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"Immer schwieriger, jedes bisschen Gas zu ersetzen, das nicht aus Russland kommt" Gazprom stürzt Europa tiefer in die Energiekrise

Vor allem die Finanzmärkte in Europa reagierten mit starken Verlusten auf die Meldung, dass Gazprom die Lieferungen von Gas durch Nord Stream 1 aufgrund eines vermeintlichen Öl-Lecks weiter aussetzen werde – Investoren fürchtet nun, dass sich die Energiekrise in Europa noch weiter verschärft.

Laut Bloomberg sehen europäische Politiker die Aussage von Gazprom als Versuch, Energie als Waffe einzusetzen. Nur wenige Stunden, nachdem sich die Staats- und Regierungschefs der G7 auf die Einführung einer Preisobergrenze für russisches Öl geeinigt hatten, nahm Gazprom seinen Plan zur Wiederaufnahme der Gaslieferungen durch die Nord Stream-Pipeline zurück. Die Pipeline sollte am Samstag nach Wartungsarbeiten wieder in Betrieb genommen werden, doch das Unternehmen teilte mit, es sei eine Störung entdeckt worden.

Gazprom verschärft Energiekrise in Europa

Europas Politiker haben sich schon seit Wochen auf die Aussicht auf Lieferkürzungen eingestellt und suchen händeringend nach Möglichkeiten, die Gas-Nachfrage zu senken. Die Industrie in Europa leidet immer stärker unter der Energiekrise, der Euro rutscht weiter ab. Angesichts des nahenden Winters könnte Europas Entschlossenheit, der Ukraine weiterhin gegen Russland beizustehen, auf die Probe gestellt werden.

Die Europäische Union erklärte, Gazprom handele unter „falschen Vorwänden“. Siemens Energy, das die Turbinen für die Pipeline herstellt, sagte, die von Gazprom gefundenen Daten rechtfertigten nicht die Kürzung des Gases, eine Ansicht, die von der deutschen Netzagentur geteilt wird. Vom Kreml gab es keinen Kommentar.

„Der Einsatz von Gas als Waffe wird die Entschlossenheit der EU nicht ändern“, sagte der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel auf Twitter. „Wir werden unseren Weg zur Energieunabhängigkeit beschleunigen.“

Eric Mamer, Sprecher der Europäischen Kommission, twitterte: „Die Ankündigung von Gazprom von heute Nachmittag, NorthStream1 erneut unter falschen Vorwänden abzuschalten, ist eine weitere Bestätigung seiner Unzuverlässigkeit als Lieferant. Es ist auch ein Beweis für den Zynismus Russlands, das es vorzieht, Gas abzufackeln, anstatt Verträge zu erfüllen.“

Da die Gaspreise viermal so hoch sind wie vor einem Jahr, erwägt die EU beispiellose Eingriffe in den Energiemarkt, darunter Preisobergrenzen, die Reduzierung der Stromnachfrage und Gewinnsteuern.

Diese Diskussionen haben dazu beigetragen, die Preise in dieser Woche zu senken – eine lang ersehnte Erleichterung der scheinbar endlosen Energiekrise. Russlands Schritt kommt nun nach dem größten wochentlichen Rückgang des Gaspreises (TTF) seit Beginn der Aufzeichnungen.

Kann Europa das Gas aus Russland ersetzen?

Europa hat seine Lagerbestände aufgestockt, um sich auf die Aussicht auf eine russische Abschaltung vorzubereiten, und verfügt zumindest für einen Teil des Winters über einen Puffer. Die Situation könnte sich jedoch deutlich verschlechtern, wenn die Vorräte abnehmen, insbesondere gegen Ende der Heizperiode – oder wenn es in Europa zu einer schweren Kältewelle kommt.

