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Griechenland ist unproduktiv! Griechen arbeiten härter als alle anderen! Was stimmt? Beides!

Von Claudio Kummerfeld

Wie kann das sein? Griechenland ist unproduktiv! Griechen arbeiten härter als alle anderen! Beides ist gleichzeitig möglich, und in Griechenland Realität. Ein Blick über Vermutungen und Vorurteile hinaus…

Alexis Tsipras MP Griechenland 1
Alexis Tsipras müsste noch sehr lange Ministerpräsident bleiben, um dieses Grundproblem in Griechenland bekämpfen zu können.
Foto: FrangiscoDer / Wikipedia (CC BY-SA 3.0)

Produktivität in Griechenland

Griechenland ist unproduktiv! Dies ist einer der Hauptvorwürfe aus Europa. Und weil das Land unproduktiv ist, sei es nicht wettbewerbsfähig und könne am Markt nicht bestehen. Daher seien Folgekredite für das Land nicht hilfreich. Stimmt das wirklich? Ja, das Land ist in der Tat fast das Unproduktivste in Europa, so zeigen es Daten der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Paris).

Um einen Vergleich zwischen Ländern hinzubekommen, errechnet die OECD das Bruttoinlandsprodukt pro Arbeitsstunde in jedem Land. Deutschland liegt bei 62,3 – Griechenland bei 36,2 Dollar pro Stunde. Damit ist Griechenland fast Schlusslicht in Europa – der EU-Durschnitt liegt bei 50. Noch schlechter trifft es übrigens Russland mit gerade mal 25,9. Die Slowakei mit 38 und Portugal mit nur 35 Dollar konnten die ebenfalls erschreckend niedrige Produktivität mit hartem Sparen und niedrigen Löhnen ausgleichen, damit die Produkte am Weltmarkt konkurrenzfähig sind. In Griechenland war es dafür zu spät. Man hat bzw. man wollte die Zeichen der Zeit nicht erkennen, bis die Schuldenlawine über dem Land zusammenbrach.

Arbeitsstunden in Griechenland

Ein weiterer Vorwurf: Die Menschen in Griechenland sind faul, wollen nicht arbeiten usw. Dies widerlegt die OECD eindeutig. Die Griechen arbeiten deutlich mehr Stunden als die Deutschen. Dass ihre Arbeitsplätze unproduktiv sind, können die Arbeiter selbst nicht beeinflussen. Dies liegt am Management ihrer Firma sowie an den Rahmenbedingungen, die der Staat vorgibt. Die Griechen arbeiten im Schnitt 2.034 Stunden pro Jahr, die Deutschen aber nur 1.393, so die Zahlen der OECD. Der Durchschnitt der Eurozone liegt bei 1.557 Stunden. Damit ist der Mythos des „faulen Griechen“ widerlegt.

Wo ist das Problem?

Das Problem liegt nicht beim kleinen Arbeiter oder Angestellten, sondern bei den Unternehmern und beim Staat. Die Unternehmer konnten sich seit der Euro-Einführung auf dem billigen Geld ausruhen. Sie konnten sich quasi über Nacht durch den Euro zu atemberaubend günstigen Zinsen Geld leihen. Durch die EZB war ein dauerhafter stabiler Geldfluss und liquide Banken gesichert, alles war gut. Man konnte sich immer weiter verschulden – dass die Produktion immer unrentabler wurde, weil man sich nicht kümmerte… egal. Man fällt zurück, wenn alle anderen produzierenden Länder um einen herum ihre Produkte ständig verbessern, ständig ihre Maschinen erneuern, ständig die Produktionsabläufe optimieren und in der selben Arbeitszeit mit dem selben Personal immer mehr Produkte herstellen können, man selbst aber nicht.

Um diese Differenz namens Produktivitätsrückgang auszugleichen, müssen die Arbeiter in den griechischen Betrieben zwangsläufig mehr Stunden arbeiten, damit die Produktivität steigen kann. Aber Griechenland zeigt dramatisch: Obwohl man deutlich mehr arbeitet als die Arbeiter in Deutschland, sind die Betriebe nicht mehr konkurrenzfähig.

Dazu kommt noch: Der Staat tut sein Bestes, um dem Produktivitätsrückstand noch den Sargnagel aufzusetzen. Lahme Bürokratie, kein funktionierendes Steuerwesen, lange Bewilligungsverfahren. Ein Unternehmer, der z.B. eine neue Halle und neue Produktion aufbauen will, weil die alte nicht mehr konkurrenzfähig ist, geht den Bach runter, wenn die Genehmigung für die neue Halle mehrere Jahre dauert. In der Zeit kann seine Konkurrenz im Ausland mit neuen Maschinen bereits produzieren und ihm die Kunden wegnehmen.

Es bedarf einer grundlegenden gemeinsamen Anstrengung der Unternehmer und der Politiker in Griechenland, um produzierende Betriebe konkurrenzfähig zu machen, um Abläufe zu modernisieren. Die Arbeiter sind auf die Tatkraft ihrer Chefs angewiesen, und die auf die Schnelligkeit der Bürokratie. Aber: Ist dieses Problembewusstsein bei Unternehmern und Bürokratie vorhanden? Oder versteift man sich auf seine Opferrolle in der Schuldenkrise? Man könnte auch sagen „jetzt packen wir es an“, wo in Kürze die nächsten 86, 90 oder 100 Milliarden Euro aus Europa fließen werden.

 



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3 Kommentare

  1. Das alles stimmt bedingt,der direkte Konkurent ist nicht Deutschland oder Frankreich sondern wohl eher die Tuerkei. Und die hat ihre Lira drastisch abgewertet was Griechenland dank der Euro -„Segnung“ nun nicht kann.Ein heraussparen aus diesem Elend wird nicht funktionieren – uebrigens in letzter Konsequenz auch fuer Portugal,Spanien oder Italien nicht.
    Fazit: Das Siechtum wird weitergehen, das Elend in diesen Laendern zunehmen der Hass auf die EU den Euro und nicht zuletzt Deutschland wird durch die Wahl „rechter“ Bauernfaenger den Irrsinn EU beenden…

    1. Nicht zu vergessen, dass das kaum Geld in Griechenland sondern bei deutschen und französischen Banken und bei Spekulanten ankommt. Das verschweigt der Artikel geflissentlich….

  2. Griechen sind nur deswegen „unproduktiv“, weil die ganzen Profite (meistens steuerfrei) im Ausland landen, bei den Aktionären. Alles andere ist nur Rauschen.

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