sind“, sagte Dennis Shen, Senior Director bei Scope Ratings, und wies auf das Risiko einer verfrühten Lockerung der finanziellen Bedingungen hin.

Die Märkte gehen derzeit von einer Lockerung um 90 Basispunkte in diesem Jahr aus, während die Federal Reserve etwa 70 Basispunkte erwartet. Diese Diskrepanz hat eine Debatte neu entfacht, die so alt ist wie die EZB selbst – nämlich die Frage, ob Europa seinen eigenen geldpolitischen Kurs bestimmen kann oder letztlich gezwungen sein wird, den USA zu folgen.

Nur ein Viertel der Befragten ist davon überzeugt, dass sich die Entscheidungen der Fed überhaupt nicht auf den Zinspfad der EZB auswirken werden, während 36 % sagen, dass die Fed das Tempo vorgibt.

Neben den hohen Zinsen gibt es ein weiteres großes Risiko für die Wirtschaft im Euroraum, das von den USA ausgeht – nämlich die Präsidentschaftswahlen im November. Ähnlich besorgt sind die Ökonomen über die weltweiten geopolitischen Spannungen und den Inflationsdruck.

FMW/Bloomberg



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3 Kommentare

  1. bitte die disclaimer der befragten ökonomen über ihre mittelherkünfte veröffentlichen. bitte, danke.

  2. Ich finde es ein wenig fragwürdig wie sie darauf kommen und eine Umfrage als Quelle sehen die nirgens öffentlich ist. Ihre Meinung ist ja Ok, aber die Überschrift/ Titel so zu wählen war mit Sicherheit nicht Zufall. Das nennt man “ Den Markt gezielt “ beeinflussen wollen. und mesistens kommt alles anders als man – “ schreibt “ was für ein Zufall.

  3. Ich denke es wird keine Zinssenkung dieses Jahr geben. Aktuell deutet alles darauf hin, das sich Erdgas erneut verteuert und so die Inflation wieder anzieht. Vielmehr sehe ich weitere Zinsherhöhungen auf uns zukommen.

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