„Die Lage ist angespannt und eine weitere Verschärfung der Situation ist nicht auszuschließen“, so die Bundesnetzagentur am Samstag. „Die Gasversorgung in Deutschland ist aber derzeit stabil. Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist derzeit weiterhin gewährleistet.“

Deutschland, das sich jahrzehntelang von billigem russischem Gas abhängig gemacht hat, versucht nun, seine Energiepolitik innerhalb weniger Wochen umzustellen, um seine starke Wirtschaft zu schützen. Es erwägt, die Kernkraftwerke weiterlaufen zu lassen, was eine dramatische Kehrtwende wäre – und arbeitet daran, LNG-Anlagen in Betrieb zu nehmen. Die Speicherkapazität liegt jetzt bei 85 %.

Während Moskaus Bemühungen, die europäischen Verbündeten der Ukraine unter Druck zu setzen, immer deutlicher werden, erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck diese Woche, das Land könne sich bei der Gasversorgung generell nicht auf Russland verlassen.

„Wir haben die Unzuverlässigkeit Russlands bereits in den letzten Wochen gesehen und dementsprechend haben wir unsere Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit von russischen Energieimporten unbeirrt und konsequent fortgesetzt“, erklärte das Wirtschaftsministerium am späten Freitag.

Gazprom erklärte, dass ein Öl-Leck an einer Gasturbine entdeckt wurde, die dabei hilft, Gas in die Verbindung zu pumpen. Es gebe keinen Hinweis darauf, wie lange die Behebung des Lecks dauern könne. Ähnliche Öllecks wurden zuvor an einigen anderen Turbinen festgestellt, die jetzt außer Betrieb sind, und „eine vollständige Beseitigung des Öllecks an diesen Turbinen ist nur unter den Bedingungen eines spezialisierten Reparaturunternehmens möglich“, sagte Gazprom.

Gazprom erklärte weiter: Siemens – der Hersteller der Turbinen – habe das Leck bestätigt und müsse die Reparaturen außerhalb des Standorts durchführen. Siemens Energy erklärte jedoch, die von Gazprom angeführten Lecks seien kein Grund, den Gasfluss zu stoppen.

Hier das vermeintliche Leck, das die Probleme verursacht:

 

Bei einem vollständigen Stopp der Nord Stream, die unter der Ostsee hindurch nach Deutschland führt, gäbe es nur noch zwei Hauptrouten für die Gasversorgung der Europäischen Union: eine über die Ukraine und TurkStream durch das Schwarze Meer. Die Gasflüsse durch die Ukraine wurden ebenfalls gedrosselt, während TurkStream in den Süden Europas ohne Unterbrechungen funktioniert.

Die EU hat versucht, sich auf das Risiko eines kompletten russischen Gasausfalls vorzubereiten, indem sie alternative Lieferungen wie Flüssigerdgas aus den USA sicherzustellen versucht. Ohne russisches Gas aber wird sich die Energiekrise weiter verschärfen, der zuletzt stark gefallene Gaspreis weiter steigen.

„Das Angebot ist schwer zu bekommen, und es wird immer schwieriger, jedes bisschen Gas zu ersetzen, das nicht aus Russland kommt. Wenn das Wetter kalt wird und die Nachfrage in Europa und Asien im Winter steigt, kann Europa nur eine bestimmte Menge an LNG importieren, um das russische Gas zu ersetzen“, so Jacob Mandel, Senior Associate for Commodities bei Aurora Energy Research Ltd.

FMW/Bloomberg

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Gazprom Energiekrise Europa
Arbeiter auf dem Lastkahn Sans Vitesse an der Gasempfangsstation der Nord Stream 1-Erdgaspipeline in Lubmin, Deutschland, am Dienstag, 30. August 2022. Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg

 



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16 Kommentare

  1. Die Sanktionen werden die deutsche Wirtschaft ruinieren und im Winter noch weitere Probleme machen.
    Und zwar die eigenen Sanktionen.
    Jetzt bitte nicht jammern, sondern auch die Santionen ertragen.
    Es sollte für die Ukraine und für den Beweis der Solidarität auch gefrohren werden, und Wohlstand geopfert werden.
    Ja, bitte, es ist angerichtet.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

  2. Bei einem vollständigen Stopp der Nord Stream, die unter der Ostsee hindurch nach Deutschland führt, gäbe es nur noch zwei Hauptrouten für die Gasversorgung der Europäischen Union: eine über die Ukraine und TurkStream durch das Schwarze Meer.
    Und die JAMAL durch Polen, die bereits letzten Winter ohne Angabe von Gründen leergepumpt und praktisch stillgelegt wurde.

    1. Es gibt auch noch den Nordstream 2, kostete den Russen 20 Milliarde Euro..und wurde auf Druck der Amerikaner von Deutschland nicht technisch abgenommen. Steht da…nigel nagel neu, Wunder der Technik einfach still und Tot.

  3. Jetzt schickt doch bitte mal einer den Russen zwei, drei ölbeständige O-Ringe zum Abdichten dieses „katastrophalen“ Lecks.

  4. Gasprom stürzt Europa nicht indie Energiekriese, sondern die EU sich selbst!
    Solange die EU Amerika hörig ist und nicht an den Verhandlungstisch zurück kehrt
    wird es keine Ruhe geben.
    Es ist traurig das die Regierung in Berlin den Stellvertreterkrieg der USA in der Ukraine
    mit Waffen unterstützt, anstatt sich neutral zu verhalten.

    1. @Peter
      Man könnte auch sagen: Solange die EU nicht wieder russlandhörig ist und sich einem einseitigen Diktatfrieden unterwirft, wird es keine Ruhe geben.
      Es ist traurig, dass russische Trollfabriken von den wahren globalen Problemen ablenken und im hybriden Krieg Spaltkeile in die Bevölkerungen treiben.

      1. Wer treibt Keile ? Das Imperium. Welche Propaganda wollen Sie hier auftischen ?

    2. @Petersburg – wieviel bekommt man für solche Beiträge eigentlich bezahlt?

  5. @Peter
    Völlig richtig! Die Sanktionsorgien wurden auch nicht von russischer Seite sondern von den USA und EU begonnen. Und das es bei massiven Waffenlieferungen ins Kriegsgebiet Probleme mit den Energielieferungen geben wird war klar.

    Ich verstehe bis heute nicht, warum wir uns wegen diesem Konflikt unsere Wirtschaft ruinieren sollen. Bei anderen, völkerrechtswidrigen Kriegen von z.B. den USA, Türkei oder Saudi Arabien war uns das nicht eine müde Sanktion wert.

    Und wem nutzt das alles? Ein Blick auf den Dollar und die US-Außenhandelsbilanz könnte eine Erklärung sein. Hier wird gerade einem Tod geweihten kurzfristig neues Leben eingehaucht. Nicht zu vergessen der Konflikt mit China, bei dem ein geschwächtes Russland auch sehr hilfreich scheint.

    1. Es ist Geopolitik der USA, bzw. der Briten seit Ende des 2.WK, bzw. sogar noch früher. Die Briten sind seit 1850 russophob und hatten schon gegen Ende des 19.Jhdt. gegen Russland und Deutschland Stellung bezogen. 1904 manifestierte sich das dann in der Mackinder Heartland Theorie.
      1949 rannte Curtis LeMay der Luftwaffenchef der USA, ein Kommunistenhasser, und später Gegenspieler von J.F.K in der Cubakrise, herum und wollte – und das wurde diskutiert – mit den der USA damals zur Verfügung stehenden 133 Atombomben 70 Städte in der SU bombardieren. Er wollte die SU im Erstschlag angreifen solange diese noch keine Atomwaffen hat. Klingt natürlich für die meisten unglaubwürdig, weil sie noch nie was davon gehört haben – als muss es Lüge sein. Aber im Netz steht es jetzt noch. Und Kubrick verfilmte das in „Wie ich lernte die Bombe zu lieben“. Im Koreakrieg verlangte zuerst 1952 der US Präsident den Einsatz der Atombombe gegen 20 chin Städte, aber die Generalität war dagegen. Im Frühjahr 53 verlangte es dann die Generalität aber der neue Präsident Eisenhower war dagegen.(Doku : „Der vergessene Krieg“ Teil 3) 1968 diskutierte man in den USA den Einsatz der Atombombe gegen Vietnam, wie der Spiegel berichtete.
      Die USA sind aggressiv unter dem Deckmantel der Menschlichkeit und Völkerverständigung.

      Und die betroffenen Länder haben das nicht vergessen.

  6. ….indem sie alternative Lieferungen wie Flüssigerdgas aus den USA sicherzustellen versucht. …

    Wieviel Gas, in wieviel LNG- Tanker ist denn nun schon verbindlich wo gekauft worden?
    Ich denke, Habeck würde doch sicher seinen Wählern mitteilen, wenn er z. B. 100 oder mehr Tankerladungen für Deutschland hätte sichern können.
    Ich meine für den bald beginnenden Winter.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

    1. Es dürfte sich ja wohl rumgesprochen haben, daß die Tanker alle ausgebucht sind. So ein Ding kostet ca. 200 Mill. $ und wenn Aussagen kommen aus Deutschland Gas sei nur eine Übergangstechnologie, dann sind Investoren verschreckt, weil sie nicht wissen wie lange ihre Tanker dann im Einsatz sind. Erstmal ganz abgesehen von der Bauzeit.
      Ich frag mich was da für Traumtänzer wandeln. Und die wollen eine Nation führen ? Anscheinend sind sie gewohnt zu sagen „Ich möchte haben“ und dann können sie einkaufen gehen und es wird sofort geliefert.
      Aber Ideologie hat Vorrang. Mit Wind und Sonne werden wir das schon machen, oder ?

  7. Gerhard Schröder hätte anders gehandelt. Wer erinnert sich noch an dem Irak Invasion? Wie Schröder sich den USA quergestell hat? Das war große Klasse. Aber Onkel Schulz stellt die Prioritäten klar…die Wünsche der „Besatzer“ (hier in DE) hat Vorhang. Egal was uns passiert…die Deutsche Regierung und Politiker sind weder mutig noch eigenständig in der Entscheidungen.

    1. Ja, das war Klasse, und Angela Merkel rannte dann noch 2002 sofort zu Bush und entschuldigte sich für das Verhalten der Regierung !! Entwürdigend !!

  8. Diese Probleme sind doch eigenverschuldet.
    Ich unterstütze keineswegs Putins vorgehen aber seine Reaktionen sind nachvollziehbar. Wir schreien nach Sanktionen welche Russlands Wirtschaft in den Ruin treiben und sind dann ganz verwundert wenn der Russe eines seiner Druckmittel gegen uns verwendet.
    Macht Nordstream 2 auf, dann kommt genug Gas und ansonsten mal viel Spaß beim frieren. Vielleicht sollte man sich auch mal an den Verhandlungstisch setzen mit Russland, Putin wird vermutlich nicht als Verlierer aus der Sache gehen. Man wird Russland gewisse Teile des Landes überlassen müssen wenn man nicht mit der Brechstange dazwischen gehen will (was wohl für uns alle die allerschlechteste Lösung wäre).
    Jedenfalls bin ich persönlich für eine diplomatische Lösung und ganz ehrlich, die Ukraine bedeutet mir nicht so viel als dass ich bereit wäre dafür zu frieren.

    1. Man hätte es gar nicht erst soweit kommen lassen müssen. Aber die Ukraine ist ein kaputter Staat. Die Ukrainer werden mißbraucht.
      Und die USA incl. der Briten, wollen Russland zerstören, bzw. in mehrere Staaten aufteilen. Hätte ja Ende der 90 iger fast geklappt, der Anfang wurde mit dem Uralstaat gemacht, wo man schon dabei war eigenes Geld zu drucken – doch dann kam Putin und er machte dem Spuk ein Ende. Klar, das er Feind wurde.

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